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Mittwoch 13 Juni 2018, 09:44

Fünf Erfolgsrezepte von Tite

  • In nur zwei Jahren hat Tite Brasilien revolutioniert

  • Die Seleçao ist als einer der Titelfavoriten nach Russland gereist

  • Wir analysieren den "Tite-Effekt"

Giancarlo Giampietro, Teamreporter Brasilien

Als der ehemalige Nationaltrainer Dunga 2016 entlassen wurde, belegte die Seleção in der WM-Qualifikation den sechsten Platz und wäre damit nicht auf der Weltbühne vertreten gewesen. Erschwerend kam hinzu, dass man zwei schwache Auftritte bei der Copa América hinter sich hatte. Darüber hinaus lag über all dem noch der Schatten der bitteren Niederlage gegen Deutschland bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2014™ in Brasilien.

Wenn man sich nun die Ergebnisse und Leistungen des Teams anschaut, das in Sotschi gelandet ist, scheinen diese Turbulenzen in weite Ferne gerückt zu sein. Dungas Nachfolger Tite hat selbst die eigenen Erwartungen übertroffen. Es ist ihm gelungen, den fünfmaligen Weltmeister schnell wieder in die Spur zu bringen. Mittlerweile hat die Seleção sogar ihren Status als Titelanwärter der Weltmeisterschaft zurückgewonnen. Wie hat der Trainer das geschafft? Steckt etwa Magie dahinter? Nicht wirklich. Nachfolgend die Hintergründe:

1. Offener Umgang mit den Spielern

Die Nationalspieler loben immer wieder die gute Kommunikation und Offenheit von Tite. Der Nationaltrainer übernimmt durchaus das Kommando, allerdings im Dialog mit den Spielern. Darüber hinaus verfügt er über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Privilegien gibt es nicht: Jeder kann vor den anderen kritisiert werden. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, das angeschlagene und unter Druck stehende Team in seinen Bann zu ziehen und ihm neues Selbstvertrauen einzuhauchen.

2. Direkter und enger Kontakt 

Der Cheftrainer und sein großer Stab waren immer unterwegs. Sie traten zahlreiche Reisen nach Europa an, um sich Trainingseinheiten und Spiele anzusehen und – mindestens ebenso wichtig – Gespräche zu führen. Darüber hinaus wurde reichlich Datenvolumen für Online-Gespräche verbraucht.

Mit anderen Worten: Obwohl Tite seine Zelte in Rio aufgeschlagen hat, war er stets nah am Geschehen und immer erreichbar. Der stetige Kontakt ermöglichte es den Spielern zum Ausdruck zu bringen, in welcher Funktion sie sich am wohlsten fühlten. Gleichzeitig unterhielt Tite sich mit ihren Trainern auf Vereinsebene und sammelte Ideen.

3. Gemeinschaftsgefühl

Reden ist eine Sache, die Umsetzung eine andere. Das gilt insbesondere, wenn die Zeit knapp ist und eine Krise droht. Doch Tite ist es gelungen, die Seleção wirkungsvoll zusammenzuschweißen.

Natürlich nutzt das Team auch weiterhin das große Talent seiner Stars. Wer würde das nicht tun? Doch es ist nicht mehr gänzlich von guten Einzelleistungen abhängig, wie die Ergebnisse der Freundschaftsspiele gegen Russland (3:0) und Deutschland (1:0), bei denen Neymar fehlte, eindrucksvoll belegen. Wenn Brasilien nicht in Ballbesitz ist, setzt das Team seine Gegner enorm unter Druck. Doch die Brasilianer wissen auch, wann es erforderlich ist, hinten abzuriegeln. Die Offensivakteure bringen sich in der Vorwärts- wie in der Rückwärtsbewegung ein. Alle Rädchen greifen ineinander und der Motor läuft wie geschmiert.

4. Die richtige Wahl

In seiner ersten Partie als brasilianischer Nationaltrainer setzte Tite den Olympiasieger Gabriel Jesus in der Startelf ein. Mit 19 Jahren gab er damals im WM-Qualifikationsspiel gegen Ecuador in Quito sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Tites Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen. Der Nachwuchsspieler erzielte zwei Tore, und Brasilien gewann die Partie mit 3:0. Damit begann die beeindruckende Aufholjagd. Ebenso installierte Tite Casemiro im Mittelfeld, und er war fortan nicht mehr von seiner Position zu verdrängen.

Doch der Trainer bewies nicht nur bei der Auswahl des Nachwuchses ein gutes Händchen. Er holte gleichzeitig renommierte Akteure wie Marcelo und Thiago Silva zurück ins Team, zwei Spieler, die sein Vorgänger kaum berücksichtigt hatte. Insbesondere Marcelo spielt mit seiner Ballgewandtheit, seinen Dribbelkünsten und seinen schnellen Vorstößen eine fundamentale Rolle beim

5. Aufbau einer Stammformation

Als Tite seinen endgültigen WM-Kader bekannt gab, griff er den unvermeidlichen Fragen bereits vor. Er war der Erste, der einräumte, dass es bei der Nominierung einer Nationalmannschaft nie Einigkeit gäbe.

Mutig wählte er bereits frühzeitig einen gewissen Spielerstamm aus, mit dem er kontinuierlich arbeitete. Das mag vielleicht die vernünftigste Lösung gewesen sein, da ihm nur noch die Hälfte des Vierjahreszyklus blieb, um die Seleção für Russland 2018 vorzubereiten. Die Zahlen untermauern dies.

Statistik 15 der 23 Spieler des WM-Kaders standen bereits auf der ersten Kaderliste der Amtszeit Tites. Das sind 65 Prozent.