Die technische Studiengruppe der FIFA (TSG) hat heute in Mailand im Rahmen der ersten FIFA-Fussballkonferenz zur Analyse einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ ihren Bericht zur Endrunde 2019 in Frankreich präsentiert. Der vollständige Bericht ist hier zu finden.
Der 105-seitige TSG-Bericht belegt das hochstehende technische, taktische und physische Niveau, das der Frauenfussball mittlerweile erreicht hat. Einige wichtige Erkenntnisse der TSG im Überblick:
Beobachtungen zum Turnier
Gutes Timing: 27 Tore wurde per Kopf erzielt (vier mehr als bei der WM 2015 in Kanada), 15 davon aus dem Spiel heraus. Die Spielerinnen wussten die Aussenbahnen gut zu nutzen und schlugen präzise Flanken ins Zentrum, wo die Angreiferinnen per Kopf häufig zu guten Chancen kamen.
Erstklassige Torhüterinnen: 70 % aller Schüsse wehrten die Torfrauen ab, was einer Steigerung von fünf Prozentpunkten gegenüber 2015 entspricht. Ebenfalls zu verbessern vermochten sie sich bei den Strafstößen, von denen sie 28 % – zehn Prozentpunkte mehr als 2015 – parieren konnten. Dass sie fast jeden vierten Schuss abwehren konnten, zeugt von großer Klasse, obwohl sie wegen der zusätzlichen Kontrolle durch die Video-Schiedsrichterassistenten noch genauer darauf achten mussten, sich nicht zu früh von der Torlinie wegzubewegen.
Spielaufbau von hinten: Nur 9 % der Pässe waren lange Zuspiele, also weniger als bei den letzten beiden WM-Endrunden. Dies zeigt, dass die Teams vermehrt geduldig und mit kurzen Zuspielen aufbauen, statt mit langen Bällen direkt in die Spitze zu agieren.
Rückeroberung des Balls: 61 % aller Ballrückeroberungen erfolgten innerhalb von sieben Sekunden. Die Französinnen gewannen den Ball im Durchschnitt bereits fast 50 Meter vor dem eigenen Tor zurück, gefolgt von den US-Amerikanerinnen mit 48 Metern.
Offensives Umschalten: Eine erstklassige Ballannahme und ein genauer erster Pass waren beim Umschalten in die Offensive entscheidend. So konnten direkt aus dem Pressing heraus Angriffe eingeleitet werden.
Herausragende Spielerinnen
Gemäß TSG-Bericht besaßen die Spielerinnen bei einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ noch nie so viel Talent und individuelle Klasse wie bei der Endrunde 2019. Zu nennen sind insbesondere folgende Spielerinnen:
Lucy Bronze (England, Gewinnerin des Silbernen Balls von adidas), Jill Scott (England), Ellen White (England, Gewinnerin des Bronzenen Schuhs von adidas), Julie Ertz (USA), Megan Rapinoe (USA, Gewinnerin des Goldenen Balls und des Goldenen Schuhs von adidas), Rose Lavelle (USA, Gewinnerin des Bronzenen Balls von adidas), Crystal Dunn (USA), Sari van Veenendaal (Niederlande, Gewinnerin des Goldenen Handschuhs von adidas), Vivianne Miedema (Niederlande) und Sofia Jakobsson (Schweden).
Der Bericht beinhaltet auch exklusive taktische Aufnahmen, ausführliche Teamporträts und detaillierte Leistungsstatistiken. So weist Kanada mit 79 % etwa die höchste Erfolgsquote bei den Pässen auf, während der Durchschnitt bei 74 % – drei Prozentpunkte mehr als 2015 – liegt.
"Dies war die flüssigste Frauen-Weltmeisterschaft aller Zeiten, da die Spielerinnen das Spiel hervorragend lesen und sich mit und ohne Ball richtig positionieren konnten. Das ist nicht zuletzt der Arbeit der Trainer in der Vorbereitung zu verdanken. Ebenfalls entscheidend waren die zunehmende Anzahl Freundschaftsspiele, die U-20- und U-17-Wettbewerbe, die bessere Analyse seitens der Trainer und der Einsatz von Technologie, dank dem die Trainer den Spielerinnen heute sofort detailliertes Feedback geben können", sagte TSG-Leiterin April Heinrichs.
Der TSG unter der Leitung der FIFA-Abteilung für Trainer- und Spielerförderung, angeführt von Branimir Ujević, gehörten folgende Expertinnen an:
April Heinrichs (Leiterin, USA)
Sun Wen (VR China)
Nadine Kessler (Deutschland)
Élisabeth Loisel (Frankreich)
Clémentine Touré (Elfenbeinküste)
Unterstützt wurden die TSG-Experten von Patricia González (stv. FIFA-TSG-Projektleiterin), Pascal Zuberbühler (FIFA-Torhüterexperte), Prisca Steinegger (FIFA-TSG-Koordinatorin und ehemalige Spielführerin des Schweizer Frauennationalteams) und Chris Loxston (Leistungs- und Spielanalyst der FIFA).
"Der TSG-Bericht verdeutlicht, dass sich der Frauenfussball spielerisch in jeder Hinsicht weiterentwickelt hat. Aus technischer, taktischer, physischer und mentaler Sicht war Frankreich 2019 die beste Frauen-Weltmeisterschaft aller Zeiten. Neben den zehn von uns genannten Spielerinnen der Halbfinalisten belegen noch viele weitere Spielerinnen anderer Teams wie Giulia Gwinn, Sam Kerr, Amandine Henry, Caroline Hansen und Christiane Endler diese umfassende Entwicklung", betonte Branimir Ujević.
Die technischen Berichte früherer FIFA Frauen-Weltmeisterschaften™ sind hier zu finden.