Sonntag 21 Februar 2016, 10:51

Helden für ein Spiel

Jede Mannschaft hat ihre Idole, und in den meisten Fällen haben sich diese legendären Figuren ihren gehobenen Status mit der Zeit und jahrelangen herausragenden Diensten erworben. Es gibt indes einige Fussballer, die auf dem langen Weg bis zur Anbetung eine Abkürzung genommen haben. Diesen wenigen Auserwählten, so fand FIFA.com heraus, genügte ein einziges Spiel, um für immer in die Geschichte eines Klubs oder Landes einzugehen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Mike Trebilcock. Die Gesamtstatistik des Stürmers beim FC Everton - 14 Einsätze, drei Tore - gibt kaum Anlass zur Annahme, dass seine Zeit im Goodison Park besonders beeindruckend gewesen wäre. Doch Trebilcock, der inzwischen im australischen Darwin lebt, ist der Empfang eines Helden gewiss, wenn er zum Klub am Mersey River zurückkehrt. Denn in einem dieser 14 Spiele gelang ihm eine Leistung, die einen Titel wert war und seine Karriere prägte.

Im Finale des FA Cups von 1966 erhielt nämlich Trebilcock überraschend den Vorzug vor dem englischen Nationalspieler Fred Pickering. Und er war es, der gegen Sheffield Wednesday nach einem Zwei-Tore-Rückstand gleich doppelt traf und damit sein Team zu einer erfolgreichen Aufholjagd und letztlich einem 3:2-Sieg inspirierte. "Die Menschen sprechen mich bis heute auf dieses Cup-Finale an, das ändert sich nie", sagte der Held von Wembley kürzlich in einem Interview auf der offiziellen Website des Klubs. "Die Menschen fragen mich: 'Wann habt ihr aufgehört, zu feiern?' Und ich sage: 'Wir haben nicht aufgehört!' Sogar in Australien fragen mich die Menschen immer noch, und ich sage: 'Wir feiern immer noch und ich werde feiern bis zu dem Tag, an dem ich sterbe.'"

Auch eine andere große Fussballstadt Großbritanniens brachte einen ähnlichen Helden hervor. Es wäre nahezu unmöglich, auch nur einen Celtic-Fan zu finden, der ein schlechtes Wort über Harald Brattbakk verlieren würde. Und doch müssten alle bei genauerem Nachhaken zugeben, dass der Norweger in seinen drei Jahren beim Klub im Großen und Ganzen unauffällig blieb. Doch während all die unterdurchschnittlichen Leistungen des Stürmers im Reich des Vergessens verschwanden, bleibt das eine unvergessliche Bild eines Tores, mit dem er eine der düstersten Zeiten der Klubgeschichte beendete, für immer präsent.

"Dieses Tor am letzten Spieltag der Saison bescherte Celtic den Meistertitel und sorgte dafür, dass die Rangers nicht zehn Meisterschaften in Serie schafften und damit den Rekord von Celtic gebrochen hätten", erklärte Brattbakk kürzlich in einem Interview mit FIFA.com. "Was die Erfolge angeht, war dies definitiv der Höhepunkt meiner Karriere. Es bedeutete sehr vielen Leuten unendlich viel."

Es ist schwer, die Dramatik und die Emotionen eines titelentscheidenden Treffers am letzten Tag einer solchen Saison zu übertreffen. Doch wenn einer von sich behaupten kann, dies getan zu haben, ist das Jimmy Glass. Der eher unstete Torwart spielte 1999 auf Leihbasis für den kriselnden Klub Carlisle United und hütete den Kasten im letzten Spiel der Saison, in dem unbedingt ein Sieg gegen Plymouth Argyle erforderlich war, damit der Verein nicht endgültig aus dem professionellen Fussball der englischen Football League fallen würde.

Es waren nur noch zehn Sekunden zu spielen und es stand 1:1 unentschieden, als Glass bei einem Eckstoß nach vorne ging und einen plötzlich herrenlosen Ball per Volleyschuss unhaltbar an seinem Gegenüber vorbeidrosch. Carlisle überlebte - und eine Legende wurde geboren. "Ich war schon immer ein frustrierter Stürmer", sagte er vor zehn Jahren im Interview mit The Independent. "Die Menschen denken, dass dieses Tor eine Art verrückte Begebenheit war, doch am Tag zuvor hatte ich im Training drei Tore erzielt." Doch dieses schicksalhafte Spiel war eines von nur drei, die er für Carlisle bestritt, und schon zwei Jahre später hängte Glass im Alter von nur 27 Jahren seine Handschuhe für immer an den Nagel.

Ein weiterer Spieler, der plötzlich in den Schlagzeilen stand und dann ebenso schnell wieder verschwand, war Roy Essandoh. Der Stürmer erzielte das wohl wichtigste Tor in der Geschichte von Wycombe Wanderers. Sein Siegtreffer per Kopf gegen die Premier-League-Mannschaft von Leicester City bescherte seinem Team den Einzug ins Halbfinale des FA Cups. Die Geschichte ist deshalb bemerkenswert, weil Essandoh seine Chance erhielt, nachdem er auf ein Gesuch Wycombes im inzwischen nicht mehr existierenden Teletext-Dienst Ceefax nach einem fitten, nicht für den Pokal gesperrten Stürmer antwortete. Doch der Siegtreffer des Nordiren war das einzige Tor, das er in 13 Spielen für den Klub erzielte, und den Rest seiner Karriere verbrachte er fast ausschließlich weithin unbemerkt im Amateurbereich.

Legendäre MomenteGroßbritannien mag einige der denkwürdigsten Beispiele liefern, doch Helden für ein Spiel sind ein globales Phänomen. Jeder Fussballfan in Argentinien kennt zum Beispiel die Namen von Claudio Benetti und Ruben Bruno, obwohl keiner von ihnen in ihren jeweiligen Karrieren spektakuläre Höhen erreichte. Benetti aber erzielte ein Tor, das für Boca Juniors ähnlich wichtig war wie das Brattbakks für Celtic und seinem Verein 1992 den ersten Titel nach elf Jahren bescherte. Bruno wiederum beendete die längste titellose Zeit in der Geschichte von River Plate. 1975 zeichnete er im Alter von gerade 17 Jahren für den Siegtreffer verantwortlich, der den Millonarios die erste Meisterschaft seit 1957 sicherte.

So wie dieses Duo nie in die Ruhmeshalle der besten Fussballer ihres Landes einzog, wird wahrscheinlich auch Dirk Weetendorf nie auf einer Liste der Bundesliga-Legenden auftauchen. In einer letztlich enttäuschenden Karriere in der höchsten deutschen Spielklasse gelangen ihm insgesamt nur drei Tore. Nichtsdestotrotz bleibt Weetendorf beim Hamburger SV eine beliebte Persönlichkeit und verdiente sich sogar in Anspielung an die zwei Klub-Idole Horst Hrubesch und Uwe Seeler den Spitznamen "Horst-Uwe". Denn zwei seiner drei Treffer gelangen ihm bei einem entscheidenden 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund, der seinen Verein vor dem Abstieg bewahrte.

Deutschland hat sogar in der Nationalmannschaft ein solches Beispiel. Im Alter von 29 Jahren erklärte David Odonkor seinen Rücktritt vom professionellen Fussball und löste seinen Vertrag beim ukrainischen Klub FC Hoverla-Zakarpattya Uschhorod auf. Damit fiel der Vorhang für eine Karriere, die niemals einlöste, was sie versprochen hatte. In seinem Heimatland aber wird der pfeilschnelle Flügelflitzer für alle Zeiten für seinen Auftritt bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™ in Erinnerung bleiben. Mit einem unnachahmlichen Sprint stürmte er nach vorne und legte Oliver Neuville eine millimetergenaue Vorlage auf, die Polens Niederlage besiegelte und damit die denkwürdige WM-Leistung des Teams von Jürgen Klinsmann möglich machte.

Nia Künzer ist vermutlich immer noch eine bedeutendere Persönlichkeit in Deutschland, nachdem sie bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2003 das Golden Goal erzielte, das ihrem Land den ersten WM-Titel seiner Geschichte bescherte. Sie war gerade 23 Jahre alt und schien eine glänzende Karriere vor sich zu haben. Doch während Deutschland und ihre Teamkameradinnen wie Birgit Prinz in der Folge von einem Triumph zum nächsten schwebten, erlitt Künzer wenige Monate später einen Kreuzbandriss, von dem sie sich nie richtig erholte. 2006 zog sie sich aus dem Sport zurück.

Körperliche Probleme verhinderten auch die Karriere des Chinesen Deng Zhuoxiang, der aber ähnlich wie Künzer für eine herausragende Leistung und einen Treffer in Erinnerung bleiben wird. In seinem Fall ein exzellenter Solo-Lauf beim 3:0-Sieg gegen Korea Republik, der seinem Land den Gewinn der Ostasienmeisterschaft 2010 bescherte.

WM-Helden, die in der Versenkung verschwandenBeim Thema legendäre Tore werden sich Fussballfans mit Sicherheit an Saeed Al-Owairan aus Saudiarabien erinnern, wie er die Verteidiger Belgiens umkurvte und für einen der denkwürdigen Momente in den USA 1994 sorgte. Doch dass später nichts mehr von ihm zu hören war, lag daran, dass seine Karriere im Sande verlief. Der traurige Tiefpunkt war erreicht, als er für ein Jahr vom Fussball suspendiert wurde und ins Gefängnis musste, weil er die Alkoholgesetze seines Landes gebrochen hatte.

Josimar ist ein weiterer Spieler, der eine Weltmeisterschaft prägte, und zwar nicht nur mit einem spektakulären Treffer gegen Nordirland in Mexiko 1986. Doch obwohl er zum besten Rechtsverteidiger des Turniers gewählt wurde und eine schillernde Karriere vor sich zu haben schien, führte der Druck des über Nacht erlangten Ruhms zu einem spektakulären Absturz. "Ich habe es einfach verloren", räumte Josimar im Interview mit FourFourTwo ein. "An einem Tag war ich arm, und am nächsten eine Berühmtheit und jeder kannte mich."

Bei Weltmeisterschaften ereignen sich natürlich häufig Spiele, die in der Karriere einmalig bleiben, und niemand weiß das besser als Oleg Salenko. Der russische Stürmer hatte noch kein einziges Länderspieltor auf dem Konto, als er zum Turnier in den USA 1994 reiste. Doch in einer einzigen Partie - einem 6:1-Kantersieg gegen Kamerun - erzielte er gleich deren fünf und stellte damit einen neuen Rekord in der Gruppenphase auf.

Doch obwohl ihm dieser Coup bei der WM 1994 die Auszeichnung mit dem goldenen Schuh von adidas einbrachte, war er schon im nächsten Spiel Russlands nicht mehr dabei. Tatsächlich lief Salenko - vielleicht der ultimative Held für ein Spiel - nie wieder für sein Land auf.

Ihre Meinung zähltDies sind nur einige wenige Beispiele für Fussballer, die nur für ein Spiel in Erinnerung blieben. Gibt es auch in Ihrem Team einen Helden für ein Spiel? Lassen Sie es uns wissen, indem Sie auf "Kommentar hinzufügen" klicken.