Montag 17 Juli 2023, 03:30

Aisha Falode verschiebt Grenzen in Nigeria

Mercy Akide, Perpetua Nkwocha, Asisat Oshoala: Diese Namen haben im nigerianischen Frauenfussball Legendenstatus. Mit ihren Dribblings, ihren Pässen und ihren Toren haben sie Nigeria zu einer festen Größe in der Fussballwelt gemacht. So gesehen kann Aisha Falode da nicht mithalten. Sie war nie eine Super Falcon, nie eine talentierte Spielerin. Dennoch ist das, was sie dem nigerianischen Fussball und dem afrikanischen Sport im Allgemeinen an Ideen, Philosophie und Inspiration gegeben hat, nicht minder bedeutsam.

Denn neben ihrer beachtlichen Karriere als Journalistin, in der sie unter anderem über mehrere FIFA-Weltmeisterschaften berichtete, hat sich die derzeitige Präsidentin der Nigeria Women Football League auch als eine der eifrigsten Verfechterinnen von Frauenrechten in Afrika einen Namen gemacht. Falode war also geradezu prädestiniert für eine Teilnahme am vierten Programm zur Beförderung von Frauen auf Führungsposten im Fussball im März in Lausanne.

Women's Football Leadership Programme Lausanne 2023

"Das Programm hatte einen großen Einfluss auf mich – wegen der Dinge, die ich dort gelernt habe, wegen der Aktivitäten und Begegnungen, die ich dort hatte, und wegen der Ideen, die dort geteilt wurden", erklärt Falode im Gespräch mit FIFA.com. "Das war sowohl spannend als auch aufschlussreich. In kürzester Zeit wurden viele Themen erörtert. Aber so kurz die Zeit auch gewesen sein mag, sie war wertvoll im Hinblick auf die Erfahrungen und das Wissen, das jede von uns mit in ihre Heimatländer nehmen konnte."  Das Seminar wird jährlich veranstaltet und bietet eine Lernplattform für Fussballmanagerinnen, die ihre Ausbildung vervollkommnen, ihr Wissen erweitern und ein kohärentes Netzwerk aufbauen möchten, um die Eingliederung von Frauen in die Welt des Fussballs zu fördern. Die Teilnehmerinnen werden von ihren jeweiligen Mitgliedsverbänden ernannt, kommen aus allen sechs Konföderationen und bekleiden verschiedene Führungspositionen wie Generalsekretärin, Mitglied des Exekutivkomitees, Direktorin oder Präsidentin, wie Aisha Falode eine ist.

Aisha Falode (Nigeria)

"Ich habe sehr viele Erkenntnisse aus diesem Seminar mitgenommen", sagt die Chefin von Nigerias NWFL Premiership. "Es hat mich nicht nur daran erinnert, dass jedes Teammitglied etwas zur Gesamtentwicklung einer Gruppe beitragen kann, sondern auch daran, wie wichtig es ist, zuzuhören. Jeder hat seinen eigenen Charakter; es ist die Summe und Kombination aller Individualität, die die gemeinsame Arbeit leichter und produktiver macht. Und nur wenn man seinen eigenen Beitrag leistet, fühlt man sich auch wertgeschätzt. Es genügt, mitzumachen!" Die 36 in Lausanne versammelten Frauen jedenfalls haben nach Kräften "mitgemacht". Während des intensiven Seminars haben sie sich ausgetauscht, miteinander gesprochen und konstruktiv und engagiert debattiert. "Der Inhalt des Kurses als solches ließ uns gar keine andere Wahl, und das war gut so", befindet die Nigerianerin. "Wir haben eine gemeinschaftliche Aufgabe zu erfüllen, da muss sich eine auf die andere verlassen können. Wir müssen uns vernetzen, Informationen austauschen und Vertrauen aufbauen. Wir haben Lausanne mit dem Gefühl verlassen, uns schon zehn Jahre zu kennen."

Women's Football Leadership Programme Lausanne 2023

Frau der Herausforderungen

"Wir alle haben einen anderen Blick auf unterschiedlichste Themen. Das liegt bisweilen an unterschiedlichen Wahrnehmungen. Aber es gibt immer auch Raum für Verständigung, Raum zum Dazulernen, Raum für neue Erkenntnisse", so Falode. "Es ist wichtig, aus der Kraft anderer schöpfen zu können. Und es ist sehr beruhigend zu wissen, dass man auf die Unterstützung einer Gruppe von Frauen zählen kann, die mit denselben Herausforderungen zu kämpfen hat."

Herausforderungen sind das Stichwort, unter dem die Karriere von Aisha Falode steht. In einem Land, in dem die Gleichberechtigung von Frauen deutlich hinter der in anderen Ländern liegt, musste sie einen wahren Hindernislauf absolvieren. "Als Frau musste ich doppelt so viel arbeiten, um die Hälfte dessen zu verdienen, was ein Mann bekommen hätte", sagt Falode etwa. "Daran hat sich im Grunde genommen auch bis heute nichts geändert, und leider musste ich im Zuge des Programms auch feststellen, dass ich damit nicht allein bin."

Aisha Falode (Nigeria)

Der Kampf für Gleichberechtigung ist nicht neu und trotz einzelner Erfolge gibt es noch viel zu tun. Unter anderem deshalb gibt es das Programm zur Beförderung von Frauen auf Führungspositionen im Fussball. "Wir dürfen nicht nachlassen", fordert Aisah Falode. "Die Hartnäckigkeit, die ich mit Blick auf meine Karriere an den Tag legen musste, ist vermutlich das, worauf ich am stolzesten bin. Man muss sich behaupten und richtig gut sein in dem, was man tut. Ich bin überzeugt, dass es in der heutigen Geschäftswelt ohne Frauen in Führungspositionen nicht mehr geht. Begrüßenswerterweise ist die Fussballwelt die Erste, die das erkannt hat."

Dafür ist Falode selbst das beste Beispiel. Seit sie 2017 zur Präsidentin der NWFL Premiership gewählt wurde, hat sie es hervorragend verstanden, den hohen Standard und die Wettbewerbsfähigkeit dieser 1990 gegründeten Liga, die auf dem Kontinent als Vorbild gilt, aufrechtzuerhalten. Wenn Nigeria heute in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste der Frauen so gut dasteht wie seit 20 Jahren nicht mehr, liegt das auch am verbesserten Niveau seiner nationalen Liga, in der immer noch ein Großteil der Nationalspielerinnen aktiv ist. Klubs wie River Angels, der ehemalige Verein von Asisat Oshoala, die heute ein Star beim FC Barcelona ist, oder Bayelsa Queens, der Drittplatzierte der CAF Women's Champions League 2022, sind in Nigeria regelrechte Institutionen.

"Nigeria ist in Afrika ein Vorreiter des Frauenfussballs. Es hat lange gedauert, bis andere Länder erkannt haben, dass es in diesem Sport ein echtes Potenzial für Frauen gibt", bilanziert Falode wenige Wochen vor dem Anpfiff der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023™, bei der Nigeria dank seines riesigen Potenzials an Talenten glänzen soll. "Aber auch unsere eigene Liga hatte lange Zeit keine professionellen Strukturen. Aber wir waren uns immerhin bewusst, dass wir einen riesigen Pool an potenziell fussballinteressierten Mädchen in Nigeria haben. Also haben wir eine Strategie erarbeitet, wie wir all diesen Mädchen das Fussballspielen ermöglichen können. Das war mein größtes Anliegen.

Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber wir haben viele Fortschritte gemacht und ich freue mich darüber. Fussball ist für unsere Mädchen zugänglicher geworden."

Women's Football Leadership Programme Lausanne 2023