Montag 29 Juni 2015, 08:33

Altidore: "Mir liegt der Fussball im Blut"

U.S.-Nationalstürmer Jozy Altidore vom FC Toronto traf sich mit FIFA.com zu einem Gespräch über seinen frühen Karrierestart im Profifussball, seine Liebe zur Leidenschaft im türkischen Fussball und seine Abneigung gegen Niederlagen. Kurz vor Beginn des CONCACAF Gold Cup 2015 sprach der dynamische Stürmer des Titelverteidigers über seine bisherige Karriere und seine Erwartungen für die Zukunft.

FIFA.com: Sie waren erst 16, als Sie Ihre Profikarriere begonnen haben. Waren Sie mental überhaupt schon dafür bereit? Jozy Altidore: Ich habe sogar unterschrieben, als ich erst 15 war, aber gespielt habe ich erst ein Jahr später. Das war in vielerlei Hinsicht eine schwere Zeit für mich, insbesondere in den Staaten, wo damals nicht viele Spieler so jung den Schritt zum Profi geschafft haben. Es war durchaus eine Herausforderung, aber ich bereue nichts. Ich habe die Zeit genossen und sie hat mir geholfen, der Spieler zu werden, der ich heute bin.

Sie haben bestimmt eine Menge von dem Spaß verpasst, den Ihre Schulkameraden hatten… Ja, das stimmt. Man verpasst die Tanzveranstaltungen auf der High School und noch ein paar andere Sachen, aber zumindest war ich bei meinem Abschlussball. Das habe ich wenigstens geschafft. Man ist einfach in vielen Dingen nicht wie die anderen. Aber mir liegt der Fussball eben im Blut, das war schon immer so. Das gehört in meiner Familie einfach dazu. Die Liebe zum Fussball gab es schon immer. Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft und ich empfand die Opfer gar nicht als so große Sache. Ich habe jeden Moment genossen und würde rückblickend nichts anders machen.

Sie haben schon in vielen verschiedenen Ländern gespielt – Spanien, England, Türkei, Niederlande, Kanada… Wo ist Ihnen die Anpassung am schwersten gefallen? In der Türkei. Dort war ich sechs Monate. Ich wusste überhaupt nicht, was mich erwartete und ich brauchte eine gewisse Zeit, um mich einzuleben. Die Fans sind extrem fanatisch und unglaublich leidenschaftlich, was die Teams und die Spieler angeht. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Am Ende habe ich es einfach geliebt. Es war eine sehr gute Erfahrung für mich, die ich vielen jungen Spielern empfehlen würde.

Und in welchem Land fiel Ihnen die Anpassung am leichtesten? In den Niederlanden. Ich war bei AZ Alkmaar und hatte einen Sportdirektor, mit dem ich mich bestens verstand. Ich spielte mit Spielern, die die gleiche Spielweise wie ich mochten. Das ist ein entscheidender Faktor für einen Spieler – in einem Umfeld zu spielen, wo man sich wohlfühlt. Dort habe ich mich vom ersten Tag an wohlgefühlt und die Anpassung fiel mir leicht.

Sie haben bei der FIFA U-20-Weltmeisterschaft 2007 in Kanada gespielt. Was hat dieses Turnier für Sie bedeutet? Die U-20-WM ist ein fantastisches Turnier. Man spielt gegen die Stars der Zukunft. Für mich war es eine großartige Erfahrung. Ich erinnere mich noch, dass wir gegen Uruguay spielten und in deren Team standen einige Spieler, die heute im Weltfussball ganz vorn stehen.

Jetzt sind Sie zurück in Kanada beim FC Toronto. Was für ein Gefühl ist es, nach einer so langen Zeit wieder in der MLS zu spielen? Ich bin begeistert, wieder hier zu sein. Hier habe ich ja schon sehr lange nicht mehr gespielt, seitdem ich noch sehr jung war. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich für diese ganz andere Herausforderung bereit bin, und ich kann mich immer noch steigern. Für mich ist es eine große Sache, mich dieser Herausforderung zu stellen Genau an diesem Punkt bin ich jetzt.

Sie sind auf Twitter ziemlich aktiv. Wie ist es dazu gekommen? Ich erinnere mich eigentlich nicht daran. Ich bin schon so lange auf Twitter, dass ich mich wirklich nicht erinnere, wann ich damit angefangen habe. Ich finde, es ist ein gutes Medium, um mit den Fans in Kontakt zu treten und eigene Ansichten auszudrücken. Ich denke, die Fans mögen es, wenn sie sehen, dass jemand ganz normal ist und sie mit ihm reden können.

Antworten Sie manchmal auf Tweets von Fans? Nur manchmal. Ich bin eigentlich ein ziemlicher Witzbold. Ich kann mich zu positiven ebenso wie zu negativen Dingen äußern und will, dass die Fans erkennen, dass ich kein Problem damit habe, direkt mit ihnen zu reden.

Sie leben nach dem Motto "Die Familie geht über alles". Was können Sie uns dazu sagen? So bin ich eben. Das ist ein Teil meiner Erziehung. Ich stehe meiner Familie sehr nahe. Sie alle waren immer für mich da. Sie waren in den schweren Zeiten für mich da und auch in den guten, und auch sonst immer. Für mich gibt es niemanden, der meiner Familie gleich käme.

Kürzlich haben Sie getwittert: ‘Ich hasse Niederlagen.’ Was hassen Sie sonst noch? Verlieren mag ich nicht. Kein Sportler will am Ende nur Zweitbester sein. Aber um ehrlich zu sein gibt es nicht viele Dinge, die ich hasse. Dafür liebe ich viele Dinge. Ich bin eher ein Liebhaber. Ich versuche, nie hitzig zu werden und konzentriere meinen Hass nur auf das Verlieren.

Aber irgendwann verliert doch jeder einmal die Kontrolle… Ich bin auch nur ein Mensch und habe meine schlechten Tage, wie jeder andere auch. Ich bin nicht immer in bester Laune, aber ich versuche, mir die richtige Perspektive zu bewahren. Das Leben ist zu kurz, um sich mit den negativen Dingen abzugeben.

Sie sagen, Sie sind ein Liebhaber. Was lieben Sie ganz besonders? Ich liebe den Fussball. Ich liebe meine Familie. Ich liebe Sport. Ich liebe es, unter positiven Menschen zu sein. Ich will meine Zeit nicht mit Leuten verschwenden, die immer nur das Negative sehen oder sich ständig beschweren.

Was sagen Sie zur aktuellen Situation in der U.S.-Nationalmannschaft? Seit der WM in Brasilien gibt es viele gute Entwicklungen. Schauen Sie mal die Entwicklungskurve des Fussballs in den letzten zwölf, 15 Jahren an. Es ist unglaublich, was wir erreicht haben. Wir entwickeln uns konstant weiter und werden immer besser. Unser Spiel verbessert sich stetig. Das Beste kommt erst noch. Vor uns liegen aufregende Zeiten in der Qualifikation für Russland. Wir werden wieder ein starkes Team haben und hoffentlich noch mehr Leute überraschen können.

Die CONCACAF-Teams werden durch die Bank immer stärker. Das haben wir auch in Brasilien wieder gesehen… Die Region ist anspruchsvoll wie nie zuvor. Ich habe mich sehr gefreut, dass die anderen CONCACAF-Teams in Brasilien so stark waren. Costa Rica ist sehr weit gekommen, Mexiko ist sowieso immer stark, und auch wir waren gut. Das zeigt der ganzen Welt, dass es für uns keineswegs so leicht ist, uns zu qualifizieren. Es ist nicht leicht, in Costa Rica oder sonstwo gute Resultate zu holen. Der Konkurrenzdruck hier ist enorm. Und das ist gut, denn es macht alle besser.

Sie gehen bestimmt davon aus, dass sich die USA für Russland 2018 qualifizieren werden? Ich möchte natürlich gern, dass wir uns für Russland qualifizieren. Aber es gibt keinerlei Garantien. Wir müssen noch bei all den schweren Gegnern antreten und dort unsere Leistung bringen, um uns zu qualifizieren. Natürlich wäre es eine Riesenenttäuschung, wenn wir die Qualifikation nicht schaffen würden.

Was bringt Jürgen Klinsmann als Trainer des U.S.-Teams ein? Jürgen hat seit seinem Amtsantritt dafür gesorgt, dass bei uns ein anderes Denken herrscht. Er hat Herausforderungen für uns geschaffen, die es zuvor so noch nicht gab. Das halte ich für sehr wichtig. Wenn man sich entwickeln oder verbessern will, ganz egal in welchem Lebensbereich, dann muss man die Bequemlichkeit hinter sich lassen. Klinsmann stellt uns immer wieder auf den Prüfstand. Und meistens reagiert das Team sehr gut darauf.

Sie sind schon lange dabei, aber Sie sind erst 25. Welche Ziele haben Sie für die Zukunft? Ich habe das Gefühl, dass meine besten Tage noch vor mir liegen. Ich habe ein Spielverständnis entwickelt, dass mir früher noch fehlte. Ich freue mich auf die kommenden fünf, sechs Jahre. Ich werde von Spiel zu Spiel besser und will erleben, wo das hinführt.