Montag 30 Oktober 2023, 16:45

Gemeinsam können wir den Kinder- und Erwachsenenschutz im Sport ins Zentrum rücken

Im Rahmen des FIFA-Guardians-Programms zur Verbesserung der Kinder- und Erwachsenenschutzstandards im Fussball fand am 25. und 26. Oktober 2023 am FIFA-Sitz ein Kinder- und Erwachsenenschutzgipfel statt.

Kinder- und Erwachsenenschutzbeauftragte von FIFA-Mitgliedsverbänden und Konföderationen sowie internationale Experten und Vertreter verschiedener Interessengruppen aus der Welt des Sports nahmen an verschiedenen Podiumsdiskussionen und Präsentationen teil.

Wir haben einige Teilnehmer zur Bedeutung des Kinder- und Erwachsenenschutzes befragt.

FIFA Safeguarding Summit

Dion Raitt – ehemaliger Jugendspieler von Peterborough United und Missbrauchsopfer

Wieso ist Kinderschutz für ein Traineramt so wichtig?

Der Kinderschutz ist für ein Trainer im Sport das A und O. Wir sind für diese Kinder Vorbilder, und dies nicht nur mit unserem Verhalten. Sie vertrauen uns immer mehr. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Man muss die Augen offen halten und auf Verhaltensänderungen achten. Sie müssen die Chance haben, mit Problemen zu einem zu kommen. Wir müssen ihnen dazu die Möglichkeit geben.

Es kann zu Hause etwas sein, was wir nicht wissen, aber vielleicht spüren. Möglichkeiten für ein offenes Gespräch können in einer Frühphase entscheidend sein, da sich die langfristigen Folgen minimieren lassen, wenn sich die Betroffenen frühzeitig Hilfe holen.

Bei Kinderschutzschulungen lernt man auch, was in solchen Fällen zu tun ist, an wen man sich wenden muss und an wen nicht, um die betroffenen Kinder zu schützen. Die Thematik muss für einen Trainer oberste Priorität haben.

FIFA Safeguarding Summit

Julie Ann Rivers-Cochran – The Army of Survivors

Ist Sport für Missbrauch besonders anfällig, und falls ja, wieso?

Athletinnen und Athleten werden aus verschiedenen Gründen häufiger Opfer sexueller Übergriffe und sexuellen Missbrauchs. Dies gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Einer der Hauptgründe sind die isolierten Trainings vieler junger Athleten, besonders angehender Elite- oder Profiathleten.

Sie leben oft von ihren Familien und Angehörigen getrennt, entweder in einem Internat, Klub oder Trainingszentrum, wo sie sportlich ausgebildet werden. Durch den fehlenden Familienanschluss fällt es vielleicht auch niemandem auf, wenn es Anzeichen für einen Missbrauch gibt.

Was machst du, wenn dich ein Trainer missbraucht, dem du vertraust und der als Kind an dich geglaubt hat?

Es ist besonders für Kinder unheimlich schwer, darüber zu reden oder nur schon zu begreifen, dass das, was da passiert, Missbrauch ist und diese wichtige Bezugsperson, die dieselben sportlichen Ziele und Träume hat, ihnen jetzt Leid zufügt.

FIFA Safeguarding Summit

Kelly Smith – Assistenztrainerin von Arsenal Women und ehemalige englische Nationalspielerin

Mit welchen Schutzmassnahmen unterstützt Ihr Klub seine Spielerinnen?

Während meiner aktiven Karriere bis 2016 gab es keine solchen Massnahmen zum Schutz der Spielerinnen, weder Richtlinien noch Verfahren. Inzwischen hat der Klub einiges getan. Wir sind sehr stolz auf all die Protokolle und Richtlinien, die nun bestehen.

Der Klub beschäftigt drei Kinderschutzbeauftragte. Einer ist für die Oberaufsicht zuständig, während die anderen beiden je für die Juniorenakademie und das Frauenteam verantwortlich sind. Vier Betreuer wurden zudem aus- und weitergebildet und sind explizit für Schutzbelange zuständig.

Wenn Spieler ein Problem haben, können sie sich also an verschiedene Personen wenden. Es braucht unbedingt Leute mit den nötigen Qualifikationen und Kenntnissen im Bereich Kinder- und Erwachsenenschutz, damit die Spieler Vertrauen zu ihnen haben.

FIFA Safeguarding Summit

Johanna Wood – Präsidentin des neuseeländischen Fussballverbands und FIFA-Ratsmitglied

Wie wichtig sind solche Kurse für Führungskräfte wie Sie?

Ich komme aus dem Bildungswesen und bin mir bewusst, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Wir haben eine Vorbildfunktion. Wieso sollten andere sich weiterbilden und Neues lernen wie beim FIFA-Guardians-Programm, wenn wir dazu selbst nicht bereit sind?

Indem wir vorangehen, geben wir anderen die Gewissheit, dass wir eine Ahnung davon haben, was wir von Ihnen verlangen. Wir können sie dann vielleicht begleiten und ihre Arbeit unterstützen. Führungskräfte sollten nicht nur reden, sondern den Worten auch Taten folgen lassen.

FIFA Safeguarding Summit

Kirsty Burrows – Verantwortliche für einen sicheren Sport beim Internationalen Olympisches Komitee (IOC)

Brauchen andere internationale Sportverbände ähnliche Kinder- und Erwachsenenschutzprogramme wie das IOC und die FIFA?

Der Kinder- und Erwachsenenschutz entwickelt sich im Sport zu einem eigenständigen Bereich. Wir brauchen ausgebildete Ansprechpartner und Kinder- und Erwachsenenschutzbeauftragte sowie Schulungen für alle Parteien, d. h. Trainer und Funktionäre. Die unterschiedlichen Bildungsaufgaben und Kompetenzen der einzelnen Personen sind dabei genau zu klären.

Das Guardians-Programm der FIFA ist grossartig. Dann haben wir die IOC-Zertifikate sowie Kinder- und Erwachsenenschutzbeauftragte im Sport. Zudem arbeiten wir daran, klar festzulegen und zu vermitteln, was das alles bedeutet und wie die Absolventen dieser Programme Sportorganisationen und Athleten unterstützen sowie die diesbezüglichen Standards, Strategien und Richtlinien im Sport verbessern können.

Gemeinsam können wir echt etwas bewirken und den Kinder- und Erwachsenenschutz im Sport ins Zentrum rücken.