Die FIFA hat einen Lagebericht zum Profifussball der Frauen herausgegeben
Die Chefbeauftragte für den Frauenfussball, Sarai Bareman, äußerte sich zu dessen Bedeutung für die Zukunft des Frauenfussballs
FIFA.com fasst die wichtigsten Punkte zusammen
Zu Wochenbeginn hat die FIFA einen Lagebericht zur Entwicklung und Professionalisierung im Spitzensport des Frauenfussballs weltweit herausgegeben. Er ist Teil einer Gesamtvision zur Globalisierung der Fussballs und zur Beschleunigung des Wachstums im Frauenfussball.
Der FIFA-Benchmarking-Bericht: Frauenfussball wurde über einen Zeitraum von neun Monaten erstellt. Er bietet wichtige Erkenntnisse über diverse zentrale Bereiche des Profisports im Frauenfussball, darunter neben dem sportlichen Sektor etwa auch über Finanzen, Fanengagement, Angelegenheiten der Spielerinnen und COVID-19.
Bei FIFA.com spricht die FIFA-Chefbeauftragte für den Frauenfussball, Sarai Bareman, über den aktuellen Bericht, die daraus zu ziehenden Erkenntnisse und Schlüsse und die nach der Veröffentlichung letzte Woche angedachten Schritte.
Zum ersten Mal hat mit der FIFA überhaupt eine Organisation auf der Welt eine so gründliche Studie mit Ligen und Vereinen zum Thema Profifussball der Frauen durchgeführt. Ist in den kommenden Jahren regelmäßig mit solchen Berichten zu rechnen?
Sarai Bareman: Es hat sich gezeigt, dass sich die Welt des Frauenfussballs sehr schnell weiterentwickelt. Wir finden regelmäßig anekdotische Beispiele und Indikatoren in vielen verschiedenen Bereichen und Ländern, die das Wachstum des Frauenfussballs belegen, aber zum ersten Mal liefert dieser Bericht nun konkrete Fakten und Daten über die aktuellen Realitäten und Möglichkeiten, die bestehen, um den Frauenfussball zu professionalisieren und nachhaltig zu fördern.
Von daher ist dieser Bericht ein wichtiger Ausgangspunkt und erster Schritt. Es ist jedoch wichtig, dass wir nun darauf aufbauen und die von den Ligen und Klubs zur Verfügung gestellten Daten nutzen, um mit allen Interessengruppen im gesamten Fussball zusammenzuarbeiten und den Frauenfussball weiterzuentwickeln.
Gemäß der Vision und der Ziele der FIFA, den Frauenfussball verstärkt zu fördern und zu professionalisieren, haben wir dabei durchaus den Ehrgeiz, solche Berichte regelmäßig zu veröffentlichen. Meiner Meinung nach wäre ein jährlicher Bericht optimal, vor allem um die Veränderungen von Saison zu Saison zu erfassen. Das würde nicht nur uns hier bei der FIFA helfen, unsere eigenen Ziele zu erreichen, sondern auch die Interessengruppen zu informieren und sie in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen.
FIFA Benchmarking-Bericht: Frauenfussball
Welche Rolle spielt die FIFA in Bezug auf die Professionalisierung des Frauenfussballs und die Förderung von Ligen und Vereinen auf lokaler Ebene?
Gute Frage. Die FIFA investiert viel Zeit und Mittel in die Entwicklung des Frauenfussballs auf und abseits des Spielfelds und arbeitet eng mit den Mitgliedsverbänden und anderen Interessengruppen zusammen. Auch abseits der Fussballplätze bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft und unseren Junioren-Weltmeisterschaften wird eine Menge Arbeit geleistet, um das gesamte Ökosystem des Frauenfussballs zu fördern. Das macht einen großen Teil dessen aus, was wir in der Frauenfussballabteilung leisten.
Wir wissen, dass wir nicht nur starke Wettbewerbsstrukturen, sondern auch gezielte Programme zum Kapazitätsaufbau und langfristige Perspektiven für Spielerinnen, Verantwortliche, Trainer und alle Beteiligten haben müssen, um die Teilhabe zu erhöhen, Spielerinnen zu halten und Expertise im Frauenfussball aufzubauen.
In erster Linie heißt das, wir müssen starke und nachhaltige Ligen entwickeln, in denen sich die Spielerinnen in einem wettbewerbsfähigen professionellen Umfeld bewegen und regelmäßig und langfristig teilnehmen können. Es bedeutet ferner, dass wir die Vereine dazu drängen und dabei unterstützen müssen, die Standards anzuheben und die Perspektiven für Spielerinnen zu verbessern, indem wir Instrumente wie die Vereinslizenzierung und den Regulierungsrahmen nutzen. Es bedeutet, die besten Governance-Strukturen und kommerziellen Programme auf jeder Ebene einzurichten, um maximale Leistung zu gewährleisten, sowohl in Bezug auf Nachhaltigkeit als auch mit Blick auf den Sport. Darauf liegt ein wichtiger Teil unseres Fokus, wenn es um die Gesamtentwicklung des Frauenfussballs geht, und natürlich ist es wichtig, dass wir auch einen Top-Down-Ansatz haben.
Die FIFA hat ihre eigenen Wettbewerbe, wie die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft und die FIFA U-17- und U-20-Frauen-Weltmeisterschaften. Sie sind wirklich Top-Down-Treiber der Entwicklung, indem sie als Katalysator für aktive Nationalteams und die von ihnen geschaffenen Qualifikationswege fungieren. Daneben können wir von unten nach oben unsere Mitgliedsverbände und ihre Ligen und Vereine durch Programme wie das FIFA Frauen-Entwicklungsprogramm unterstützen, das Wachstum und Professionalisierung auf nationaler und innerstaatlicher Ebene fördert.
Was war aus Ihrer Sicht eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht? Welchen Kernbereich haben Sie und Ihr Team als den größten Wachstumsbereich ausgemacht?
Es gibt wichtige Erkenntnisse auf jedem Gebiet, aber in Bezug auf Wachstum war einer der wichtigsten Bereiche und Erkenntnisse aus der Studie die kommerziellen Möglichkeiten und die Geschäftsszenarios, die der Frauenfussball bietet.
Was für mich besonders hervorsticht, sind die Umfrageergebnisse und die Möglichkeiten, die rund um die Übertragung und Vermarktung des Frauenfussballs bestehen. Anhand der Daten konnten wir feststellen, dass insbesondere im Vergleich zum Männerfussball die durchschnittlichen Einnahmen der Ligen und Vereine im Zusammenhang mit der Übertragung von Spielen sowie die durchschnittlichen Investitionen der Ligen und Vereine in das Marketing relativ gering sind.
Das unterstreicht die enormen Wachstumschancen in Bezug auf die Generierung von Einnahmen für den Frauenfussball, die Übertragung von Spielen und die Präsentation von mehr Frauenfussballspielen und damit natürlich auch von mehr Spielerinnen im Fernsehen und auf den verschiedenen digitalen Plattformen, die zur Verfügung stehen.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung wurde darauf hingewiesen, dass es anscheinend immer noch viele Vereine gibt, die über kein zusätzliches Betreuungspersonal wie beispielsweise Physiotherapeuten oder Mannschaftsärzte verfügen. Wie lässt sich das verbessern und was kann getan werden, um die Mannschaften zu ermutigen, ihr Umfeld für die Spielerinnen zu erweitern und zu professionalisieren?
Das ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema, das hier angesprochen wird. Eine der Erkenntnisse aus den Umfrageergebnissen, die wir bereits ausführlich besprochen haben, ist, dass die Fachfunktionen in den Vereinen wirklich den Unterschied in Bezug auf die sportliche Leistung zu machen scheinen.
Um jede Mannschaft herum muss es ein grundlegendes Funktionsteam geben – die Cheftrainerin, den Cheftrainer, seine oder ihre Assistenten oder Assistentinnen usw. Wenn wir jedoch feststellen konnten, dass die Personalausstattung und die personellen Ressourcen einen Unterschied in Bezug auf die sportliche Leistung ausmachen, dann waren es vor allem spezialisierte Positionen wie Ernährungsberaterinnen und Psychologinnen sowie – im Frauenfussball – eben auch Physiotherapeutinnen.
Wenn wir über Spitzenfussball sprechen, ist es wichtig, für die Spielerinnen erstklassiges Personal zur Verfügung zu haben, vor allem, wenn es um das Wohlergehen der Spielerinnen geht, um ihr Wohlbefinden und natürlich auch um ihre Gesundheit. Im Männerfussball sind solche Spezialisten inzwischen die Norm. Männliche Spieler auf Spitzenniveau erwarten, dass ihnen diese Unterstützung angeboten wird. Meiner Ansicht nach sollte es im Frauenfussball nicht anders sein. Wir wollen ja, dass unsere Spielerinnen die besten Möglichkeiten haben, auf dem Spielfeld gute Leistungen zu bringen, und um das zu erreichen, müssen wir ihnen auch optimale Rahmenbedingungen bieten, um erfolgreich zu sein.