Freitag 29 Januar 2016, 08:40

Skibbe und das Erbe Rehhagels

Griechenland wird gemeinhin als das Land der Philosophen bezeichnet. Kein Wunder, schließlich waren es Aristoteles, Platon oder Sokrates, die in den Jahrhunderten vor Christus Gedankengut für die Ewigkeit schafften. Eine ähnliche nachhaltige Wirkung hatte ein Ballspiel, dass die Griechen schon über 1.000 Jahre zuvor entwickelten. Sie nannten es Episkyros oder Phaininda - ein Vorläufer der heute beliebtesten Sportart der Welt: dem Fussball.

Doch während die Philosophen der Südeuropäer wahrlich auf dem gesamten Erdball berühmt wurden, sind Erfolge des griechischen Fussballs weitaus spärlicher gesät. Der größte Triumph liegt elf Jahre zurück, als die Hellenen sensationell die UEFA EURO gewannen. Der Deutsche Otto Rehhagel führte Ethniki damals zum Titel in Portugal. Mit vermeintlichen Weisheiten wie "Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe die demokratische Diktatur eingeführt" oder "Früher hat jeder gemacht, was er will, heute macht jeder, was er kann" machte er sich an der Ägäis unsterblich.

Bis 2010 schwang Rehakles, wie der inzwischen 77-Jährige nach dem Titelgewinn getauft wurde, das Zepter, ehe binnen fünf Jahren mehrere Trainer kamen und gingen. Seit Oktober 2015 vertraut der Verband mit Michael Skibbe erneut einem Deutschen die Geschicke des Piratenschiffes an.

WM 2018 ist ein machbares Ziel

Schon sehr oft sei er auf der Straße auf seinen berühmten Landsmann angesprochen worden, weil Rehhagel "über Jahre hinweg der Garant für guten Fussball der griechischen Nationalmannschaft war. Es war sicherlich auch ein Grund, wenn nicht der Hauptgrund, dass der Verband wieder einen deutschen Trainer geholt hat", gibt Skibbe im FIFA.com-Interview zu und führt aus: "Das Team hat die Stärken und Schwächen, die sie in den letzten zwei Jahren gehabt hat. Im Defensivbereich wird gut arbeitet und wir stehen sicher hinten. Aber Spielentwicklung und Kreativität auf dem Weg nach vorne lassen noch zu wünschen übrig."

Auf den ehemaligen Bundestrainer (2000-2004) wartet zweifelsohne jede Menge Arbeit - und das nicht nur in Sachen Weisheiten. Jüngst schlossen die Griechen die EM-Qualifikation als Gruppenletzter ab und müssen nun zusehen, wenn die kontinentale Elite in wenigen Monaten um die Krone kämpft. Darüber hinaus steht das Team in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste mit Rang 41 so schlecht dar wie seit über zehn Jahren nicht mehr. "Auf der einen Seite ist es für Griechenland sehr schade, dass die Mannschaft bei der EM nicht dabei ist. Auf der andere Seite muss man auch ehrlich sagen, dass die Griechen womöglich keinen neuen Trainer gesucht hätten, wenn sie in Frankreich mit dabei wären. Für mich ist es gut, denn so kann ich mich mit dem Team in Ruhe auf die WM-Qualifikation ab September vorbereiten."

Nach zuletzt zwei WM-Teilnahmen in Folge geht es auf dem Weg nach Russland nun gegen Belgien, Bosnien-Herzegowina, Estland und Zypern um das Ticket für die FIFA Fussball-WM 2018™ - ein machbares Ziel. "Belgien ist sicherlich Favorit. Sie haben sich enorm entwickelt in den letzten Jahren und haben schnelle und erstklassige Spieler, die bei internationalen Top-Klubs spielen. Wir wollen nichtsdestotrotz auch gegen dieses Team unsere Punkte holen. Für uns geht es aber eher darum, Bosnien-Herzegowina hinter uns zu lassen. Die anderen beiden Mannschaften sowieso, so dass wir zumindestens Zweiter in dieser Gruppe werden. Nach der schlechten EM-Qualifikation wollen wir es auf dem Weg nach Russland besser machen und uns qualifizieren. Aber man muss ganz ehrlich sagen: Der EM-Titel 2004 war ein einzigartiger und außergewöhnlicher Erfolg - ähnlich wie Dänemark 1992."

Modern spielt, wer gewinnt

Skibbe weiß wovon er spricht, schließlich kann er auf fast drei Jahrzehnte auf der Trainerbank zurückblicken. Bereits mit 22 Jahren wurde er zum Sportinvaliden und begann seine Karriere im Jugendbereich seines Heimatvereins Schalke 04. Es folgten Engagements in Deutschland, der Schweiz und der Türkei. Mit der DFB-Auswahl wurde er gemeinsam mit Rudi Völler als Trainer-Doppelspitze 2002 Vize-Weltmeister.

"Ich vertraue auf eine gute Disziplin und taktisches Verhalten auf dem Platz. Das war in den starken Jahren in den 2000ern mit dem EM-Gewinn der Fall. Dort wollen wir wieder hin. Die Spieler sollen die Farben des Landes mit Würde und Engagement tragen." Die ersten Bewährungsproben folgen Ende März gegen Montenegro und Island.

Die Aufbruchstimmung in Griechenland ist, nicht nur im Fussball, spürbar und vielleicht bringt Skibbe den deutschen Zauber ein wenig zurück ans Mittelmeer. Doch bei allen Neuerungen und Veränderungen zählt schlussendlich nur das, was Rehhagel schon vor Jahren ganz philosophisch von sich gab: "Modern spielt, wer gewinnt."