Donnerstag 26 Januar 2017, 18:39

Von Verteidigern, Torjägern und den Avengers

Ein entscheidender Treffer in der Schlussphase, eine reflexartige Parade beim Elfmeterschießen oder die rettende Grätsche im Strafraum in letzter Sekunde: Fussballer lieben es, in das Kostüm des Superhelden zu schlüpfen. Ein schwindelerregendes Dribbling, die entscheidende Torvorlage oder eine spektakuläre Rettungstat sind die "Superkräfte", über die sie verfügen, um mit einer einzelnen Aktion ein ganzes Stadion zu verzücken. In gewisser Hinsicht sind die muskulösen, berühmten und bisweilen vergötterten Fussballer tatsächlich die Superhelden unserer Zeit.

Givanildo Vieira de Souza ist zweifellos der berühmteste unter ihnen. Besser bekannt unter dem Namen Hulk, verbreitet der Angreifer seit 2004, als er das Trikot von Vitoria überzog, bis zum heutigen Tag bei Zenit St. Petersburg bei allen gegnerischen Verteidigern Angst und Schrecken. "Ich habe meinen Spitznamen, seit ich drei Jahre alt bin", verriet er FIFA.com. "Ich mochte die Figur Hulk sehr. Ich sagte oft zu meinem Vater, dass ich stark sei und Muskeln hätte. Und er antwortete: 'Also bist du wie Hulk'. Und das blieb mir im Gedächtnis. Später wuchs ich und hatte schließlich wirklich eine beeindruckende Statur. Das kam gerade recht!"

Eine ganz andere Statur hat Atletico Madrids Angreifer und Finalist bei der Wahl des The Best FIFA-Weltfussballers des Jahres 2016 Antoine Griezmann. Doch der Franzose verleiht nicht seine Muskelkraft, sondern seine Stimme dem vielleicht bekanntesten aller Superhelden. In der französischen Version des "The Lego Movie" spricht Grizou Superman. Sein Teamkollege in der Les Bleus Blaise Matuidiwird ebenfalls zu hören sein. Er wird The Flash Klang verleihen.

Hulk und Griezmann sind indes bei weitem nicht die einzigen Superhelden des Fussballs. Nicht wenige Akteure verdanken ihren Spitznamen einer Figur aus dem Marvel-Universum. So konnte man auf den Spielfeldern der Welt nach und nach die Abenteuer von Batman (Mateja Kezman, Marco Simone), Captain America (Claudio Reyna), Superman (Gianluigi Buffon, Enner Valencia), Iron Man (Marcelo Balboa, Sean Fallon), Spiderman (Jonas Gutierrez, Walter Zenga) oder Gummimann (Blaise Matuidi) verfolgen.

Einige verdienten sich ihren Beinamen durch ihre mentalen (Reyna) oder körperlichen (Matuidi) Eigenschaften, doch sie werden nie zufällig vergeben. Die Ausnahme von der Regel: "Das entstand bei einem Marketinggag, als ich bei PSV Eindhoven spielte", erklärte der serbische Stürmer Kezman. "In einem TV-Spot wurde die Musik aus der Serie eingespielt, und anschließend wurde der Vergleich zwischen Kezman und Batman hergestellt. Weil es den Fans sofort gefiel, hat es letztlich überlebt. Das ist ziemlich komisch, aber es gefällt mir."

Der amerikanische Verteidiger Marcelo Balboa (128 Länderspiele, 13 Tore) beispielsweise war der erste Spieler in der Geschichte der USA, der die Marke von 100 Länderspielen knackte. Aufgrund seiner Langlebigkeit, seiner Zuverlässigkeit und Robustheit wurde ihm von den Fans der Spitzname Iron Man verpasst. Eine Bezeichnung, die übrigens auch gut zu Jonas Gutierrez passen würde. Der Argentinier steht in England seit kurzem wieder auf dem Platz, nachdem er an Hodenkrebs erkrankt war und sich erfolgreich behandeln ließ. Doch der Mittelfeldspieler wird Spiderman genannt. "Ich habe den Film im Kino gesehen, als ich in Mallorca war. Dann habe ich in der Meisterschaft öfter die Maske herausgeholt, um Tore zu bejubeln. So fing alles an", sagte er im Gespräch mit FIFA.com.

Der Film hat auch andere Menschen inspiriert, angefangen beim Sohn des Ecuadorianers Otilino Tenorio. Als Fan des Spinnenmanns bat er seinen Papa, seine Tore zu feiern, indem er die Maske seines Lieblingshelden überzieht. Tenorio hielt Wort und wird heute der Maskierte genannt. Seine Masken stimmte er übrigens farblich auf das jeweilige Trikot ab, das er trug. Nach dem tragischen Tod Tenorios im Mai 2005 bei einem Verkehrsunfall ehrte sein Mitspieler bei Club Sport Emelec, Ivan Kaviedes, seinen Teamkameraden bei der FIFA WM Deutschland 2006. Im letzten Spiel der Gruppenphase gegen Costa Rica gelang ihm ein Tor, woraufhin er eine gelbe Maske mit den Nationalfarben Ecuadors überzog.

Spiderman, Batman und Jackman Es gibt indes noch mehr Spidermans, Mitspieler und Würdigungen. Der ehemalige Torhüter von AS Saint-Etienne, Jérémie Janot, hüllte sich 2005 in der Erstligapartie gegen den FC Istres komplett in das Kostüm des Superhelden. Nach dem Wechsel des charismatischen Schlussmanns zu Le Mans ehrte ihn sein ehemaliger Mitspieler und guter Freund Pierre-Emerick Aubameyang einige Monate später, indem er beim Torjubel die berühmte blau-rote Maske zur Schau trug.

Einige Monate später wiederholte der Stürmer diese Aktion im Trikot von Borussia Dortmund, als er im August 2014 im Supercup gegen Bayern München ins Tor traf. "Zum Glück hat der Treffer zum Sieg gereicht, sonst hätten wir ihn verdroschen", zischte damals der Mittelfeldspieler Sebastian Kehl erleichtert. Sein Sportdirektor Michael Zorc ergänzte: "Wenn es eine einmalige Sache bleibt, ist das kein Problem. Aber wenn er dafür Gelb sieht, ist es nicht so lustig. Das brauchen wir nicht jede Woche."

Aubameyang ließ sich einige Monate Zeit, bevor er sich wieder verkleidete. Im Februar 2015 traf er im Ruhr-Derby und setzte daraufhin die Maske von Batman auf. Sein Sturmkollege Marco Reus schlüpfte in die Rolle von Robin. "Wer Batman und Robin nicht kannte, kennt sie jetzt", sagte der gabunische Nationalspieler nach seinem fünften Tor in vier Partien. 22 Jahre vor der Geburt der Dortmunder Teamkameraden, 1977, hatten der Waliser John Toshack und der Engländer Kevin Keegan schon einmal die Kostüme dieser Helden übergestreift, um ein Foto zu machen. Aufgrund ihrer glänzenden Zusammenarbeit während ihrer Zeit beim FC Liverpool von 1971 bis 1977 behielten sie diesen Beinamen.

Man braucht indes nicht immer einen Spitznamen oder eine Maske, um in die Haut eines Superhelden zu schlüpfen. Außergewöhnliche Fähigkeiten reichen vollkommen aus: Cristiano Ronaldound seine 3.000 Sit-ups pro Tag, Arsenal-Verteidiger Hector Bellerin und seine 4,41 Sekunden auf 40 Meter (besser als Usain Bolt auf den ersten 40 Metern bei seinem 100-Meter-Weltrekord 2009), Carles Puyol und seine 35 Verletzungen, die seine Karriere nicht beeinträchtigen konnten, oder der Türke Hami Mandiraliund seine Schussgewalt mit gemessenen 266 km/h sind dafür die besten Beispiele. "Messi streift zwar die Kleidung eines Fussballers über, doch er ist ein Superheld", sagte der ehemalige argentinische Nationalspieler Jorge Valdano.

Können die Fussballer und ihre Superkräfte also sogar mit den Avengers konkurrieren? Dies glaubt zumindest der australische Schauspieler Hugh Jackman, der auf der Leinwand Wolverine verkörpert. Im Interview mit FIFA.com traute er der Filmfigur immerhin eines zu: "Wolverine könnte im Mittelfeld als Zerstörer fungieren. Selbst Messi würde es mit ihm nicht aufnehmen wollen!"