Samstag 30 April 2016, 08:33

Sommer: "Will auch ein Leader sein"

Yann Sommer nahm mit der Schweiz vor zwei Jahren bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ erstmals an einem großen Turnier teil – und spielte erwartungsgemäß keine einzige Minute. Der Torhüter Borussia Mönchengladbachs stand in der Hackordnung hinter Diego Benaglio vom VfL Wolfsburg. Gegenüber FIFA.com erklärte er, wie sehr er diese Turniererfahrung dennoch genossen hat und was er aus ihr mitnehmen konnte. Für die kommende UEFA EURO 2016 in Frankreich sind die Vorzeichen ganz anders – nach Benaglios Nationalmannschaftsrücktritt ist Sommer die Nummer eins im Tor der Nati.

"Natürlich hat sich mein Stellenwert in der Mannschaft nun verändert und natürlich wird mehr mit dir kommuniziert, wenn du auf dem Platz bist", sagte der 27-Jährige, bevor er mit einem sympathischen Lächeln fortfuhr: "Aber ich saß auch vorher nicht alleine in der Ecke und habe mit mir selber Ping-Pong gespielt. Der größte Unterschied ist eben jetzt, dass ich auch auf dem Platz stehe. Ich möchte jetzt aber im Team auch eine Leaderrolle übernehmen."

Dabei, so ist er überzeugt, kommen ihm eben auch die Erfahrungen der WM in Brasilien zugute – auch ohne gespielt zu haben. Was aber genau macht diese Turniererfahrung für ihn aus? "Klar, Spielpraxis habe ich nicht gesammelt, aber du erlebst, wie ein Team im Camp solch ein Turnier erlebt, wie das Mannschaftsgefüge ist, du feierst mit der Mannschaft, wenn sie einen Sieg holt. Das ist ein sehr schönes Gefühl, ein professionelles Gefühl", erinnert sich der Mann, der aus der kleinen Stadt Morges im Kanton Waadt stammt. "Es mag banal klingen, aber du machst eben diese Reise nach Brasilien mit, siehst die begeisterten Menschen, lernst ein neues Land kennen und machst die Erfahrung für dein Leben. Du kannst später sagen, dass du bei der WM in Brasilien dabei warst."

2014 war auch das Jahr, als Sommer, der seit seinem 14. Lebensjahr für den FC Basel spielte, den Weg in die Bundesliga nach Gladbach wagte und sich schnell einen Ruf als einer der konstantesten und stärksten Schlussmänner dieser Liga erwarb. Seine Qualität wird auch dadurch untermauert, dass der Schweizer seinen Vorgänger Marc-André ter Stegen, der zum FC Barcelona wechselte, schnell vergessen ließ. Es fällt auf, dass neben Sommer und Benaglio mit Marwin Hitz (FC Augsburg) und Roman Bürki (Borussia Dortmund) gleich vier Schweizer Torhüter die Nummer eins bei Bundesliga-Klubs sind. "Es ist nicht selbstverständlich, dass so viele Schweizer aus ähnlichen Jahrgängen diesen Schritt in die Bundesliga machen können", findet auch Sommer. "Es wird gerade sehr gute Torwart-Arbeit geleistet in der Schweiz. Unser Nationalmannschafts-Torwarttrainer Patrick Foletti macht einen sehr guten Job und koordiniert das landesweit."

Einiges, so sagt Sommer, hat er auch von seinem Vorgänger Benaglio lernen können: "Er war eine unglaublich große Persönlichkeit. Der Umgang mit ihm war immer sehr locker, ein tolles Trainingsklima. Er war immer sehr relaxed vor den Spielen, egal ob er vorher ein gutes oder ein schlechtes Spiel gemacht hatte. Er ist auch neben dem Platz ein toller Typ, ein sehr guter und kompletter Torhüter, ich habe mir im Training einiges von ihm abgeschaut."

Nun aber, bei der EURO im Nachbarland, wird Sommer, der von Basel an den FC Vaduz und an den Grasshopper-Club ausgeliehen wurde, bevor er im St.-Jakob-Park der Stammtorwart wurde, in der Verantwortung stehen. "Natürlich ist es schöner, wenn man selber auf dem Platz steht. Ich freue mich riesig auf dieses Turnier", erklärte er und blickte auf die Vorrundengruppe A mit Gastgeber Frankreich, Rumänien und Albanien voraus. "Das ist sicher keine einfache Gruppe. Frankreich ist einer der Turnierfavoriten. Das erste Spiel gegen Albanien birgt eine Menge Prestige, ich kenne viele Albaner, die in der Schweiz gespielt haben. Aber auch die Schweiz hat sehr viel Qualität. Unser Turnierverlauf kommt sicher auch ein bisschen auf das erste Spiel an. Und natürlich hilft es, wenn man eine Turniermannschaft ist. Das macht Deutschland wahnsinnig gut."

Die letzten Testspiele im März gegen Bosnien-Herzegowina (0:2) und in der Republik Irland (0:1) haben die Vorfreude in der Eidgenossenschaft ein wenig gedämpft. "Ich finde es ein bisschen schade, dass wir in der Schweiz eine der Nationen sind, wo es manchmal nicht so viel Unterstützung für die Nationalmannschaft gibt. Man darf natürlich schreiben, dass wir schlecht gespielt haben. Wir wissen, dass die beiden Spiele schlecht waren. Aber andere Nationen freuen sich seit drei bis vier Monaten darauf, dass sie bei der EM mitspielen. Bei uns im Land spüre ich keine Vorfreude auf dieses Turnier", bekannte Sommer offenherzig. "Wir haben uns für ein Turnier qualifiziert. Das ist toll. Ich hoffe, dass diese Vorfreude in der Schweiz noch kommen wird."

Vielleicht braucht es aber auch ein positives Ergebnis als Initialzündung für die Schweizer Nati bei der EURO 2016. Wie das gehen kann, weiß Sommer auch: "Als Schweiz können wir nur erfolgreich sein, wenn wir mutig rangehen und an uns glauben. Gerade gegen die Großen. Dann können wir sie auch schlagen. Wir laufen aber zu oft einem Rückstand hinterher. Wir holen zwar oft auf, aber bei einem Turnier ist es sehr entscheidend, auch mal in Führung zu gehen. Bei einem Turnier hast du nicht viele Chancen." Wenn Sommer mit seinem Torwartspiel dafür sorgen sollte, dass hinten die Null steht und die Kollegen vorne die Tore besorgen, könnte die EM-Stimmung in der Schweiz sehr schnell sehr euphorisch werden.