In Marokko fand ein Workshop des FIFA-Talentförderungsprogramms statt
Die enormen Anstrengungen des marokkanischen Fussballverbands in diesem Bereich sind beispielhaft
Für FRMF-Präsident Lekjaa sind drei Dinge wesentlich: Infrastruktur, Talent, Betreuung
Mit fünf Teilnahmen an der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™, der bevorstehenden sechsten Teilnahme in Katar 2022, mit Klubsx, die auf nationaler und internationaler Ebene glänzen, und mit Spielern, die im Laufe der Zeit immer wieder stark in der Verteidigung, kreativ im Mittelfeld und elegant im Angriff waren, wäre es eine Untertreibung zu behaupten, dass Marokko ein Land der Talente ist. In dem fussballbegeisterten nordafrikanischen Land hat die FIFA im Juni einen Workshop des FIFA-Talentförderprogramms (eng. Talent Development Scheme, TDS) abgehalten. Ins Leben gerufen hat dieses Programm im Februar 2020 kein Geringerer als Arsène Wenger, FIFA-Direktor für globale Fussballförderung. Mehr als 50 Entwicklungsexperten und regionale technische Berater waren im Complexe Mohamed VI zusammengekommen, um intensiv über Strategien zur Talentförderung zu diskutieren, bewährte Praktiken aus der ganzen Welt auszutauschen und Überzeugungsarbeit für die Unterstützung der FIFA-Mitgliedsverbände zu leisten. Ohnehin scheut der Königlich-Marokkanische Fussballverband (FRMF) im Bereich der Talentförderung traditionell keine Mühen, wie sein Präsident Fouzi Lekjaa in seiner Rede zur Eröffnung des Seminars stolz betonte. "Die Entwicklung des Fussballs in Marokko basiert auf drei Säulen, welche die logische Grundlage für die Entwicklung eines jeden Systems bilden: Infrastruktur, Talent und Betreuung", erklärte der marokkanische Spitzenfunktionär. "Meine Kollegen aus dem Verband und ich sind davon überzeugt, dass der Prozess ohne diese drei Säulen behindert und in seiner Entwicklung beeinträchtigt würde."
Die nationale und die regionale Elite
Der Verband lässt den Worten auch Taten folgen. Zunächst konzentrierte man sich – nicht nur auf nationaler Ebene – auf die Infrastruktur, wobei die Einweihung des Complexe Mohamed VI im Jahr 2019 ein Meilenstein war. Dessen Anlagen erstrecken sich über fast 30 Hektar und bieten modernste, den FIFA-Standards entsprechende Einrichtungen, die dieses Juwel des marokkanischen Fussballs zu einem der größten und leistungsfähigsten Sportkomplexe der Welt machen. Parallel dazu stärkten die marokkanischen Stellen aber auch die lokale Infrastruktur. "In allen zwölf Regionen Marokkos haben wir ein Team, das die regionale Entwicklung steuert. Das fängt bei der Talentsuche an, die über die Ausbildungszentren der Klubs laufen muss. Aus diesem Grund wurden enorme Anstrengungen unternommen, um die Vereine mit Nachwuchsleistungszentren auszustatten. Die regionalen Zentren sind dabei wie das nationale Zentrum, nur in Miniaturformat", führte Lekjaa weiter aus. "Die Elite aus den Regionen kommt im Idealfall in das Hochleistungszentrum, das über technische und medizinische Betreuung auf höchstem Niveau verfügen muss, um diesen Talenten, die erst vor wenigen Jahren im Breitenfussball entdeckt wurden, den letzten Schliff und Leistungsschub zu geben. Das ist unsere Vorstellung von einem Entwicklungszyklus, der mit der Sichtung im Massenfussball beginnt und über die Vereine zum regionalen Zentrum und zum nationalen Hochleistungszentrum führen soll."
Zweite Komponente: Talentsuche. Der Ausbau der Infrastruktur geht stets mit einer schulischen Komponente einher. So soll versucht werden, die Maschen noch enger zu knüpfen und kein potenzielles Talent zu verlieren. "Wir haben mit dem Bildungsministerium ein sogenanntes Sport-Étude-Programm gestartet, um im ganzen Königreich schulische Strukturen zu haben, in denen Jungen und Mädchen mit einem angepassten Programm in allen Schulstufen dauerhaft Fussball spielen können", so der Verbandspräsident. "Marokko hat eine junge Gesellschaft, und die marokkanische Jugend verfügt über viel Talent", ist Lekjaa überzeugt. Der Verbandspräsident ist darüber hinaus der Ansicht ist, dass auch die Umwelt und die klimatischen Bedingungen im Königreich ein großer Vorteil für die Ausübung des Fussballs sind. "Im Alter von zehn Jahren zeigt sich in der Regel erstmals das Potenzial. Bis zum Eintritt in einen Klub versuchen wir, den größtmöglichen fussballerischen Mehrwert zu schaffen, um das Niveau zu heben und eine anschließende Professionalisierung zu erreichen."
Ein leuchtendes Beispiel
Die Infrastruktur ist also da, die Talente auch. Alles, was nun noch fehlt, sind fähige Personen, die dieses Potenzial ausschöpfen können. "Die Entwicklung des Fussballs erfordert einen großen professionellen Rahmen", weiß Präsident Lekjaa. "Das ist der Aspekt, an dem wir gerade arbeiten. Wir bemühen uns sehr, unseren Rückstand aufholen und jedem die Möglichkeit geben, seine Fähigkeiten mit den von der Nationalen Technischen Direktion gesteuerten Schulungen auf Amateur- und Profiniveau zu verbessern."
All diese Faktoren machen Marokko zu einem Vorbild für das Talentförderprogramm. Das bestätigt auch Steven Martens, Technischer Direktor der FIFA. "Der marokkanische Verband ist sehr wichtig für die FIFA und für den Fussball in ganz Afrika. Nicht nur wegen seiner Einrichtungen, sondern auch wegen seiner Programme, der Vision des Präsidenten und der Qualität der Ausbildung", meint der belgische Trainer, der sich sicher ist, dass sich die Investitionen auszahlen werden. "Ich weiß, dass Sie sehr ungeduldig sind und große Ergebnisse erwarten. Die derzeit in Marokko geleistete Arbeit wird langfristig auch ganz sicher zu Erfolgen führen, vielleicht sogar schon jetzt zu mittelfristigen, denn Sie organisieren bereits den CAF Afrikanischen Nationen-Pokal der Frauen, Sie werden bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ dabei sein, und die Jugendmannschaften beginnen, gute Leistungen zu erzielen." Beeindruckt vom Empfang und der Infrastruktur konnten die Teilnehmer des Workshops unter idealen Bedingungen die Themen des Seminars behandeln. "Als am TDS-Projekt beteiligter Spezialist für Hochleistungssport gratuliere ich dem marokkanischen Verband zu dieser fantastischen Infrastruktur. Der Verband und der Präsident hatten die Vision, diese Infrastruktur aufzubauen, um junge Talente zu fördern", lobte etwa der ehemalige portugiesische Nationalstürmer Nuno Gomes, während der ehemalige französische Nationalverteidiger Mikaël Silvestre die Qualität des nationalen technischen Zentrums als "außergewöhnlich" einstufte. "Der Rasen ist in bestem Zustand, die Plätze sind top. Wir können unter sehr guten Bedingungen arbeiten." "Es ist eine große Ehre, dass die FIFA Marokko als Austragungsort für diesen Workshop ausgewählt hat", freute sich FRMF-Ausbildungsleiter Fathi Djamal. "Marokko wurde wegen der erstklassigen Infrastruktur in vielen Bereichen und der sehr guten logistischen Ressourcen ausgewählt. Außerdem genießt unser Land auf internationaler Ebene einen hervorragenden Ruf als Organisator. Darin war Marokko schon immer führend, eine Art Fussball-Labor, und das beweisen wir wieder einmal."
Eine Chance für jedes Talent
Es war der perfekte Rahmen für Martens und sein Team, um die Bedeutung des TDS und der Förderprogramme der FIFA zu erläutern. "Es ist ein Programm für alle, mit dem wir jedem Talent eine Chance bieten wollen", sagt er über das TDS. "In diesem Programm haben wir Berater, Experten, Trainer aus der ganzen Welt, ehemalige Spieler, ehemalige Trainer und ehemalige technische Direktoren. Wir sind hier, um eine neue Generation von Verantwortlichen und Führungskräften zu schulen und vorzubereiten. Bereits 154 Länder haben sich für das Programm angemeldet und es ist sehr wichtig, dass wir sie alle auf ihrem jeweiligen Niveau unterstützen können." Das TDS basiert dabei auf einer innovativen Studie über die Förderung von Talenten, die vor zwei Jahren gestartet wurde. Damit passt es perfekt zur Vision von FIFA-Präsident Gianni Infantino, den Fussball wirklich global zu machen. So kann sich jeder Verband anhand der Ergebnisse dieser Studie in der zweiten Phase auf einen bestimmten Aspekt seines Förderbedarfs konzentrieren. "Unter den CAF-Mitgliedsverbänden gibt es zum Beispiel die Idee, Fussball in der Schule noch stärker zu fördern", sagt Martens.
"Das ist eine sehr gute Idee, aber auch eine große Herausforderung. Denn dies erfordert, dass alle Verbände und alle Länder über ihre Schulen einen regelmäßigen Wettbewerb organisieren, der vielleicht zu Phasen mit internationalen Spielen führt. Aber das Wichtigste ist die Tätigkeit vor Ort, wo sich alle Jugendlichen treffen und regelmäßig spielen können.
Mit diesem Programm haben wir angefangen, jedem Talent eine Chance zu geben, denn wir sind der Auffassung, dass dies im Interesse aller Verbände sein dürfte", fügt er hinzu. "Jeder Verband will doch, dass es bei seiner Nationalmannschaft wie am Schnürchen läuft. Aber Fussball zu fördern, das ist eben viel mehr als nur der Weg an die Weltspitze. Man muss die Spieler auch beim Fussball halten, sie durch den Fussball begeistern." In Marokko jedenfalls, so viel ist sicher, ist ein ganzes Land vom Fussball begeistert.