Renan Lodi spricht über Brasiliens bevorstehendes WM-Qualifikationsspiel für Katar 2022 gegen Uruguay
Er erinnert sich an die Tränen seines Vaters nach dem Ausscheiden der Seleção 2010 in Südafrika
Der 22-Jährige schwärmt von seinen Teamkameraden Luis Suarez und Joao Felix bei Atlético Madrid
"Er war der größte Gefahrenherd Brasiliens", schrieb das Magazin Marça nach dem 1:0-Sieg der Seleção gegen Venezuela am Freitag. "Er war an den drei Chancen der Brasilianer in der ersten Halbzeit maßgeblich beteiligt."
Doch es war kein Angreifer, den das spanische Blatt scherzhaft als "Stürmer" bezeichnete, sondern in Wahrheit ein Linksverteidiger. Renan Lodi war der wichtigste Ideengeber im brasilianischen Team, das ohne Neymar auskommen musste, und er wurde von mehreren Publikationen als bester Spieler der Partie ausgezeichnet – was vor gerade einmal 18 Monaten noch völlig absurd geklungen hätte.
Damals war der in Serrana geborene Spieler noch bei Atlético Paranaense und war noch kein einziges Mal für Brasilien nominiert worden. Seitdem ist er zu Atlético Madrid gewechselt, hat sich als Stammspieler auf der Linksverteidiger-Position in der Seleção etabliert und wurde von Filipe Luis als "Phänomen", von Junior als "wundervolles Talent" und von Diego Simeone als "Spieler, der wirklich alles hat", gelobt.
FIFA.com traf sich mit dem 22-jährigen Renan Lodi und sprach mit ihm über seinen raketenhaften Aufstieg, Brasiliens bevorstehendes WM-Qualifikationsspiel gegen Uruguay, Luis Suárez, João Felix und ob Atlético Madrid in dieser Saison die spanische Meisterschaft gewinnen kann, sowie über die besten Linksverteidiger der Welt.
Die meisten brasilianischen Nationalspieler haben auch schon in den Nachwuchsmannschaften für ihr Land gespielt, Sie jedoch nicht. Was für ein Gefühl war es, als Sie im vergangenen Jahr plötzlich als 21-jähriger in den Kader kamen?
Ich hatte für Atlético Paranaense in allen Jugend-Altersklassen gespielt. Natürlich habe ich immer von einer Nominierung für die Seleção geträumt, in der U-15, U-17, U-20 und auch für die A-Mannschaft. Jedes Mal, wenn im Jugendbereich Nominierungen für die Seleção anstanden, habe ich intensiv gehofft, und jedes Mal war ich sehr enttäuscht, als ich nicht nominiert wurde. Aber ich habe immer weiter konzentriert darauf hingearbeitet, Profi bei Atlético Paranaense zu werden, und darauf gehofft, wenn Gott es wollte auch in die Seleção zu kommen. Ich genieße es sehr und will so gut wie möglich für meinen Klub spielen, um immer wieder nominiert zu werden.
Vor 13 Monaten hatten Sie also noch nie in einem brasilianischen Kader gestanden. Jetzt sind Sie erste Wahl als Linksverteidiger. Was ist das für ein Gefühl?
Ich empfinde großen Stolz. Man denkt daran, wie viele Spieler davon träumen - Fussballer und auch Leute, die andere Sachen machen. Ich trage das Brasilien-Trikot sehr gern. Ich lerne so viel ich kann, von jedem Spieler und von jedem Trainer. Ich bin sehr stolz, hier zu sein, und ich genieße jede Sekunde.
Sie haben in sechs Länderspielen drei Torvorlagen gespielt. Ermutigt Trainer Tite Sie, nach vorn zu gehen?
Ich bin ja fast ein weiterer Stürmer! (lacht) Ich habe in der Seleção große Freiheiten, auch nach vorn zu gehen. Bei meinem Klub ist das anders. Aber ich genieße es sehr. Tite ermutigt mich, nach vorn zu gehen, aber natürlich darf ich dabei meine Verantwortung in der Defensive nicht vernachlässigen.
Wie zufrieden sind Sie mit Brasiliens Start in die WM-Qualifikation für Katar 2022?
Wir sind sehr zufrieden. Die Atmosphäre in der Mannschaft ist fantastisch. Man kann wirklich überhaupt nichts Negatives sagen. Alle Spieler wollen sich gegenseitig helfen. Wir sind mit dem Ausgang der ersten drei Spiele sehr zufrieden. Neun Punkte – die perfekte Ausbeute. Allerdings steht jetzt das schwere Spiel gegen Uruguay an und wir wollen noch mehr. Wir wollen weiterhin gute Leistungen zeigen und mehr Punkte einfahren.
Was sagen Sie zum aktuellen Team Uruguays?
Das Team ist sehr gut organisiert. Es ist sehr schwer, sie zu knacken. Sie geben von der ersten bis zur letzen Minute einfach Alles, daher sind Spiele gegen Uruguay immer sehr intensiv und schnell. Sie haben wirklich herausragende Spieler. Suárez fällt mit COVID aus, das ist natürliche eine enorme Schwächung. Aber sie haben ja noch andere sehr gefährliche Stürmer. Es wird eine schwere Aufgabe für uns, doch wir sind zuversichtlich, optimal vorbereitet und werden Alles geben, um die drei Punkte zu holen.
Haben Sie mit Suárez über das Spiel gesprochen?
Na klar, wir haben bei Atlético darüber gewitzelt. Er hat mich aufgezogen, ich habe ihn aufgezogen. Er sagte, er würde mich besonders gut decken und stoppen, und dass sie gewinnen würden. Ich habe mit ganz ähnlichen Sachen gekontert. Alles in bester Freundschaft und mit viel Spaß.
Welche WM-Erinnerung aus ihrer Kindheit haben Sie am deutlichsten im Gedächtnis?
Südafrika 2010. Das werde ich niemals vergessen. Die ganze Familie war zu Hause um den Fernseher versammelt. Wir führten gegen Holland, doch am Ende sind wir ausgeschieden. Mein Vater brach in Tränen aus. Es war wirklich schwer für mich, das mit anzusehen. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.
Welche Linksverteidiger sehen Sie am liebsten?
Roberto Carlos war ein großartiger Spieler, aber von ihm habe ich nicht mehr so viel gesehen, weil ich so jung bin. Ich mag Filipe Luis und vor allem Alex Sandro, den ich sehr oft anschaue – wie er verteidigt, wie er das Spiel liest. Und auch Marcelo.
Wen würden Sie aktuell als besten Linksverteidiger der Welt bezeichnen?
[Andy] Robertson vom FC Liverpool und Alphonso Davies von Bayern München sind herausragende Spieler. Davies ist sogar noch jünger als ich und auch Robertson ist noch jung. Das sind großartige Spieler, die noch viel Potenzial haben.
Kann Atlético Madrid in dieser Saison die spanische Meisterschaft gewinnen?
Ja. Es läuft im Moment sehr gut und wir haben einen sehr starken Kader. Allerdings ist es sehr, sehr schwer, die spanische Liga zu gewinnen. Die Tabelle ist derzeit ziemlich durcheinander, weil die Favoriten Punkte abgegeben haben. Wir sind aktuell Dritter und haben zwei Spiele weniger als die Teams vor uns. Wir trainieren sehr intensiv und wollen eine große Saison spielen.
Was halten Sie von Suárez?
Er ist ein echter Witzbold, immer zu Scherzen aufgelegt. Und er tut alles, um allen anderen zu helfen, jeden Tag. Ich versuche, so viel wie möglich von ihm zu lernen. Mit Worten kann man ihn nicht beschreiben. Er ist stark, extrem talentiert und kann mit beiden Füßen abschließen. Er ist ein fantastischer Spieler und enorm wertvoll für den Klub.
Und was sagen Sie über João Felix?
Er ist so etwas wie mein Bruder im Klub. Wir sind fast genau gleich alt. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Er ist ein unglaublich talentierter Spieler und versucht, immer mehr zu lernen und sich immer weiter zu verbessern. Ich habe keinerlei Zweifel, dass er zu einem der besten Spieler der Welt heranreifen wird.