Einer der neuen Leistungsträger Argentiniens
Bei der Copa América 2019 Stammspieler
Gesprächsthemen: die Anfänge, das Nationalteam und die WM-Quali
Wenn man Rodrigo De Paul heute sieht, kann man kaum glauben, dass der Mittelfeldspieler, der sich in der verjüngten argentinischen Nationalmannschaft und bei Udinese Calcio unter anderem durch seinen Einsatz auszeichnet, früher durch mangelndes Engagement auffiel.
"Das stimmt. Früher bedeutete Fussballspielen für mich, dass mir jemand den Ball vor die Füße spielte. Mit der Zeit habe ich dann begriffen, dass dies nur ein minimaler Teil des Spiels ist und habe mich geändert", meint er lachend im Zoom-Interview mit FIFA.com.
Und die Veränderung war beachtlich. De Paul, mittlerweile 26 Jahre alt, zeichnet sich noch immer durch die Spielübersicht aus, die zu Beginn seiner Karriere dafür gesorgt hat, dass er als Spielmacher eingesetzt wurde. Darüber hinaus punktet er jetzt mit seiner Dynamik und seinem Engagement.
Seit seinem Debüt bei Racing Club im Jahr 2012 mit 18 Jahren bringt er es auf mehr Vorlagen (42) als Tore (34).
Sein Debüt in der Albiceleste gab De Paul im Oktober 2018 im Rahmen der Verjüngung des Teams, die damals Interimstrainer Lionel Scaloni einleitete. Nachdem der Trainer im Amt bestätigt worden war, spielte De Paul bei der letzten Auflage der Copa América eine wichtige Rolle und sicherte sich regelmäßig einen Platz in der Startelf.
Im Interview mit FIFA.com spricht er über all diese Themen.
Wie sind Sie zum Fussball gekommen?
Am Anfang habe ich nur zum Spaß gespielt, aber in meinen Erinnerungen und auf Fotos habe ich immer ein Fussballtrikot an und einen Ball dabei – zu Hause, auf der Straße oder beim Klub Deportivo Belgrano, meinem zweiten Zuhause. Nichts anderes konnte mich begeistern, und für eine Sega oder die Playstation 1 war kein Geld da.
Wie bist du zu Racing gekommen, deinem ersten Klub?
Das war nicht geplant. Ich habe nicht etwa gesagt, dass ich Elferfussball spielen will. Mich hat jemand mitgenommen, der noch heute mein bester Freund ist. Wir haben gemeinsam Kinderfussball in Fünferteams gespielt, und er wollte ein Probetraining machen. Also bin ich mit ihm hingegangen. Sie haben mich gefragt, auf welcher Position ich spiele. Ich habe gesagt, dass ich die Rückennummer zehn habe. Deshalb habe ich als offensiver Mittelfeldspieler angefangen.
Stimmt die Aussage eines ehemaligen Jugendtrainers, der sagte, Sie würden nicht zurücklaufen, um sich den Ball zu holen?
Ja, das stimmt ... In meinem Stadtteilklub lief für mich alles von selbst. Ich habe keine Spielzüge trainiert, habe aber die anderen Jungs ohne Probleme ausgespielt. Deshalb dachte ich, dass sei alles im Fussball. Aber ich denke, dass ich mich später weiterentwickelt habe! [lacht]
Wann und wie hat sich das geändert?
Wenn ich einen Moment nennen soll, dann war es der Tod meines Großvaters. Er war eine Stütze für die ganze Familie, mich hat er immer zum Training gebracht ... Als ich 14 Jahre alt war, wurde er krank und starb sehr schnell. Das hat mich zutiefst erschüttert. Damals habe ich beschlossen, den Fussball ernst zu nehmen, nicht nur, weil ich gut spielen konnte, sondern auch, um meiner Familie zu helfen. Den Rest brachte die Erfahrung. Auch Rückschläge waren dabei. Bei der Copa América hat sich dann herausgestellt, dass die Mühe sich gelohnt hat.
Wenn wir schon vom Nationalteam sprechen, was ist Ihre erste Erinnerung an eine WM?
Die WM 1998! Das klingt vielleicht unglaubhaft, weil ich damals erst vier Jahre alt war, aber ich wollte Fussball spielen, genau wie meine beiden Brüder. Im Verein gab es meine Altersklasse nicht, als habe ich zwei Altersklassen höher gespielt, und sie haben mich ins Tor gestellt. Dort haben sie mir den Spitznamen Lechuga gegeben, nach [Carlos] Roa. Ich habe sogar das violette Nationaltrikot geschenkt bekommen, das er damals trug ...
Wie haben Sie die Weltmeisterschaften als Fan erlebt?
Das hat sich im Laufe der Zeit verändert. Ich erinnere mich noch, dass ich 2002 früh aufgestanden bin und an das bittere Spiel gegen Schweden. Als wir 2006 gegen Deutschland ausgeschieden sind, war ich in der Schule. Die letzten Auflagen habe ich gemeinsam mit Fussballerfreunden verfolgt. Bei der WM in Russland habe ich noch etwas mehr mitgelitten, weil ich Freunde im Kader hatte, zum Beispiel [Nicolás] Otamendi oder [Paulo] Dybala.
Ihr Name fiel auch irgendwann im Zusammenhang mit Russland. Kam bei Ihnen schon Begeisterung auf?
Nein. Wenn du auf diesem Niveau ankommst, weißt du, dass es sehr selten vorkommt, dass jemand berufen wird, der in der Qualifikation nicht dabei war. Das ist die absolute Ausnahme, und ich hatte noch nicht einmal mein Debüt gegeben. Außerdem wollte ich mir keine falschen Hoffnungen machen: Ich hatte schon von der Teilnahme an den Olympischen Spielen geträumt, und als es dann nicht geklappt hat, war ich sehr enttäuscht.
Wie haben Sie im September 2018 von Ihrer ersten Nominierung erfahren?
Der Sportdirektor von Udinese kannte Walter Samuel von der Roma und sagte mir, dass er mich anrufen würde. Ich dachte, er würde mir sagen, dass man mich beobachtete, aber als er dann bestätigte, dass ich auf der Liste stand, war das ein unglaubliches Gefühl. Trotzdem war es bei mir so, dass ich erst wirklich begriffen habe, was es bedeutet, den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft zu haben, als ich auf dem Platz die Hymne hörte. Da ist es mir wirklich bewusst geworden.
Sie haben sich auf und neben dem Platz schnell zu einem der Aushängeschilder der runderneuerten argentinischen Auswahl entwickelt. Wie sehen Sie das?
Ich weiß nicht, ob wir eine Runderneuerung repräsentieren, für mich sind wir ein Teil des gegenwärtigen Nationalteams. Nachdem du es geschafft hast, nominiert zu werden und zu spielen, kommt das Verantwortungsgefühl. Es ist kein Pappenstiel, 45 Millionen Argentinier zu repräsentieren, und glücklicherweise ist es uns bei der Copa América gut gelungen, auch wenn wir den Titel nicht gewinnen konnten. Wir haben im Halbfinale gegen Brasilien verloren, und die Fans haben uns trotzdem Anerkennung gezollt.
Ist es schwierig, damit umzugehen, dass Scaloni manchmal wegen seiner mangelnden Erfahrung in Frage gestellt wird?
Ihm fehlt vielleicht Erfahrung als Trainer, aber er kann auf 30 Jahre Erfahrung in der Kabine zurückblicken. Er versteht etwas von Teams, versteht sein Handwerk, hat zuvor die Junioren trainiert und eine WM gespielt ... Genau wie Samuel, Ayala und Aimar kennt er das Predio Ezeiza [Trainingszentrum des argentinischen Fussballverbands] besser als wir! Ich weiß nicht, wie viele mit derselben Entschlossenheit Änderungen herbeigeführt oder Spieler nominiert hätten, die nicht in den Topteams des Weltfussballs aktiv sind.
Bei der Copa América hatte es den Anschein, als hätte es auf mannschaftlicher Ebene 'klick' gemacht. Wie sehen Sie das?
Das Nationalteam ist die beste Mannschaft, in der ich je gespielt habe. Sie wurde vom Trainerstab aufgebaut, und dann wurden neue Spieler, Konzepte, Situationen aufgenommen ... Wichtig ist, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Niemand will auf das Titelblatt der Tageszeitungen. Der Einzige, der unantastbar ist, ist Leo [Messi]. Die anderen tun ihr Bestes, jeder mit seinen Mitteln.
Stimmt es, dass Sie der größte Spaßvogel im Team sind?
Das sagt man wohl. Aber manchmal habe ich eine Idee, und andere klinken sich gleich ein ... Tucu Pereyra, Leo Paredes ... Sogar Messi klinkt sich ein. Ich bin also nicht der Einzige! [lacht]
Messi hat sich sehr positiv über Sie geäußert. Inspiriert Sie das?
Also, ich bewundere ihn, aber wenn du Dinge mit ihm gemeinsam machst, ist er so offen, dass du ihn lieber nach den Kindern fragst als ihm zu erzählen, was dich inspiriert oder ihn daran zu erinnern, wie er dich im Spiel Valencia gegen Barcelona blamiert hat [lacht]. Und dann ist er unser Kapitän und sorgt dafür, dass du sogar mit ihm in den Krieg ziehen würdest, wenn er dich darum bittet.
Glauben Sie, dass das Team mit Blick auf die WM-Qualifikation durch die Pandemie ausgebremst wurde?
Ja, auf jeden Fall. Brasilien war ein Wendepunkt. Danach haben wir sieben Spiele bestritten und kein einziges mehr verloren. Für viele ist das zwar die erste WM-Qualifikation, aber das Thema war schon mehrfach nach den Spielen Gespräch, und uns ist bewusst, was da auf uns zukommt. Hoffentlich können wir im Oktober starten und die Hürde des ersten Spiels nehmen.
Drei persönliche Fragen ...
Vorlage oder Tor? "Diese zehn Sekunden, die vergehen, bevor der Ball wegen dir ins Netz einschlägt, sorgen schon für Glücksgefühle. Aber wenn ich wählen muss, ziehe ich die Vorlage vor. Sie ist befriedigender."
Die Vaterschaft. "Francesca ist jetzt fast zwei Jahre alt und hat mein Leben verändert. Das ist etwas ganz Großes, was dich als Mensch reifen lässt und auch als Spieler."
Seine Tätowierungen. "Viele haben eine Bedeutung: die Namen meiner Tochter, meiner Frau und meiner Mama, die Daten meines Großvaters, mein erstes Länderspiel, ich als Kind ... Ich glaube, ich werde damit aufhören, es sei denn, ich werde Weltmeister. Dann lasse ich mir den Pokal auf die Brust tätowieren!"