Mittwoch 19 Oktober 2016, 09:29

Butman: Werden unsere Kräfte bündeln und wunderbare Gastgeber sein

Was haben Fussball und Jazz gemein? Wer könnte diese spannende Frage wohl besser beantworten als Saxofonist Igor Butman. Der leidenschaftliche Fussballfan genießt als Jazz-Musiker weltweit einen hervorragenden Ruf und wurde erst kürzlich zum neuen Botschafter für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ des Spielorts Saransk ernannt.

"Fussball und Jazz erfordern harte Arbeit", sagt der 54-Jährige im Interview mit FIFA.com. "Man muss unwahrscheinlich viel tun, um Virtuose zu werden oder sein Land als einer der besten Spieler zu vertreten. Sowohl die Musik als auch der Fussball verlangen absolutes Engagement und vollen Einsatz, um etwas qualitativ Hochwertiges und Unterhaltsames zu schaffen. Fussballmannschaften, Sinfonieorchester oder Rockbands können Stadien mit 30.000 bis 40.000 Menschen füllen. Doch sie müssen zu den absolut Besten gehören, um das Publikum zu begeistern. Das erfordert Können und aufopferungsvolle Hingabe."

Der erfahrene Chef eines Jazz-Orchesters zieht Parallelen zwischen seiner Tätigkeit und dem Job eines Fussballtrainers: "In meinem Orchester spielen sechzehn Musiker. Genau wie Fussballer sind sie Stimmungsschwankungen unterworfen. Während einer vielleicht einen tollen Tag hatte, ist einem anderen Ungemach widerfahren. Als Leiter muss ich alle meine Musiker richtig einstimmen – indem ich sie inspiriere oder meinen Arm um ihre Schulter lege und sie wieder aufbaue. Während eines Konzerts kann es auch zu Auswechslungen kommen und Taktik bzw. Strategie spielen bei einem Auftritt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Am wichtigsten ist jedoch das Können – denn ohne Können wird man weder im Fussball noch in der Musik etwas erreichen."

Saransk, der kleinste Spielort der WM 2018, organisiert jedes Jahr im Herbst ein beliebtes internationales Jazz-Festival, bei dem Igor Butman höchstpersönlich als künstlerischer Leiter fungiert. Doch die Hauptstadt der Republik Mordwinien mit ihren rund 300.000 Einwohnern freut sich auf ein noch viel größeres Ereignis im Jahr 2018.

"Saransk ist ein wunderbarer Ort" "Ich habe viele verschiedene Meinungen zur Wahl von Saransk als Spielort der WM 2018 in Russland gehört", so der Saxofonist weiter. "Einige haben die Nachricht freudig aufgenommen, andere fragend die Stirn gerunzelt. Mich hat die Entscheidung jedenfalls nicht überrascht. Meine Beziehung zur Stadt reicht bereits viele Jahre zurück. Saransk ist ein wunderbarer Ort mit einer einzigartigen Architektur und einem reichen kulturellen Erbe. Die Stadt verändert sich von Jahr zu Jahr. Die Menschen in Saransk sind schon seit jeher herzlich, zuvorkommend und sehr gastfreundlich. Musiker kommen immer gern hierher und ich muss nie lange überlegen, Gäste einzuladen."

"Bis zum Startschuss der WM 2018 wird sich die Stadt noch weiter wandeln – neue Straßen, Hotels und natürlich das Stadion werden dem Stadtbild eine andere Note verleihen. Die Bevölkerung freut sich auf ihre Rolle als Gastgeber. Sie wird stolz sein, dass ihre Stadt Spielort der Weltmeisterschaft ist. So wird Saransk nicht nur in Russland, sondern in der ganzen Welt Bekanntheit erlangen. Jeder wird über die Stadt sprechen – in allen möglichen Sprachen und Dialekten. Auf die Frage nach der Herkunft werden die Einheimischen stolz antworten: 'Ich komme aus Saransk!'."

Spielort einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft zu sein, ist für jede Stadt eine große Herausforderung. Beispielsweise müssen sich die Verantwortlichen überlegen, was sie ihren Gästen bieten, wenn der Ball nicht rollt. "Die Aufgabe ist für die russischen Städte alles andere als einfach", erklärt Butman. "Sie müssen alles organisieren und dafür sorgen, dass die Fans nicht nur guten Fussball, sondern auch in ausreichendem Maße unsere Gastfreundschaft erleben können. Jeder Ort versprüht seinen ganz eigenen Charme. Ich denke, in Saransk wird es für die vielen Gäste ein breites Kulturprogramm geben, unter anderem mit Ausstellungen zu russischer und moderner Kunst."

Zeit für Träume und grandiose Pläne Butman würde sich besonders freuen, wenn mit Italien seine Lieblingsmannschaft eine WM-Partie in Saransk bestreiten würde.

"Vor vielen Jahren, 1982, habe ich eine Flasche Champagner gewonnen, als ich mit meinem ersten Intendanten wettete, dass Italien Weltmeister wird", so der Musiker. "Die ersten Auftritte der Mannschaft waren damals sicherlich etwas zerfahren, aber nach den Siegen gegen Argentinien und Brasilien hat wohl niemand mehr an dem Team gezweifelt. Ich war inspiriert von der beeindruckenden Spielweise der Italiener, insbesondere vom legendären Paolo Rossi."

Heute haben die Fussballidole Igor Butmans andere Namen: "Ich bin begeistert, wenn Messi, Ronaldo, Kokorin, Dzyuba oder Dzagoev ein schönes Tor schießen. Vor Kurzem habe ich Abwehrspieler Sergei Ignashevich kennengelernt. Er ist ein wunderbarer Mensch, und unsere Familien sind jetzt befreundet. Mein Sohn ist großer Fan von ZSKA Moskau und hat ein Trikot von Sergei Ignashevich bekommen, das er nun wie seinen Augapfel hütet."

Es ist schon lange her, dass Russland die Gruppenphase einer WM überstanden hat. Doch Igor Butman ist überzeugt, dass sein Land den Blick auf das Positive richten sollte. "Nichts ist unmöglich. Unsere Mannschaft hat alle Chancen, vor heimischem Publikum großartige Leistungen abzurufen. Sie muss nur an sich glauben, alles aus sich herausholen und ihr Bestes geben. Kürzlich bin ich mit dem Zug nach Saransk gefahren und habe dabei einen Film über die U.S.-Nationalmannschaft bei der WM 1950 in Brasilien gesehen. Das Team bestand ausschließlich aus Amateuren. Sie haben zwar nur ein Spiel gewonnen, doch es war eben jenes 1:0 gegen das Mutterland des Fussballs England. Ich hoffe, dass unsere Spieler beim Heimturnier in Form sind und uns mit ihren Leistungen begeistern werden."

Wie alle Fussballfans kann es auch Igor Butman kaum erwarten, bis der Anpfiff zur WM 2018 erfolgt. Seiner Meinung nach wird sich das Turnier als großer Nutzbringer für Russland erweisen.

"Natürlich wird es Leute geben, die fragen, warum wir die WM und die Olympischen Spiele ausrichten müssen. Doch was ist der Sinn des Lebens? Nichts tun, keine Träume und Ziele verfolgen, keine Pläne haben – so sind wir nicht! Wir werden noch viel härter arbeiten und nach neuen Erfolgen streben. Die Weltmeisterschaft mag kommen und gehen. Doch die Infrastruktur wird bleiben. Und dann müssen wir diese Infrastruktur für Feste, Festivals und andere Sportereignisse nutzen. Wir müssen noch mehr Veranstaltungen für junge Leute auf die Beine stellen und neue Talente im Fussball, Eishockey und in der Musik formen. Wir müssen hervorragende Arbeitsbedingungen für Ingenieure und Wissenschaftler schaffen. Russland muss den Platz einnehmen, den es verdient. Doch dazu ist viel Arbeit erforderlich. Wir müssen dafür sorgen, dass diese WM lange im Gedächtnis haften bleibt. Also sollten wir unsere Kräfte bündeln und wunderbare Gastgeber sein."