Gelingt der Schweiz die Revanche?

Kaum etwas ist für einen Fussballer schlimmer, als eine hohe Niederlage. Auf die Anzeigetafel zu schauen und diese enorme Anzahl an Gegentoren zu sehen. Auf die Ränge zu schauen und die enttäuschten Gesten der Fans zu sehen. In die Gesichter der Teamkameraden zu schauen und nur Machtlosigkeit und Frust zu sehen.

Solche Momente vergisst man nie, vor allem, wenn man sie bei einem großen Turnier erleben muss. Und diese Erinnerung ist immer auch begleitet von dem Wunsch, eines Tages Revanche nehmen zu können.

Allerdings bietet das Schicksal dazu nicht immer Gelegenheit, zumindest nicht bei einem ähnlich bedeutenden Anlass. Doch manchmal bekommt man diese zweite Chance, kann sich revanchieren und die Enttäuschung hinter sich lassen.

Ricardo Rodríguez und die Schweizer Nationalmannschaft werden in Lille eine solche Gelegenheit bekommen. In der Gruppenphase der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ musste das Team sich mit 2:5 gegen Frankreich geschlagen geben. Am Sonntag, 19. Juni, steht man nun bei der EURO 2016 in der gleichen Turnierphase dem gleichen Gegner gegenüber. Auf dem Spiel steht der erste Platz in Gruppe A. Eine ideale Gelegenheit, um sich Genugtuung zu verschaffen.

Bittere Erinnerungen"Das tut schon weh, ein solches Ergebnis vergisst man nicht", meint der 23-jährige Verteidiger im Gespräch mit FIFA.com. "Wenn man bei einem Spiel mit so großer Tragweite, bei einem so wichtigen Turnier wie der WM so viele Treffer kassiert, dann wird man das nicht wieder los. Natürlich erwarten wir, es dieses Mal besser zu machen", meint er überzeugt.

Rodríguez hatte in der Fussballwelt einen kometenhaften Aufstieg zu verzeichnen. Bei der FIFA U-17-Weltmeisterschaft 2009 in Nigeria wurde er mit der Schweiz Weltmeister, zwei Jahre später war er bereits Stammspieler der A-Nationalmannschaft und zählte bei der WM 2014 in Brasilien zu den Leistungsträgern des Teams. Obwohl er noch jung ist, bleibt er angesichts dieser Chance zur Revanche gelassen.

"Wir haben diese Erfahrung verarbeitet und sind sicher, dass diese Partie anders verlaufen wird. Es stimmt schon, dass es eine gute Gelegenheit ist. Wir kassieren nur sehr selten viele Tore, das ist nicht der Normalfall, und ich glaube, es wird nicht wieder passieren. Uns ist bewusst, dass wir gegen eine sehr starke Mannschaft antreten werden, aber uns sind auch unsere eigenen Fähigkeiten bewusst", so der linke Verteidiger weiter, der einen spanischen Vater und eine chilenische Mutter hat und in Zürich geboren wurde.

Hoffnungsvoller Auftakt Das Selbstvertrauen, das Rodríguez hier an den Tag legt, spiegelt sich auch in den guten Auftritten der Schweizer bei diesem Turnier wider. Nach einem Sieg gegen Albanien und einem Remis gegen Rumänien hat das Team gute Chancen auf den Einzug in die nächste Runde. Frankreich hat derweil nach zwei Siegen gegen dieselben Gegner bereits sechs Punkte auf dem Konto.

"Vier Punkte sind nicht schlecht, aber ehrlich gesagt wäre es nach dem Sieg am ersten Spieltag ideal gewesen, mit sechs Punkten in diese Partie zu gehen", gibt der pfeilschnelle Außenverteidiger unumwunden zu. "Wir haben gute Chancen auf das Weiterkommen, aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir wollen das nächste Spiel gewinnen und uns als Gruppensieger qualifizieren. Ich glaube, wir können es schaffen."

Ein Sieg gegen den Gastgeber des Turniers dürfte nicht leicht werden. Rodríguez und seine Kollegen in der Abwehr werden es mit Offensivtalenten vom Format eines Antoine Griezmann, Dimitri Payet oder Paul Pogba aufnehmen müssen.

Genau wie bei seinen unvermittelten Sprints nach vorn überrascht Rodríguez auch mit seiner Analyse des nächsten Spiels. "Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der Abwehr, sondern in unserer Chancenverwertung. Wir haben viele herausgespielt, konnten aber nicht so viel Kapital daraus schlagen, wie wir eigentlich wollten. Wenn wir das verbessern können, werden wir, glaube ich, ein gutes Turnier spielen – angefangen mit einem Sieg gegen Frankreich."

Wenn man Rodríguez auf dem Platz beobachtet, wird sofort deutlich, dass diese selbstbewussten Worte ein Spiegelbild seiner ebenso spektakulären wie offensiven Spielweise sind. Bald werden wir wissen, ob er Recht behält.