Für Lidija Stojkanovic war das FIFA Trainerinnen-Mentorenprogramm eine einzigartige Chance
Als Mentor stand ihr Nils Nielsen, der Dänemark 2017 ins Frauen-EM-Finale führte, zur Seite
"Ich möchte, dass dieses Programm fortgesetzt wird, weil es sehr wichtig ist, den Frauenfussball zu verbessern und mehr Trainerinnen zu haben"
18 Monate, 78 Wochen oder 547 Tage sind eine Zeit, in der man sehr viel voneinander lernen kann. Genau über diesen Zeitraum lief die zweite Ausgabe des FIFA Trainerinnen-Mentorenprogramms, in der Lidija Stojkanovic mehr als nur wichtige Erfahrungen für ihren zukünftigen Werdegang als Trainerin mitgenommen hat.
"Ich kann sagen, dass es eine große Chance war, an diesem Programm teilzunehmen. Es geht nicht nur um den Austausch, sondern auch darum, all diesen Top-Trainern und wunderbaren Menschen zuzuhören, die um mich herum waren - insbesondere meinem Mentor. Ich bin sehr glücklich, dass Nils mich die ganzen 18 Monate lang begleitet hat, vor allem bei den Spielen - unseren Qualifikationsspielen", erzählt Serbiens U-19-Nationaltrainerin im Gespräch mit Inside FIFA.
"Er hat mir vor und nach den Spielen immer eine SMS geschickt. Er hat meine Gruppe verfolgt, wenn wir gespielt haben. Nils hat mich zweimal besucht, und das Feedback und die Ratschläge, die ich von ihm bekommen habe, sind für mich sehr wichtig. Das wird mir helfen, mich in Zukunft noch mehr zu verbessern."
Diese Aussagen von Stojkanovic unterstreichen, dass Empathie ein zentraler Punkt in der Teamführung von Nielsen nicht nur in seiner Zeit als Nationaltrainer Dänemarks und der Schweiz ist.
Wenn man seine Spielerinnen verstehen und ihnen helfen möchte, dann muss man sie kennenlernen und begreifen, warum sie auf diese bestimmte Art und Weise reagieren. Nur so konnte der gebürtige Grönländer das Beste aus ihnen herausholen - genauso wie jetzt bei seinem Mentee.
"Das Programm ist so gut, weil man immer mit Leuten in einem Raum ist, die die gleiche Leidenschaft teilen. Das bedeutet, dass der Ausgangspunkt natürlich der Fussball ist. Aber man hat keine Ahnung, wohin es führt, wenn man anfängt mit Leuten zu reden und Kontakte zu knüpfen. Was kommt sonst noch auf einen zu? Und das ist das Interessante an der ganzen Sache. Wenn man sich die Zeit nimmt - was ich immer versuche - und zuhört, lernt man immer dazu", beschreibt Nielsen, der als Direktor für Frauenfussball bei Manchester City tätig ist.
"Ich verstehe Lidija jetzt viel besser als bei unserem ersten Treffen. Wie ist eigentlich ihre Situation in Serbien?
Manchmal habe ich ein bisschen das Gefühl, dass die Arbeit noch nicht getan ist. Wir sind mit der Entwicklung des Frauenfussballs noch nicht fertig. In der Position, in der ich mich jetzt befinde, vergisst man das leicht, weil ich mich in meinem täglichen Leben an einem anderen Ort befinde und nur ab und zu daran erinnert werde, dass es noch so viel zu tun gibt. Durch den Erfahrungsaustausch mit den anderen Mentees lernt man die Situation all dieser Menschen auf der ganzen Welt kennen. Das war sehr bereichernd für mich und hat mir bewusst gemacht, dass es trotz der Fortschritte, die wir im Frauenfussball machen, noch viel zu tun gibt und dass es immer noch viele Regionen auf der Welt gibt, die Unterstützung beim Aufbau und der Weiterentwicklung des Frauenfussballs benötigen."
Auch Stojkanovic ist der Meinung, dass die Frauen in ihrem Land mehr Möglichkeiten und Unterstützung brauchen, denn bisher ist sie die einzige Cheftrainerin in ihrem Verband. Die Tatsache, dass Nielsen sie in ihrer Arbeitswelt besucht hat, war von großer Bedeutung für sie.
"Mir hat es geholfen, dass jemand gesehen hat, in welchem Umfeld ich arbeite. Als ich in Manchester ankam, war alles so professionell und auf hohem Niveau. Ich wünsche mir, dass ich dieses Niveau eines Tages erreichen kann. Es war sehr schön für mich, Nils in meinem Umfeld zu sehen und mir zu helfen, meine Herausforderungen zu überwinden und mein Selbstvertrauen zu stärken", beschreibt die 44-Jährige.
Als er Lidijas vorbildliche Arbeit aus der Nähe sah, überlegte Nielsen, wie mehr weibliche Trainerinnen in Zukunft eine Chance im Sport bekommen sollten.
Das ist nicht das Ende, das ist erst der Anfang. Nils ist nicht nur mein Mentor, er ist jetzt auch mein Freund.
"Ich will damit sagen, dass man einfach aufgeschlossen sein muss. Ich habe immer gesagt, dass weibliche Trainer nicht nur großartige Trainer sind, sondern vielleicht auch die Spielerinnen besser verstehen.
Unsere Rolle als Männer sollte auch darin bestehen, dem Spiel zu helfen, zu wachsen und Möglichkeiten zu schaffen, und nicht, Mädchen und Frauen ihre Chancen zu nehmen. Ich habe das Glück, in einer Position zu sein, in der ich in meinem Verein tatsächlich etwas bewirken kann. Wir müssen begreifen, dass die Qualität und die Bereitschaft zum Trainieren bei allen Frauen vorhanden ist, aber wir müssen ihnen auch die Möglichkeit geben, zu zeigen, was sie können."
Erhöhung der Anzahl qualifizierter Trainerinnen im Fussball ist der Stichpunkt - und genau hier setzt das Mentorenprogramm der FIFA an. Getreu dem Bekenntnis der FIFA zur Förderung von Fussballtrainerinnen stellt das Programm aufstrebenden Frauenfussballtrainerinnen aus aller Welt erfahrene Trainer zur Seite. Netzwerke bilden, Unterstützung, Beratung, und Beziehungspflege stehen dabei im Fokus.
"Manchmal denke ich, warum versuchen wir, die Frauen von der Arbeit fernzuhalten? Ist es, weil wir Angst haben, dass sie zu gut sind? Ich weiß es nicht. Und dann denke ich, dass wir diese Möglichkeiten schaffen müssen. Und wie kann man das tun? Durch Networking!"
Es gibt so etwas wie einen Männerberuf oder Frauenberuf nicht. Man kann alles machen, man muss nur aufgeschlossen genug sein.
"Man muss sich in den Köpfen der Leute festsetzen! Die Leute werden sich daran erinnern, wer Lidija ist. Sie wissen, wer sie ist, weil sie in Manchester war, und wenn sie das nächste Mal jemanden einstellen wollen, werden sie vielleicht in diese Richtung schauen. Es gibt so viele gute Leute - auch Männer - hier (im Programm), die meine Meinung teilen. Wir sind eigentlich hier, um zum Wachstum des Fussballs beizutragen, und einer der Wege zum Wachstum ist die Schaffung von Möglichkeiten für weibliche Trainer", fügt Nielsen hinzu. Stojkanovic erhielt vor 18 Monaten eine Chance und war entschlossen, das Beste daraus zu machen und ihren Horizont zu erweitern: "Ich bin so dankbar, dass ich an diesem Programm teilnehmen konnte. Ich würde jedem Trainer, jeder Trainerin, jedem jungen Trainer empfehlen, sich für die Teilnahme zu bewerben. Ich habe mich nicht nur als Trainerin verbessert, sondern auch als Mensch. Durch den Austausch all dieser Erfahrungen habe ich so viel aus diesen 18 Monaten mitgenommen", schwärmte die Serbin, die ihr Amt im Februar 2019 antrat.
"Ich habe noch nie so viele positive Geschichten gehört, und in einem Raum mit diesen Top-Trainern zu sein, die über so viel Erfahrungen verfügen, war einzigartig. Ich möchte, dass dieses Programm fortgesetzt wird, denn es ist sehr wichtig, den Frauenfussball zu verbessern und mehr Trainerinnen zu haben."