Mittwoch 30 März 2016, 22:38

Gaspar: "Ich war immer schon abenteuerlustig"

Fussball kann die wunderlichsten und wunderbarsten Dinge bewirken. Im Falle von Dan Gaspar bedeutet das, er nahm einen Jungen aus Glastonbury in Connecticut und zeigte ihm die Welt.

Seit 1993 ist der Mann aus Neuengland inzwischen schon der loyale Assistenztrainer von Carlos Queiroz. Er war sein "Co" und Torwarttrainer auf den Nationalmannschaftsstationen in Japan, Portugal, Südafrika und den USA.

Zuletzt verhalfen Queiroz, selbst einst Assistenztrainer bei Manchester United, und Gaspar der Auswahl Irans zum Erreichen der dritten Runde der Asien-Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™. Das Team Melli blieb dabei in der gesamten zweiten Runde ungeschlagen. Die letzten beiden Partien in Teheran gegen Indien und Oman endeten mit überzeugenden Siegen. Zudem musste Iran in den acht Begegnungen der zweiten Runde lediglich drei Gegentore hinnehmen.

Was aber führte dazu, dass Gaspar vor nunmehr fünf Jahren die Stelle als Assistenz- und Torwarttrainer bei der iranischen Nationalmannschaft annahm?

"Zunächst einmal war ich dankbar dafür, dass Carlos Queiroz mir vertraute und davon überzeugt war, ich würde ihm bei diesem einmaligen Projekt helfen können", so Gaspar im Exklusivgespräch mit FIFA.com. "Meine Entscheidung habe ich dann so getroffen, wie ich all meine Entscheidungen treffe: Ich habe sie im Kopf durchdacht, mit dem Herzen gefühlt und dann aus dem Bauch heraus entschieden, dass ich gehe!"

Im asiatischen Fussball ist Iran mit drei Titeln beim AFC Asien-Pokal und vier WM-Endrundenteilnahmen eine feste Größe. Die iranischen Fans zählen zu den frenetischsten überhaupt. Allein der Gedanke, ein weiteres Land zur Weltmeisterschaft zu führen, genügte, damit Gaspar 2011 nach Iran zog. "Ich war immer schon abenteuerlustig. Ich war immer schon neugierig. Ich habe immer schon das Risiko geliebt", grinst er.

Was es bedeutet, die WM-Endrunde zu erreichen, weiß Gaspar spätestens seit 2010, als er mit Portugal das Turnier in Südafrika bestritt. Noch heute leuchten seine Augen, wenn er davon erzählt. "Es war ein großartiges Erlebnis", sagt er. "Es ist schwierig in Worte zu fassen, was es bedeutet, dieses Privileg zu erfahren. Aber als sich mir die Gelegenheit in Iran bot, war mir klar, dass dies noch einmal eine Möglichkeit sein könnte, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen und einem Land zur Endrunde zu verhelfen."

Gesagt, getan. Iran qualifizierte sich für Brasilien 2014 und schlug sich im Turnier achtbar. Zwar war bereits nach der Vorrunde Endstation, doch Iran erwarb sich insbesondere mit seiner Leistung gegen Argentinien den Respekt der ganzen Fussballwelt. Letztlich kam der spätere Finalist nämlich lediglich durch einen einzigen Geniestreich von Lionel Messi in der Nachspielzeit weiter.

Gaspar erinnert sich noch lebhaft: "Argentiniens bester Spieler an diesem Tag war der Torhüter! Wer hätte gedacht, dass wir diesen Gegner so unter Druck setzen würden, dass sein Schlussmann zum besten Spieler der Partie avanciert? Es nötigt mir bis heute Bewunderung und Respekt für unsere Spieler ab, denn sie haben für die Ehre ihres Landes, für die Liebe ihrer Landsleute und für den Sport gespielt."

Anpassung Irans Tradition im Weltfussball wurde bereits in den 1960er-Jahren begründet – und in der zweiten Runde der Qualifikation für Russland 2018 spielte die Mannschaft mit dem ganzen Selbstverständnis, das ein solches Erbe mit sich bringt. Zwar war das Team Melli gegen Oman, Turkmenistan, Guam und Indien auf dem Papier ohnehin Favorit, aber angesichts von tausenden Flugkilometern zur Anreise und unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen war es dennoch kein Selbstläufer.

"Die Begleitumstände machen es bisweilen kompliziert", erläutert Gaspar. "In Guam beispielsweise war der Platz in einem schlechten Zustand. Zudem ist es eine Insel mit begrenzten Ressourcen. Um so bemerkenswerter war allerdings die dortige Gastfreundschaft. Dennoch: Unsere Spieler sind solche Rahmenbedingungen nicht gewöhnt. Trotzdem haben wir gewonnen." Der 6:0-Kantersieg in Guam veranschaulichte eindrucksvoll, wie gut sich die Iraner anpassen und trotz aller Widrigkeiten Bestleistungen abrufen können.

Gaspar weiß auch, warum. "Turbulenzen kennt Iran nun schon seit Jahren", sagt er. "Es ist ganz erstaunlich, wie die Menschen Dinge handhaben und verarbeiten. In Nordamerika oder Europa hat alles seine Ordnung und läuft immer genau so wie geplant. Die Iraner sind Anderes gewöhnt und das ermöglicht es ihnen, spontan zu reagieren und Probleme situativ zu lösen."

Diese Form der Anpassungsfähigkeit ist jedoch nicht nur typisch für Iran, sie ist auch typisch für Gaspar. "Man stellt seine Entscheidungen in Frage. War das richtig so? Verhalte ich mich verantwortungsbewusst meiner Familie gegenüber? Ich bin in einer gänzlich anderen Kultur aufgewachsen. Nichts hat mich auf ein Land wie Iran vorbereitet. Alles dreht sich um Anpassung. Ich habe mich nie sicherer gefühlt, ich habe mich nie wohler gefühlt, ich habe mich nie respektierter gefühlt als in Iran."

Fünf Jahre arbeitet Gaspar nun schon in dem Land. Nur ein einziges Mal in seiner Laufbahn war er genau so lang beschäftigt. Da das Team Melli nun in der dritten Runde der Qualifikation für Russland 2018 steht, stehen auch die Chance auf eine fünfte WM-Teilnahme gut. Für Gaspar wäre es gleichzeitig das längste Abenteuer seiner beruflichen Laufbahn.

"Manchmal frage ich mich schon, ob es die richtige Entscheidung war, aber dann wäge ich ab und stelle fest, ich würde es immer wieder tun", sagt er.