Pamela Conti seit mehr als vier Jahren Trainerin des venezolanischen Frauennationalteams
Italienerin bei der zweiten Ausgabe des FIFA-Trainermentoringprogramms mit von der Partie
Viel Lob für ihren Mentor und das Programm – Blick auf die aktuelle Lage des Frauenfussballs
Pamela Conti war seit fast zwei Jahren Trainerin des venezolanischen Frauenteams, als ihr 2021 Montse Tome, mittlerweile Trainerin von Weltmeister Spanien, vorschlug, am FIFA-Trainermentoringprogramm teilzunehmen. „Montse gehört zu meinen engsten Freundinnen und sagte zu mir: ,Pame, mach das. Du kannst echt viel profitieren‘“, so die ehemalige Stürmerin, die für Italien in 90 Länderspielen 30 Tore erzielte. „Ich bin so froh, habe ich auf sie gehört, weil das Programm meine Erwartungen echt übertroffen hat. Es hat mich als Trainerin und Mensch weitergebracht. Es war eine einmalige Erfahrung.“
Conti wurde vom Schotten Tom Sermanni betreut, der einst Trainer Australiens, der USA und Neuseelands war. Er war schon bei sechs Ausgaben der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ dabei, zuletzt 2023 als Teil des Betreuerstabs von Kanada.
„Tom ist ein bescheidener Mensch, der sehr viel weiss. Das machte die Zusammenarbeit mit ihm sehr interessant“, erinnert sich die 41-Jährige, die 2014 nach einer ereignisreichen, 18 Jahre andauernden Spielerkarriere zurücktrat, um in ihrer Heimat Palermo eine Jugendakademie zu eröffnen. „Er war immer da, um mir zuzuhören, mit mir zu reden, mir mit Ratschlägen zur Seite zu stehen und mir bei Problemen zu helfen. Er war mehr als ein Mentor. Er wurde zum Freund und zur Vaterfigur.“ Obschon die zweite Ausgabe im Dezember zu Ende ging, empfing Sermanni Conti, die das U-16-Team von Atlético Madrid betreute, ehe sie das Nationalteam von Venezuela übernahm, im Januar in Australien, wo er bei den Western Sydney Wanderers als Frauenfussballleiter tätig ist. „Ich war bei den Trainings und Spielen dabei und fand bezüglich Infrastruktur und Arbeit etwas ganz anderes vor als in Venezuela“, erzählt Conti.
„Ich war zum Beispiel überrascht über das Engagement der Spielerinnen im Training sowie über das Fitnessniveau bei den Spielen“, fügt sie an. „Ich rief sogar meinen Bruder Vincenzo an, der auch mein Assistenztrainer ist, und sagte zu ihm: ,Diese Intensität müssen wir erreichen.‘ In Australien fragte ich mich immer wieder, was ich tun kann, um die Dinge zu verbessern, was mir fehlt und was ich brauche. In Venezuela sind kontinuierliche Fortschritte zu sehen. Wir sind definitiv besser geworden. Noch ist es aber ein langer Weg.“
Conti lobt auch den wertvollen Informationsaustausch bei den Seminaren während der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft™ in Costa Rica sowie in Portugal: „Ich war immer davon überzeugt, dass man sich zum Lernen mit Menschen umgeben muss, die mehr wissen. Und von denen gab es dort viele. Ich konnte auch Vergleiche anstellen, vor allem mit anderen Ländern in Amerika. Das war sehr hilfreich.“ Neue Informationen und Erfahrungen sind für die viel gereiste Conti nichts Neues. „In jedem Land, in dem ich spielte, lernte ich etwas Neues, das ich jetzt als Trainerin einsetzen kann“, betont sie. „In Italien war es die Rolle der Defensive. In Russland das kallharte Training: Ich stand morgens um sechs Uhr auf und musste in knietiefem Schnee und bei minus 35 Grad Celsius laufen. Ich kann deshalb zu meinen Spielerinnen sagen: ‚Ich habe das geschafft, also könnt ihr das auch.‘
Danach war ich drei Jahre in Spanien, wo ich wie als Trainerin trainierte. Ich kenne deshalb das Tiki-Taka-System. Ich wünschte mir, mein Team würde wie Barcelona spielen. In Schweden lernte ich Respekt, Pünktlichkeit und Verantwortung. Und in den USA merkte ich, wie wichtig der physische Aspekt des Spiels ist. Ich sage meinen Spielerinnen, dass ich ihnen diese ganze Erfahrung schenken möchte, aber die schauen mich an, als ob ich verrückt wäre (lacht).“
Die Verschmelzung von Fussballkulturen spielt auch bei der Arbeitsdynamik mit ihrem Bruder Vincenzo eine wichtige Rolle. „Wir streiten uns ständig, aber das ist völlig normal“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. „Er ist ein Italiener wie ich. Aber ich bin um die Welt gereist, und meine Sicht auf den Fussball ist nicht so italienisch wie seine. Deshalb sind wir so ein gutes Team!“ Der Fussball war für Conti immer eine Familienangelegenheit: Vater Francesco und der zweite Bruder Daniele waren auch Profis. „Zu Hause lebten und atmeten wir Fussball. Sie halfen mir, mich als Spielerin und nun als Trainerin weiterzuentwickeln.“
Dank ihrem Sachverstand zeichnet Conti ein scharfes Bild des aktuellen Frauenfussballs: „Bei den Investitionen und der Medienberichterstattungen wurden enorme Fortschritte erzielt. Der Sport kann sich mehr und mehr selbst verkaufen. Und es gibt sogar einige Journalistinnen. Mein Vorbild war Mia Hamm – nicht weil sie berühmt war, sondern weil ich gegen sie spielte. Die Mädchen heute haben so viele Vorbilder im Frauenfussball. Das ist ganz entscheidend.“ Weiter hält sie fest: „Bei den internationalen Spielen in England, Spanien, den Niederlanden, Australien oder den USA und vielen Spielen bei der letzten WM ist ein viel höheres technisches, taktisches und physisches Niveau zu beobachten als zu meiner Zeit. Ich weiss nicht, ob ich mit meiner Schnelligkeit heute herausstechen könnte oder ob ich dank all den Hilfsmitteln, die wir damals noch nicht hatten, besser wäre. Das Niveau ist insgesamt aber eindeutig gestiegen.“
Conti ist sich bewusst, dass in Venezuela noch viel Arbeit vor ihr liegt, nachdem ihr Team die interkontinentalen Play-off-Spiele für die Frauen-WM 2023 nach der Niederlage im Elfmeterschiessen gegen Chile im Spiel um Platz fünf bei der Copa América Femenina 2022 verpasste. „Im A-Team spielen viele, die bei ausländischen Klubs unter Vertrag sind“, erzählt sie. „Es ist ein junges Team mit einer grossen Zukunft. Es muss aber noch viel investiert werden. Wir müssen in die Infrastruktur, den Kinderfussball und vor allem in eine umfassende Organisation und ins Training investieren. Ohne konkurrenzfähige nationale Liga wird es schwierig, weil die Mädchen dem Fussball mit 14 oder 15 Jahren den Rücken kehren. Wir müssen einen Weg finden, damit sie weiterspielen, als Profis und nicht nur zum Spass.“ Conti träumt weiterhin, die Vinotinto erstmals an eine Frauen-Weltmeisterschaft zu führen. „Mein Vater sagte mir immer, dass dir der Fussball die Chance zur Wiedergutmachung gibt. Vielleicht waren wir für die WM noch nicht bereit. Trotzdem kann ich immer noch nicht verstehen, was in diesem Spiel passiert ist“, erklärt sie. „Positiv ist, dass wir als Team gut reagiert haben. Wir hatten 2023 ein gutes Jahr und hoffen, es bei der nächsten Copa América besser zu machen. Wir haben das Zeug zum Topteam.“