Dienstag 16 August 2022, 13:00

Der lange Weg: Neun Trainerinnen bei einem historischen Turnier für die FIFA

"Wow, bei dieser Pressekonferenz sind mehr Frauen als sonst!" Dieser Ausspruch stammt von Carlos Paniagua, dem Nationaltrainer Kolumbiens. Es ist Dienstag, der 9. August, und die 16 Trainer und Trainerinnen der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Costa Rica 2022 strömen in den Pressekonferenzraum. Paniagua hat recht, aber seine Aussage lässt sich noch präzisieren: Bei diesem Turnier sind nämlich neun Trainerinnen vertreten und damit zum ersten Mal bei einem FIFA-Turnier mehr Frauen als Männer. "Das wusste ich nicht! Das ist wirklich nicht zu fassen. Das ist eine Sensation!", meint Tracey Kevins, Nationaltrainerin der USA. Angesichts der Neuigkeit macht sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht breit. "Das ist ein großer Fortschritt. Diese Chancen hatten wir früher nicht, und wir haben sie durch die Bemühungen vieler Menschen bekommen, die vor uns dafür gekämpft haben", erklärt die mexikanische Nationaltrainerin Ana Galindo. Auch sie lächelt. Tatsächlich gilt das für alle neun Trainerinnen, wenn ihnen im Gespräch mit FIFA+ bewusst wird, dass sie alle zusammen Sinnbilder eines tiefgreifenden Wandels im Frauenfussball sind.

Deutschland, Australien, Mexiko, Neuseeland, die Republik Korea, Kanada, Frankreich, die USA und die Niederlande werden von Frauen trainiert. So viele waren es noch nie. Dies ist die zehnte Auflage der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft™. Bei den vorherigen Ausgaben hatte es nie mehr als fünf Trainerinnen gegeben. Im Schnitt lag die Anzahl der Frauen auf dieser Position bei 3,1 pro Turnier. In Costa Rica hat sich die Anzahl fast verdreifacht. "Es ist wichtig, dass der Frauenfussball weiter wächst", erklärt Jessica Torny, die für die Niederlande verantwortlich ist. "Das ist definitiv die Zukunft dieser Sportart", meint die Australierin Leah Blayney. Die zukünftige Entwicklung der Sportart zeichnet sich in San José eindeutig ab: auf dem Spielfeld mit den vielen neuen Talenten und auf den Trainerbänken, auf denen in der Mehrzahl Frauen die taktischen Anweisungen geben.

Ghana v USA: Group D - FIFA U-20 Women's World Cup Costa Rica 2022

"Es hat sehr lange gedauert, bis wir diese Positionen bekleiden konnten", räumt Kevins ein. Für keine der Frauen war es leicht, so weit zu kommen. Kevins, die aus England stammende Nationaltrainerin der USA, hat zehn Jahre in den Akademien von US Soccer hinter sich. Die kanadische Nationaltrainerin Cyndy Tye hat im Ausbildungsbereich kleiner Klubs begonnen. Ana Galinda war überzeugt davon, dass sich ihre berufliche Laufbahn auf die Arbeit an Fussballschulen beschränken würde. Leah Blayney war früher australische Nationalspielerin. Jessica Torny spielte über zehn Jahre für das niederländische A-Nationalteam. Die Neuseeländerin Gemma Lewis sammelte bei der FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft Uruguay 2018 als Assistenztrainerin Erfahrung. Sonia Haziraj war als Spielerin in Frankreich aktiv, absolvierte später die Trainerausbildung und startete ihre Karriere in der Nachwuchsabteilung von Rennes. Die deutsche Nationaltrainerin Kathrin Peter trainiert seit Jahren Frauenteams. Insun Hwang ist die erste Frau, die als Trainerin für ein Nationalteam der Republik Korea verantwortlich ist. "Das bedeutet sehr viel. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass immer mehr Fussballerinnen den Mut haben, solche Positionen zu übernehmen", erklärt Hwang. Costa Rica ist ein Meilenstein auf der Zeitleiste des Frauenfussballs. "Immer mehr Frauen übernehmen Führungspositionen, und das ist ganz wichtig für die Entwicklung dieser Sportart", so die Diagnose von Tye. "Das stimmt, aber es müssen noch mehr werden", betont die Französin Haziraj. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass die Verbände den Frauen immer mehr Vertrauen entgegenbringen, damit sie mehr Verantwortung übernehmen können." Die Neuseeländerin Lewis steckt den Horizont ab: "Das gesamte sportliche Umfeld, die Entscheidungsträger müssen die Frauen unterstützen, sie in den Blickpunkt rücken und ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten."

Costa Rica v Australia: Group  A - FIFA U-20 Women's World Cup Costa Rica 2022

In diesem Zusammenhang sprechen einige Trainerinnen die wichtige Rolle der Verbände an. Kevins betont, die FIFA habe hervorragende Arbeit geleistet, indem sie ihre Mitgliedsverbände aufgefordert habe, auf Frauen zu setzen, und Tye rückt das Mentoringseminar der FIFA in den Blickpunkt, das turnierbegleitend in Costa Rica durchgeführt wird. Auch die gemeinsame Arbeit fördert die Entwicklung. In den Niederlanden tauschen sich die Jugendtrainer und -trainerinnen im Männer- und Frauenbereich regelmäßig aus. In Frankreich gibt es Zusammenkünfte, um über Fragen im spielerischen und im Managementbereich zu sprechen. In Deutschland wird dieser Austausch stetig vom DFB gefördert. "Es gibt nur eine Philosophie, und die ist für alle gleich", so Peter. Ana Galindo zeigt vielleicht, wo es in Zukunft hingeht. Die Mexikanerin wurde im Juni als Trainerin der U-17-Männer-Auswahl ihres Landes vorgestellt. "Das ist etwas, was wir weiter vorantreiben müssen", meint Galindo. Es gibt hervorragende Trainerinnen, die in verschiedenen Bereichen sehr gut ausgebildet sind. Ich hoffe, die Verantwortlichen öffnen uns die Tür, denn sie werden sehr überrascht sein."

Japan v Netherlands: Group D - FIFA U-20 Women's World Cup Costa Rica 2022

In Costa Rica bietet sich ein vielversprechendes Bild. "Wir mussten einen weiten Weg zurücklegen. Ob wir zufrieden sind? Nein! Wir wollen mehr und sehen, dass mehr getan werden kann. Dies ist eine Grundlage, auf der man das weitere Wachstum aufbauen kann. Wenn wir in diesen Funktionen die Besten einsetzen, wird der Fussball im Frauenbereich weiter florieren", betont Blayney, die bei dem Thema richtig in Fahrt kommt. Man hat fast den Eindruck, sie würde eine Ansprache vor einem wichtigen Spiel halten. Galindo stellt sich für die Zukunft "mehr Trainerinnen, mehr Assistentinnen, mehr Fitnesstrainerinnen" vor, und Kevins erklärt: "Wir müssen den Frauenfussball so weit wie möglich vorantreiben, bis er gänzlich gleichberechtigt ist."

"Ja, es ist ein schwieriger Weg", räumt Lewis ein. "Aber wenn du weiß, dass du denen, die nach dir kommen, zeigen kannst, wo es langgeht, lohnt es sich auf jeden Fall."

Korea Republic v Nigeria: Group C - FIFA U-20 Women's World Cup Costa Rica 2022

Gewusst?

Im Mai 2022 lancierte die FIFA die zweite Ausgabe ihres Trainerinnen-Mentorenprogramms, bei dem 20 Frauen aus der ganzen Welt von 20 der erfolgreichsten Trainern des Frauenfussballs betreut werden.

Sechs der Mentees nehmen derzeit mit ihren jeweiligen Ländern an der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft Costa Rica 2022™ teil. Sonia Haziraj (Frankreich), Kathrin Peter (Deutschland), Tracey Kevins (USA) und Ana Laura Galindo Dominguez (Mexiko) sind Cheftrainerinnen, während Natalie Lawrence (Neuseeland) und Laura del Rio Garcia (Spanien) als Assistenztrainerinnen bei dem Turnier tätig sind.

Als eines der acht Programme, die im Rahmen des FIFA-Entwicklungsprogramms für Frauen angeboten werden, zielt das Trainerinnen-Mentorenprogramm auf die Entwicklung und Förderung einer neuen Generation von Trainerinnen ab, die in den nächsten 18 Monaten von einem Spitzentrainer aus dem Frauenfussball individuell betreut werden.

Ziel des Programms ist es, talentierten Trainerinnen nicht nur erstklassige Mentoren zur Seite zu stellen, sondern sie auch dabei zu unterstützen, in ihren derzeitigen Positionen bessere Ergebnisse zu erzielen, ihnen Beratung und Unterstützung bei ihrer beruflichen Entwicklung zu bieten und ein globales Netzwerk von Trainerinnen aufzubauen.