Montag 06 März 2023, 11:00

Massey im Interview über medizinische Prioritäten der FIFA

  • Medizinischer Direktor der FIFA im Gespräch zu medizinischen Herausforderungen und Zielen  

  • Grundsatz "Gesundheit als oberste Priorität" während der COVID-19-Pandemie zentral 

  • Gehirngesundheitsmanagement einer der Schwerpunkte der FIFA 

Drei Jahre nach seinem Wechsel vom FC Liverpool zur FIFA, schaut Dr. Andrew Massey auf eine ereignisreiche Zeit zurück, äussert sich zu den aktuellen medizinischen Herausforderungen und nennt den Schutz der Gesundheit aller Beteiligten im Fussball als oberstes Ziel der FIFA. 

Schon eine Woche nach seinem Stellenantritt erlebte der medizinische Direktor der FIFA seine wohl grösste Herausforderung, als die Weltgesundheitsorganisation COVID-19 zur globalen Pandemie erklärte, was für den Fussball weltweit unmittelbare Folgen hatte. 

"Ich war erst seit einer Woche bei der FIFA, als die Pandemie ausbrach. Nachdem wir uns in der ersten Woche voll darauf konzentriert hatten, für die medizinische Abteilung eine Strategie für die nächsten drei Jahre zu entwickeln, drehte sich plötzlich alles nur noch um COVID-19. Mit seinem Versprechen, wonach die Gesundheit oberste Priorität habe, verkündete der Präsident die wohl wichtigste Gesundheitsbotschaft der FIFA in ihrer 118-jährigen Geschichte."

"Der Schutz jedes Einzelnen und der Gesellschaft stand über allem, sodass wir mit vielen Strategien versuchten, eine Weiterverbreitung von COVID-19, Todesfälle und Erkrankungen zu verhindern. 207 unserer 211 Mitgliedsverbände mussten den Fussballbetrieb deshalb unterschiedlich lange einstellen."

Zur Tätigkeit der FIFA für ihre Mitgliedsverbände sagte Dr. Massey: "Wir haben Notfallmedizinkurse entwickelt und wollen, dass jeder der 211 FIFA-Mitgliedsverbände über einen eigenen Instrukteur verfügt, der die Kurse in seinem Fussballumfeld durchführen und so für einen Pyramideneffekt sorgen kann."

Gehirngesundheitsstrategie

Ein Schwerpunkt der Arbeit von Dr. Massey war die Umsetzung einer Gehirngesundheitsstrategie u. a. in Form eines einzigartigen Programms zum Management von Gehirnerschütterungen bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™.

"Wir müssen auf die Schwere von Hirnverletzungen aufmerksam machen. Ebenfalls unbestritten ist, dass es bis zu 72 Stunden dauern kann, bis sich eine Hirnverletzung oder eine Gehirnerschütterung manifestiert. Erst nach drei Tagen können sich also Symptome zeigen. Wir wollen deshalb vermeiden, dass ein Spieler nach einer Hirnverletzung wieder spielt, bevor er dazu in der Lage ist. Es gilt daher, falsche negative Befunde zu verhindern, wenn wir jemanden untersuchen. Wenn wir irrtümlicherweise eine Verletzung ausschliessen und grünes Licht für einen weiteren Einsatz geben, ist dies äusserst gefährlich."

"Das Gehirn leidet bei jeder Verletzung, aber noch viel mehr, wenn eine weitere Verletzung dazukommt. Wir wollen daher die Wahrscheinlichkeit falscher negativer Befunde senken. Bei vorübergehenden Auswechslungen liegt das Risiko falscher negativer Befunde gemäss Studien bei 16 bis 25 %. Jeder vierte Spieler mit einer noch nicht manifestierten Gehirnerschütterung kehrt also ins Spiel zurück."

"Es braucht daher eine sichere Schwelle und einen neuen Konsens bei der entscheidenden Fragestellung. Statt, Hat diese Person eine Gehirnerschütterung?‘ soll neu, Kann eine Gehirnerschütterung ausgeschlossen werden?‘ den Ausschlag geben. Dauerhafte Auswechslungen sind insoweit viel sicherer, als sie falsche negative Befunde ausschliessen und jedes Risiko bei einer Person vermeiden, bei der aufgrund etwaiger Symptome oder des Verletzungsmechanismus eine Gehirnerschütterung vermutet wird."

Das vollständige Videointerview mit Dr. Massey ist auf FIFA.com zu finden.