Mittwoch 10 Juni 2020, 13:06

Deutschlands Reise zum 3. Stern beginnt

  • 10. Juni 1990: WM-Auftaktspiel der DFB-Auswahl

  • 4:1 gegen Jugoslawien

  • Vier Wochen später holte Deutschland den Titel

Es ist auf den Tag genau 30 Jahre her, dass Deutschland in das Abenteuer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1990 startete. Vor dem Spiel im ehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion wurden in der DFB-Kabine letzte Vorbereitungen getroffen. Die berühmten weißen Trikots mit der eingearbeiteten deutschen Fahne waren ausgebreitet, Stutzen wurden hochgezogen und das Schuhwerk aus Herzogenaurach mit den drei Streifen wurde geschnürt. Was waren die Gedanken in den Köpfen der Spieler? "Was erwartet uns heute? Wie werden wir auftreten? Wie stark ist der Gegner?"

Vielleicht nicht gleich Selbstzweifel, aber eine bestimmte Ungewissheit dürfte schon vorhanden gewesen sein – schließlich hatte man sich nur äußerst knapp und schwierig überhaupt für diese WM-Endrunde qualifiziert.

Noch im November 1989 war unklar, ob der Titelverteidiger im folgenden Sommer in Italien dabeisein würde. In der gemeinsamen Qualifikationsgruppe hatten die Niederlande vor dem letzten Spieltag die Nase vorne, und da sich nur die besten Gruppenzweiten für die WM 1990 qualifizierten, benötigte die DFB-Elf in der letzten Partie gegen Wales in Köln einen Sieg.

Dass das keine leichte Aufgabe werden würde, hatte schon das torlose Hinspiel in Cardiff klargemacht. Den meisten der rund 60.000 Zuschauer in Köln-Müngersdorf dürfte der Atem gestockt haben, als Malcolm Allen die Männer von der Insel nach nur elf Minuten in Front schoss.

Deutschland tat sich ohne den verletzten Kapitän Lothar Matthäus wahnsinnig schwer, obwohl Rudi Völler Mitte der ersten Halbzeit egalisiert hatte. "Jungs, noch 45 Minuten bis Italien", lautete der Appell von Ersatzkapitän Pierre Littbarski in der Halbzeitpause. Littbarski flankte kurz nach Wiederanpfiff vor das Tor der Gäste, wo der abgefälschte Ball den Weg zu Thomas Häßler fand, der ihn mit dem schwachen Fuß volley versenkte.

"Heute fühle ich mich wie 1,95", sagte Häßler nach diesem Treffer, den er später als den wichtigsten seiner Karriere bezeichnen sollte. Die Elf von Franz Beckenbauer fuhr hinter den Niederlanden als einer der besten Gruppenzweiten nach Italien.

Auftaktgegner an jenem 10. Juni 1990 war Jugoslawien, das wie so oft den Stempel eines Geheimfavoriten trug und auf Spieler wie Dragan Stojković, Robert Prosinečki, Dejan Savićević, Darko Pančev oder Davor Šuker zugreifen konnte. Alle eventuell vorhandenen Bedenken zerstreute die Mannschaft von Coach Franz Beckenbauer jedoch schon in der Anfangsphase der Partie, die sie fast nach Belieben dominierte. Vor allem Matthäus machte vielleicht das beste seiner insgesamt 150 Länderspiele, schoss seine Mannschaft mit 1:0 in Führung und acht Minuten nachdem Davor Jozić nach dem Seitenwechsel auf 1:2 verkürzt hatte und die Begegnung zu kippen drohte, legte Matthäus ein Traumtor zum 3:1 nach und ebnete damit den Weg zum 4:1-Endstand.

"Das erste Spiel ist bei einer Weltmeisterschaft das Wichtigste. Wenn es gut läuft und man gewinnt, dann hat man Ruhe", sagte Beckenbauer. "Sonst wird sehr viel Unruhe von Außen herangetragen."

"Notti magiche" - "magische Nächte" hatte Italiens Rock-Röhre Gianna Nanini mit ihrer rauchig-rauen Stimme im offiziellen WM-Song in Aussicht gestellt. Für die deutsche Nationalmannschaft war das Auftaktspiel gegen Jugoslawien die erste von vielen magischen Nächten im Sommer 1990. 28 Tage später stemmte Matthäus den Weltpokal in den Nachthimmel des Römer Olympiastadions, während im Hintergrund ein Meer aus deutschen Fahnen wehte.