Freitag 15 Januar 2016, 08:57

Pereira: "Man muss seine Stärke in der Luft nutzen"

"Beim Training spielen die Flanken eine besondere Rolle … Die Bälle fliegen von der Seite herein und du sagst dir: 'Hier gibt es eigentlich keinen, der nicht gut köpfen kann. Also musst du aufpassen oder der Ball ist drin.'"

Álvaro Pereira muss im Gespräch mit FIFA.com lachen. Er lacht und zählt sie alle auf: "Godín, Cáceres, Giménez, Coates, Cavani, Suárez... Bis vor kurzem auch noch Forlán, Abreu und Lugano...". Wer nichts zu lachen hat, sind die Gegner: von den neun Toren, die Uruguay bisher in den vier Qualifikationsspielen für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ erzielte, fielen sechs nach ruhenden Bällen und fünf davon wurden mit dem Kopf erzielt. Damit sind die Uruguayer mit neun Punkten erster Verfolger von Spitzenreiter Ecuador.

Von den fünf Kopfballtreffern gingen zwei auf das Konto von Diego Godín und jeweils einer auf das von Martín Cáceres, Edinson Cavani und auch von Pereira selbst, der in der letzten Partie gegen Chile sein erstes Tor in 31 Qualifikationsspielen erzielte. Dabei hatte nach einem langen Freistoß von Torhüter Fernando Muslera Stürmer Cavani den Ball auf Pereira verlängert.

"Ganz so war es zwar nicht gedacht, aber auf jeden Fall sollte Edinson den Ball mit dem Kopf verlängern. Wir achten schon darauf, dass wir beständig im gegnerischen Strafraum rotieren", erzählt der 30-jährige Linksfuß, der als Außenverteidiger oder im defensiven Mittelfeld eingesetzt wird.

Es ist kein Zufall, dass die drei Treffer beim 3:0 gegen den Gewinner der Copa América alle nach ruhenden Bällen fielen. "Ich weiß nicht, ob wir da in unserer Region die besten sind. Es könnte sein, dass sich die Paraguayer darüber ärgern, die auch sehr starke Kopfballspieler sind", sagt El Palito grinsend. "Wir trainieren das zwar, aber wir bringen auch gute Voraussetzungen dafür mit: Wir sind groß und sehr gut im Kopfballspiel. Natürlich reicht es nicht aus, groß gewachsen zu sein, man muss die Stärke in der Luft auch zu nutzen wissen."

Außerdem verfügt Uruguay über hervorragende Torjäger, merkt der Spieler an, der gegenwärtig bei Estudiantes de La Plata unter Vertrag steht. "Sowohl Lodeiro als auch Sánchez sind sehr präzise Vollstrecker. Ich sehe es so, dass ein Kopfballtreffer zu 70% das Verdienst des Vorlagengebers ist."

Pereira, WM-Teilnehmer in Südafrika 2010 und Brasilien 2014, glaubt nicht, dass Uruguay Gefahr läuft, zu abhängig von ruhenden Bällen zu werden. "Natürlich ist es schon ein wenig beruhigend, zu wissen, dass wir irgendwann ja doch einen Freistoß oder eine Ecke zugesprochen bekommen. Aber das ist auch schon alles. Es ist eine gute Waffe, um Spiele zu gewinnen, mehr nicht."

Solide Abwehr und ein lange ersehnter Rückkehrer Die eigene Kopfballstärke wird jedoch nicht nur im gegnerischen Strafraum genutzt, sondern macht sich natürlich auch bei der Abwehrarbeit bezahlt. In der Tat ist es den Uruguayern gelungen, in drei der vier Partien eine weiße Weste zu behalten. Beim Spiel in Quito ist es Ecuador als bislang einzigem Team gelungen, die uruguayische Abwehr zu überwinden. Beide Tore fielen dabei nicht nach ruhenden Bällen.

Pereira sieht für die gute Defensivleistung seines Teams aber auch andere Gründe. "Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Faktor, dass wir uns untereinander hervorragend verstehen. Da wir schon eine Weile zusammenspielen, verstehen wir uns auf dem Platz nahezu blind. Derjenige, der den Ball hat, weiß genau, was er damit zu tun hat, und das gilt auch für die Mittelfeldspieler und Angreifer. Dann verfügen wir hinten natürlich über starke Einzelspieler: Godín und Muslera spielen auf einem sehr hohen Niveau und das steckt an."

Obwohl in der Qualifikation noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, blickt man hoffnungsvoll auf die kommenden Partien, denn schon im nächsten Heimspiel gegen Brasilien kommt es zur Rückkehr von Luis Suárez, dessen bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ verhängte Sperre dann abgelaufen sein wird. "Er ist nicht nur ein Führungsspieler, sondern auch ein Freund. Mit ihm kehrt ein ganz wichtiges Element ins Team zurück", betont der ehemalige Spieler von Inter Mailand und São Paolo.

Pereira verweist darauf, dass die Leistungen von El Pistolero beim FC Barcelona alle begeistern. Er zeigt sich auch überzeugt davon, dass der Angreifer "in den nächsten Jahren ein Wort um die Vergabe des Ballon d'Or mitreden wird", glaubt andererseits aber nicht, dass Uruguay zu abhängig von Suárez werden könnte. "Das wird nicht so sein und er sieht das auch nicht so. Er war immer einer unter elf Spielern, daran wird sich nichts ändern, mag er in noch so brillanter Form sein. Wir werden alle damit umzugehen wissen."

Im Gegenteil, das bisherige Fehlen von Suárez, ebenso wie der Ausfall Cavanis in den ersten beiden Parteien, hat anderen Spielern Gelegenheit gegeben, zu glänzen, wie zum Beispiel Diego Rolán, Abel Hernández oder Cristian Stuani. Pereira lobt das besonders. "Das Team funktioniert so gut, dass alle, die auf dem Platz stehen, gute Leistungen abliefern. Bei uns ist es wie in einem Orchester: Wenn ein Instrument ausfällt, dann wird es von einem anderen ersetzt, das genau so gut oder noch besser spielt. Das sorgt für große Ruhe. Das Team fühlt sich sehr wohl und geht mit Optimismus an die nächsten Aufgaben."