"Romario ist ein Spieler, der einem Zeichentrickfilm entsprungen zu sein scheint." So beschrieb der Argentinier Jorge Valdano, Weltmeister von 1986 und anerkannter Fussball-Intellektueller, den herausragenden brasilianischen Stürmer. O Baixinho konnte unglaubliche Tore schießen, bei denen er sogar die Gesetze der Logik zu überwinden schien. Genau wie die fiktiven Fussballer, die seit den 1980er Jahren in japanischen Animationsfilmen zu sehen sind.
Um diese Zeit entstand eine besondere Wechselbeziehung zwischen dem Fussball und Trickfilmen, die im Laufe der Jahre immer größere Ausmaße annahm. FIFA.com möchte diese Symbiose, die inzwischen gar nicht mehr wegzudenken ist, bei dieser Gelegenheit einmal etwas näher unter die Lupe nehmen.
Eine Leidenschaft wird zum Trickfilm Als Valdano diesen Satz sagte, hatte er vermutlich die Anime-Adaptionen zur Manga-Serie Captain Tsubasa im Hinterkopf, die unter den Namen Die tollen Fussball-Stars und Super Kickers 2006 – Captain Tsubasa unter anderem auch den Weg ins deutsche Fernsehen fand und sich in den spanischsprachigen Ländern als Oliver y Benji und Los Supercampeones großer Beliebtheit erfreute. Das dürfte die bisher wohl populärste Zeichentrickreihe zum Thema Fussball sein.
Entstanden ist die Anime-Serie aus einem vom japanischen Fussballverband geförderten Manga-Komplex, mit dem für diesen schönen Sport geworben werden sollte. Captain Tsubasa, seine Mannschaftskameraden und Gegner überwanden alle Arten von Grenzen und kulturellen Barrieren und wurden zu Ikonen einer ganzen Generation.
"Als ich ein Student war, habe ich die WM 78 im Fernsehen gesehen. Ich war beeindruckt von dem Turnier und dem Fussball selbst. Dann habe ich angefangen, Fussball-Comics zu zeichnen. Ich hätte aber nie gedacht, dass die so berühmt werden. Damals war der Fussball in Japan noch nicht groß entwickelt. Es gab keine professionelle Ligen. Wir haben damals nicht mal daran gedacht, an einer WM teilzunehmen. Es war ein weit entfernter Traum", erinnert sich Schöpfer Yoichi Takahashi im Interview mitFIFA TV an die Anfänge und verrät: "Ich muss gestehen, dass der Stil von Lionel Messi mich inspiriert hat und ich dies in den Charakter von Tsubasa habe einfließen lassen." Kein Wunder also, dass der Held der Manga-Serie irgendwann auch das Barça-Trikot überstreifte.
Im Februar 2012 erzielte der Brasilianer Alex beim 2:2 zwischen Paris Saint-Germain und HSC Montpellier in der französischen Ligue 1 ein spektakuläres Freistoßtor, das ihm ein ganz besonderes Lob des Torhüters der Gastmannschaft einbrachte: "Was ist bei diesem Schuss vor sich gegangen? Der Ball hat komplett die Richtung geändert. Ich habe mich gefragt: 'Haben die vielleicht Mark Lenders aufgestellt, und ich habe es nicht mitbekommen?'". Der Torwart bezieht sich dabei auf einen der Erzrivalen von Captain Tsubasa, der in der deutschsprachigen Version unter dem Namen Kojiro Hyuga bekannt ist und sich besonders durch seine starken Schüsse auszeichnet.
In diesem Zusammenhang gibt es auch viele Fussballfans, die behaupten, Cristiano Ronaldo sei der reale Spieler, dessen Schüsse ebenso viel Effet hätten, wie die des Zeichentrickhelden Captain Tsubasa. Die "Puristen" der Serie identifizieren jedoch Captain Tsubasa eher mit Messi und Cristiano Ronaldo mit seinem Pendant Kojiro Hyuga.
Zwischen Fiktion und RealitätDinge wie die Schussstärke und die scheinbar endlosen Sturmläufe der Protagonisten – immer mit dem Horizont im Hintergrund – waren bei Captain Tsubasa die Regel und lösten sogar wissenschaftliche* *Studien aus. In einer wurde beispielsweise die Spielfeldgröße berechnet: Davon ausgehend, dass Captain Tsubasa eine Körpergröße von 1,70 Metern hatte und ein Mensch dieser Größe den Horizont in 4,5 Kilometern Entfernung sieht, hätte das Spielfeld eine Länge von 18 Kilometern haben müssen!
Es gab noch weitere Serien, die zwar nicht ganz so populär waren, aber sicher dennoch ein Hochgenuss für die Fans dieses Genres. Sie drehten sich allesamt um den Fussball, betrachteten ihn jedoch aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Da wäre beispielsweise Ganbare, Kickers!, eine Anime-Serie, in der es ebenfalls um einen Jungen und seine Beziehung zum Fussball ging. Die Serie war in Japan allerdings längst nicht so erfolgreich wie Captain Tsubasa, sorgte jedoch beispielsweise in Deutschland und Österreich unter dem Namen Kickers durchaus für Begeisterung. Und dann gab es da noch Goal Field Hunter, eine franko-japanische Co-Produktion, die von den Abenteuern und Missgeschicken eines italienischen Nachwuchsfussballers handelte. In Italien war die Serie zwar nicht erfolgreich, wohl aber in Frankreich, Spanien und in den Einflussbereichen beider Länder.
Hurricanes war ebenfalls eine Co-Produktion, allerdings von England, Schottland sowie den USA und wurde außerhalb dieser drei Länder kaum ausgestrahlt. Im Unterschied zu den anderen Serien war die Hauptfigur hier eine Frau: Amanda Carey. Eine der jüngsten Produktionen ist Inazuma Eleven, das noch immer ausgestrahlt wird. Diese Serie dreht sich vor allem darum, dass es wichtig ist, als Team zusammenzuarbeiten und an einem Strang zu ziehen, um gute Ergebnisse zu erzielen.
Vom Spielfeld auf den BildschirmEs gibt auch einige Fälle von Fussballern, die ihre eigene Zeichentrickserie hatten – aufgrund ihrer Beliebtheit, ihrer sportlichen Erfolge oder beidem. Brasilien nimmt hier eine Vorreiterrolle ein: Unter anderem haben Pelé und Ronaldinho, jeweils als Jungs dargestellt, den Sprung auf den Fernsehschirm geschafft. In Kürze wird es nun noch eine Serie mit Neymar als Hauptdarsteller geben. "Die Idee ist, dass 'Neymarzinho' nicht nur Fussball spielen, sondern auch über Sport, die Familie, Bildung und Kultur reden soll", so der weltbekannte brasilianische Comiczeichner und Karikaturist Mauricio de Souza, der hinter diesem Projekt steht.
Wenn es um Animes geht, die aufgrund eines bestimmten Erfolgs produziert wurden, kommt man an Welad El Eih nicht vorbei. Die Serie wurde nach dem Sieg der Pharaonen beim CAF Afrikanischen Nationen-Pokal ab 2010 in Ägypten ausgestrahlt. Hauptdarsteller der Geschichte waren sowohl die Spieler der Meistermannschaft als auch deren Trainer Hassan Shehata. Die Serie war ausgesprochen beliebt und ging 2011 in eine zweite Saison.
Häufig sieht man auch Karikaturen von Spielern in Zeichentrickfilmen, in denen es eigentlich nicht um Fussball geht. Die Simpsons und Family Guy sind zwei U.S.-amerikanische Serien, die für ihre teilweise bis ins Absurde getriebene Überzeichnung des Alltags berühmt sind. Hier haben schon mehrere Fussballer ein Gastspiel gegeben. Bei den Simpsons konnte man beispielsweise vor einer Partie zwischen den Nationalmannschaften Mexikos und Portugals Pelé sehen, der sich einige Werbeanzeigen anschaute. In Family Guy gab es eine kurze aber sehr prägnante Szene mit Zinedine Zidane, der als Zusteller arbeitet und der betagten Empfängerin beim Abliefern einer Geburtstagstorte einen Kopfstoß verpasst.
Aber solche Gastauftritte beschränken sich nicht nur auf die westliche Kultur und sind auch nicht immer zynisch. Der Japaner Yuji Nakazawa, der mit seiner Nationalmannschaft die letzten beiden Weltmeisterschaften bestritt, machte in seinem Land Furore, als er in einer Episode der berühmten Alltagsanime Shin Chan auftauchte: Hier spielte der Verteidiger die Rolle eines Eremiten, der der Hauptfigur und ihren Freunden einige Fussballtechniken beibrachte. Obwohl ihm das im echten Leben sicher einigen Spott einbrachte, nahm er das Ganze mit Humor.
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