Am Dienstag, 4. Mai, wird der Spanier Kike Boned 43 Jahre alt
Er ist 2000 und 2004 Futsal-Weltmeister geworden und hat Geschichte geschrieben
Erinnerungen und ein Ausblick auf die nächste WM
Im Hallenfussball gibt es nur wenige Stimmen, die mehr Gewicht haben als die von Kike Boned. Der zweimalige Weltmeister (2000 und 2004) und Vizeweltmeister der beiden folgenden Auflagen hat seine Spielerkarriere bereits vor sieben Jahren beendet und wird in der spanischen Nationalmannschaft noch immer schmerzlich vermisst.
Am Tag seines 43. Geburtstags spricht FIFA.com mit ihm über seine Erfolge auf dem Parkett, die aktuelle Situation des Futsal und seine Erwartungen an die FIFA Futsal-Weltmeisterschaft Litauen 2021™.
Sie werden heute 43 Jahre alt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihre Erfolge zurückdenken?
Ich bin stolz und fühle mich privilegiert, weil ich mit meinen Klubs und dem Nationalteam in einer wunderbaren Sportart unvergessliche Momente erleben durfte, die weit über Siege und Niederlagen hinausgingen. Wenn du deine Karriere beendest, wird dir bewusst, wie viel Glück du hattest und dass es nichts gibt, was mit deinen Erlebnissen als Spieler vergleichbar wäre.
Würden Sie rückblickend in ihrer 20-jährigen Karriere etwas anders machen?
Diese Frage stellt sich jeder. Ich habe schon oft darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich über nichts beklagen kann, was ich erlebt habe. Ich hatte ein absolut erfülltes Sportlerleben, das in jeder Hinsicht zufriedenstellend und bereichernd war. Sicher hätte ich einiges besser machen oder andere Entscheidungen treffen können, aber es wäre nicht fair, etwas ändern zu wollen, weil ich wirklich unvergessliche Erlebnisse hatte.
Was war der schönste Moment Ihrer Karriere?
Schwer zu sagen ... Wenn man älter wird, misst man dem sportlichen Aspekt weniger Bedeutung bei und legt mehr Wert auf den Rest, auf die wirklich wichtigen Dinge. Wenn ich nach dem schlimmsten Moment gefragt werde, denken alle an die Niederlage im Neunmeterschießen im WM-Finale [Brasilien 2008] oder bei einer Europameisterschaft. Aber das stimmt nicht. Der schlimmste Moment war ein Busunfall des Teams im Jahr 2005, bei dem ich nicht mit an Bord war. Du wachst morgens auf, hast schon 200 verpasste Anrufe und weißt nicht, was los ist ... Diese Dinge sind wichtiger als das Sportliche.
Vor Kurzem habe ich mich mit Vinicius unterhalten und wir waren uns einig, dass wir vor allem die menschliche Erfahrung sehr schätzen, unabhängig vom Ergebnis. Wir haben uns ein Foto angeschaut, auf dem wir beide vor dem WM-Finale in Thailand zu sehen sind, das er gewonnen hat und wir leider nicht. Es war fantastisch, diesen Moment erleben zu dürfen, dabei zu sein, zu den Auserwählten zu gehören, die dieses Finale bestritten haben. Es ist schwierig, nach 20 Jahren Karriere einen bestimmten Moment auszuwählen. Das würde der Sache nicht gerecht werden.
Aber bei der WM 2000, bei der Spanien zum ersten Mal Weltmeister wurde und noch dazu gegen Brasilien gewinnen konnte, gab es schon einen besonderen Moment, oder?
Das Turnier war der Wendepunkt für den Hallenfussball in Spanien und hat die Karriere und das Leben von allen geprägt, die dabei waren. Es hat die Futsalgeschichte in Spanien und der ganzen Welt verändert. Wir haben gezeigt, dass Brasilien nicht unbesiegbar ist, dass es eine Gruppe von "Verrückten" gibt, die glauben, die Brasilianer besiegen zu können, und dann ist es auch noch im Finale passiert.
Das war damals wirklich unglaublich, und wir feiern es heute, mehr als 20 Jahre später, immer noch. Wir sind wirklich privilegiert. Das war eines der wichtigsten Spiele meiner Karriere, wenn nicht das wichtigste überhaupt, wegen des Symbolcharakters. Dabei habe ich gar nicht gespielt. Ich war noch ein Kind, der Jüngste im Team, aber ich fühle mich trotzdem privilegiert, weil ich das vor so vielen Zuschauern erleben durfte.
Und dann waren diese "Verrückten" 2004 gleich noch einmal erfolgreich ...
Ja, unter ganz anderen Bedingungen. Der Futsal hatte sich gewandelt. Wir haben Nutzen daraus gezogen, dass Brasilien die Niederlage von 2000 weiterhin als Ausrutscher betrachtete, und das Konzept der mannschaftlichen Geschlossenheit auf die Spitze getrieben. Wir wussten, dass wir auf individueller Ebene weit unterlegen waren, aber wir haben einen unglaublichen Teamgeist und Siegeshunger gezeigt.
Es stimmt auch, dass nichts mit dem ersten Mal mithalten kann. Wir haben diese historische Titelverteidigung wirklich genossen, aber für die fünf Spieler, die schon bei der vorherigen WM dabei gewesen waren, war das Gefühl ein anderes, auch wenn wir uns natürlich der Bedeutung dieses Erfolgs bewusst waren.
Würden Sie sagen, dass die Verhältnisse jetzt ausgeglichener sind und dass es allgemein mehr um den Teamgeist und weniger um brillante Einzelspieler geht?
Es gibt jetzt mehr Instrumente und mehr Kollektivsituationen. Es gibt große Fortschritte bei Aspekten wie der körperlichen Fitness, der Taktik und der Vorbereitung. Es ist viel schwieriger, entscheidende Akzente zu setzen. Zwar gibt es nach wie vor Abstände zwischen den Teams, und die guten Spieler sind immer noch sehr gut, aber es ist alles viel ausgeglichener. Bei einer WM oder Europameisterschaft ist es schwer, einen klaren Favoriten auszumachen. Früher nannten alle nur einen Namen.
Hat sich diese Angleichung auch auf Spanien ausgewirkt, das sich auf europäischer Ebene immer schwerer damit tut, seine Spiele zu gewinnen?
Zum Teil schon. Wenn deine Gegner schwächer sind, hast du bessere Chancen, zu gewinnen, das ist unbestreitbar. Gleichzeitig kommt es aber für die Mitstreiter auch darauf an, welchem Team sie gegenüberstehen. Spanien gehörte in den letzten Jahren zu den Teams, die den Takt vorgegeben haben, aber dann musste man sich bei der WM 2016 im Viertelfinale gegen Russland geschlagen geben und unterlag bei der Europameisterschaft 2018 gegen Portugal. Das zwingt dich, besser zu werden und dir etwas abzuverlangen. Du kannst dich nicht mit dem Erreichten zufriedengeben. Die Fortschritte der Gegner sind der Antrieb für eigenen Fortschritte.
Wir sind durch Brasilien so gut geworden. Die Brasilianer haben uns auf kollektiver Ebene alles abverlangt und alle Spieler, die nach Spanien gekommen sind, haben uns besser gemacht. Ich glaube auch, dass die Brasilianer gezwungen waren, dieser Dynamik zu folgen, weil wir sie an ihre Grenzen gebracht haben. Ihre Niederlagen sind zum Teil auf die Fehleinschätzung des Gegners zurückzuführen. Ihnen war damals nicht bewusst, wie der Gegner gestrickt war, dem sie da gegenüberstanden.
Bei der WM 2000 haben wir gezeigt, dass Brasilien nicht unbesiegbar ist, dass es eine Gruppe von "Verrückten" gibt, die glauben, die Brasilianer besiegen zu können, und dann ist es auch noch im Finale passiert.
Was lernt man bei einer WM?
Du lernst, Dinge wertzuschätzen. Ich hatte das Glück, vier Weltmeisterschaften zu spielen, und das ist ein enormes Privileg. Im WM-Alltag wird dir bewusst, welche Rolle die Gruppe spielt, das Einfühlungsvermögen innerhalb einer Gruppe. Das ist wirklich wichtig. Du lernst, das Kollektiv über das persönliche Befinden zu stellen und erfährst, dass kleinste Details entscheidend sein können.
Wie werden Sie die WM in Litauen verfolgen?
Ich genieße das jetzt auf andere Weise und wünsche mir, dass Spanien sich den dritten Stern holt. Das wäre gut für alle. Der Sieg würde der Sportart auf nationaler Ebene Auftrieb geben, so war es auch bei unserem WM-Sieg im Jahr 2000 oder bei Argentiniens Titelgewinn bei der letzten Auflage. Ich werde das ganze aus der Distanz verfolgen, mit dem Nationalteam leiden und versuchen, das Ganze zu genießen. Es hat mich überrascht, wie wenig ich gelitten habe, als ich selbst noch dabei war, und wie sehr ich als Außenstehender leide.
Was erwarten Sie von Spanien?
Spanien hat immer Chancen. Wir haben eine junge Spielergeneration mit einer guten Zukunftsperspektive. Die Verhältnisse sind immer ausgeglichener, und die Palette der Titelanwärter wird immer größer. Aber Spanien gehört nach wie vor dazu. Das Niveau der Primera RFEF Futsal in Spanien sinkt nicht, und das verschafft dem Team bei einer WM einen Vorteil gegenüber anderen Teilnehmern.
Sie haben an vier WM-Auflagen teilgenommen. Inwiefern verändert die Ausrichtung des Weltturniers das Gastgeberland, in diesem Fall Litauen?
Bei den vier Weltmeisterschaften, an denen ich teilnehmen durfte, ist mir bewusst geworden, dass es für den eigentlichen Wettkampf bei einer WM unerheblich ist, in welchem Land sie stattfindet. Was wir 2000 in Guatemala erlebt haben, war völlig verrückt, Futsalfieber pur. In China war es ganz anders, und von Brasilien als Gastgeber wollen wir gar nicht erst reden ... Jetzt kommt der Hallenfussball nach Litauen, in eine kleines Land mit einer großen Tradition im Indoor-Sport. Daher hoffe ich, dass die WM dort Spuren hinterlassen wird und dass die Umstände es zulassen, dass diese Spuren nachhaltig sind. Das ganze Land und der Verband werden hinter dem Turnier stehen, und es wird ein Erfolg werden.
In Litauen im Fokus
Kike hat uns einige Namen und Teams genannt, die man bei der nächsten FIFA Futsal-WM unbedingt im Auge behalten sollte.
Pito: "Ich würde eine Eintrittskarte für ein Spiel der Brasilianer kaufen, nur um ihn zu sehen. Natürlich sind da auch noch Ferrão, Gadeia und viele andere gute Spieler, aber Pito hat einfach alles, was ein Futsalspieler braucht. Er ist ehrlich in Bezug auf seinen Sport und sein Team, geradlinig in seinem Verhalten, sein Können und seine individuelle Technik sind unbestreitbar, und es macht einfach Spaß, ihm zuzuschauen. Und dabei lächelt er immer. Wenn ich Litauer wäre und die Chance hätte, mir ein WM-Spiel anzuschauen, dann wäre Pito auf jeden Fall sehenswert."
Fernan: "Mit ihm verhält es sich ähnlich wie mit Pito. Ich bin sicher, dass er zum spanischen Kader gehören wird. Fernan ist 26 Jahre alt und in absoluter Hochform. Ich bin überzeugt, dass es sich bei der WM lohnen wird, sich seinen Auftritt anzuschauen."
Argentinien: "Argentinien wird sein starkes Kollektiv in die Waagschale werfen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die anderen Teams einen Fehler machen, wenn sie den Titelgewinn 2016 für einen Zufallstreffer halten. Diego Giustozzi hat dort ein Projekt angestoßen, und die harte Arbeit wird von Matias Lucuix fortgesetzt. Das wird sich in Litauen zeigen."
Russland: "Russland hat eine Reihe junger Spieler, die auf enorm hohem Niveau spielen und sich ihrer Stärke bewusst sind. Sie werden gute Erfolgschancen haben. Russland ist eine der vielen Mannschaften, die große Fortschritte machen, sehr stark sind und kämpfen werden."