Der letzte Doppelspieltag der Südamerika-Qualifikation zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ löste bei Darío Lezcano widerstreitende Gefühle aus. Der 25-jährige Angreifer zählte in den beiden Partien im März zu den herausragenden Akteuren und erzielte insgesamt drei Tore für Paraguay – zwei in Quito gegen Ecuador, das als Tabellenführer mit perfekter Punktzahl in die Partie gegangen war, und ein weiteres in Asunción gegen Brasilien.
Dennoch reichte es für sein Team in beiden Spielen nicht für drei Punkte. Besonders bitter war, dass der Albirroja der Sieg in beiden Fällen erst in der Nachspielzeit durch die Lappen ging und sie sich am Ende jeweils mit einem 2:2-Unentschieden begnügen musste. Damit rutschte Paraguay auf den siebten Tabellenplatz ab und steht damit nach einem Drittel des Weges weder auf einem direkten Qualifikationsplatz noch auf dem Playoff-Platz.
"Was in Ecuador passiert ist, ist verständlich", meint Lezcano im Gespräch mit FIFA.com. Er hält sich derzeit in Deutschland auf, wo er beim FC Ingolstadt unter Vertrag steht. Mit dieser Aussage spielt er auf die Erschöpfungserscheinungen an, die ein Spiel in der Höhenlage von Quito gegen einen hervorragenden Gegner mit sich bringt. "Doch die Sache gegen Brasilien ist bitter. Wir lagen mit 2:0 in Führung und haben uns den Sieg durch die Lappen gehen lassen, weil wir versucht haben, das Ergebnis zu verwalten. Auf diese Weise vier Punkte abzugeben, ist kaum zu akzeptieren."
Lezcano gab sein Debüt in der paraguayischen A-Nationalmannschaft erst im Oktober 2015 in der Partie gegen Argentinien. Insgesamt hat er gerade einmal fünf Partien für die Auswahl bestritten, allesamt in der WM-Qualifikation. Jetzt führt er die Torjägerliste des Turniers mit vier Treffern gemeinsam mit dem Ecuadorianer Felipe Caicedo an. Natürlich freut er sich über seine reiche Torausbeute, doch eine andere Tabelle bereitet ihm Sorgen.
"Es fällt mir immer noch schwer, einen Blick auf die Tabelle zu werfen und uns auf einer so schlechten Position zu sehen. Für uns zählt jeder Punkt, und wir könnten eigentlich oben mit dabei sein. Die Abstände sind nicht besonders groß. Mit einem Sieg kletterst du nach oben. Jetzt ist es wichtig, dass wir auf einen Qualifikationsplatz vorrücken und den Druck an andere weiterreichen", so Lezcano, der vor allem mit seiner Schnelligkeit, seiner Durchschlagskraft, seiner Persönlichkeit und seinem starken Rechtsschuss beeindruckt.
Untypischer Karriereverlauf Lezcano wurde im September letzten Jahres zum Beginn der WM-Qualifikation von Ramón Díaz zum ersten Mal in die A-Nationalmannschaft seines Landes berufen. Davor hatte er nie Berücksichtigung gefunden. In den Medien wurde er als "große Überraschung auf der Kaderliste" bezeichnet, und das nicht ohne Grund. Schließlich hatte er nie in der ersten Liga seines Landes gespielt und war acht Jahre lang im schweizerischen Fussball aktiv gewesen, die Hälfte davon in der zweiten Liga.
Die Ursache dafür, dass er in einem für Paraguayer eher unüblichen Markt unterkam, liegt bereits in seiner Kindheit. Damals war er gemeinsam mit seinem Vater zwischen seinem Geburtsort Caaguazú und Ciudad del Este unterwegs, um auf dem kleinen Landgut der Familie bei der Mais-, Erdnuss- und Maniokernte zu helfen. "Wir lebten in sehr bescheidenen Verhältnissen, und obwohl mir die Arbeit in der Landwirtschaft Spaß gemacht hat, spielte ich in jeder freien Minute Fussball. Mit zwölf Jahren begann ich, ernsthaft an die Sache heranzugehen."
Er war 16 Jahre alt, als er einen Vertrag beim Zweitligisten CS Trinidense unterzeichnete und mit der Junioren-Nationalmannschaft an der U-17-Südamerikameisterschaft 2007 teilnahm. "Zu diesem Zeitpunkt wollte ich schon Profi werden, egal wo. Als ich dann das Angebot aus der Schweiz erhielt, habe ich nicht lange nachgedacht", meint er mit Blick auf seinen Wechsel zum FC Wil.
Die Eingewöhnung war nicht einfach, obwohl mit Iván González ein weiterer Paraguayer im Team war, der ihm behilflich war. "Ich bin zur kalten Jahreszeit angekommen und habe fast ein Jahr gebraucht, um mich einzugewöhnen. Als Iván dann ging, habe ich meine Frau hergeholt, wir haben eine Familie gegründet, und das war fundamental. Es gab zwar einige Schwierigkeiten, aber wer hat die nicht?", so Lezcano, heute Vater zweier Söhne und einer Tochter im Alter von zwei bis sieben Jahren.
Die Technologie, das Essen seiner Frau und der Tereré, ein traditionelles Getränk aus Mate-Tee, halfen ihm dabei, sich weniger fremd zu fühlen, und bald lief für den erklärten Bewunderer von Ronaldo und Ronaldinho alles wie am Schnürchen. Er wechselte 2011 zum FC Thun und 2012 zum FC Luzern, einem mittelgroßen schweizerischen Klub.
Der große Sprung Am besten lief es für ihn unter dem deutschen Trainer Markus Babbel, ehemaliger Spieler von Klubs wie dem FC Bayern München, dem VfB Stuttgart und dem FC Liverpool, der ihn später den Ingolstädtern empfahl. Damals sprach er bereits Deutsch und hätte sogar die Möglichkeit gehabt, für die Schweizer Nationalmannschaft zu spielen. "Ich hatte die Möglichkeit, mich einbürgern zu lassen. Doch mein Traum war es immer, für Paraguay zu spielen. Als ich hörte, dass man meine Auftritte verfolgte, konnte ich es kaum glauben. Danach hing alles von mir ab."
Lezcano ist noch immer bewegt, wenn er an seine erste Berufung zurückdenkt. "Ich habe einen Schreck bekommen weil ich etwa 100 verpasste Anrufe hatte, bis mir dann klar wurde, was los war", so Lezcano, der damals bei Luzern neun Treffer in elf Partien erzielt hatte.
Beim ersten WM-Qualifikationsspiel in Venezuela kam er zwar nicht zum Einsatz, doch am zweiten Spieltag gegen Argentinien stand er dann überraschend in der Startelf. "Ich war hin und weg! Gleichzeitig habe ich mir gesagt, dass dies meine große Chance ist, die ich nicht vergeben darf. Und ich habe es geschafft", erinnert sich El Motochorro (der Motorrad-Räuber), wie er aufgrund seiner Schnelligkeit von den Teamkameraden im paraguayischen Trainingslager genannt wurde.
Er machte seine Sache so gut, dass er sich nicht nur erstes Lob von Presse und Fans sicherte, sondern auch das Vertrauen von Trainer Díaz gewann, der ihn seither immer in der Stammformation aufgeboten hat. Lezcano dankte es ihm mit Toren, angefangen mit seinem Treffer im Spiel gegen Bolivien in Asunción. "In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan!", erklärt er.
Doch Lezcano hebt jetzt nicht ab, sondern steckt sich realistische Ziele. Einerseits möchte er sich bei beim FC Ingolstadt weiterhin bewähren, der den Klassenerhalt in der 1. Bundesliga bereits gesichert hat. "Das ist ein super Klub, ich bin hier wunderbar aufgenommen worden, und für nächstes Jahr wollen wir uns in der Bundesliga etablieren."
Andererseits möchte er seinen Platz in der Nationalmannschaft behalten, wo er mit Größen wie Lucas Barrios, Nelson Haedo Valdez und Edgar Benítez konkurriert. "Das sind hervorragende Spieler, was für mich eine Zusatzmotivation darstellt. Ich mache gerade eine unglaubliche Phase durch und möchte auf ebenso hohem Niveau spielen wie sie."