Dienstag 03 Mai 2016, 12:11

Wie der Vater, so der Sohn...

Ein Familienname kann ein schweres Erbe sein. Der Stammbaum hat nicht selten Auswirkungen auf das Leben der jüngsten Sprösslinge, und es gab Zeiten, in denen er für immer ihren sozialen Status zementierte.

Heutzutage ist die Abstammung am ehesten mit einer Art Stempel zu vergleichen, der manchmal unauslöschlich ist - und nicht selten eine schwere Last. Manchen gelingt es, sich damit abzufinden, anderen nicht. Das Phänomen der Kinder von berühmten Eltern gibt es in allen Bereichen: In der Welt des Films, der Musik, des Journalismus, der Politik und natürlich auch des Sports.

Der Fussball scheint eine Welt zu sein, in der die Leidenschaft des Vaters besonders leicht zu der des Sohnes werden kann. Letztlich ist es schwer vorstellbar, nicht der Vaterfigur nacheifern zu wollen, wenn man ihn ins Stadion begleitet und dort erlebt, wie er regelmäßig von tausenden von Anhängern gefeiert wird.

Der öffentliche Druck durch die Medien kann entmutigend sein, wenn der Name ständig in Erinnerung gerufen wird. Irgendwann kommt ein Moment, da kann man nicht mehr.

Gefeiert wird in diesen Tagen der Nachwuchs von Dänemarks Torwartlegende Peter Schmeichel.Sohn Kasper sicherte sich mit Leicester City sensationell den Titel in der englischen Premier League und führte damit die erfolgreiche Familientradition auf der Insel fort. Im Trikot von Danish Dynamite kommt der Nachwuchs inzwischen auf 17 Länderspiele. Schon als Junge wollte Schmeichel junior immer Torhüter werden - was sonst? Es gibt ein altes Video, auf dem man ihn als kleinen blonden Jungen in Old Trafford, wo sein Vater acht Jahre bei Manchester United unter Vertrag (1991-99) stand, sieht, wie er vergeblich versucht, den Torschuss eines ebenfalls sehr jungen Alex Bruce - Sohn des früheren United-Spielführers Steve Bruce - zu halten.

Gleich im Doppelpack verpflichtete der niederländische Rekordmeister Ajax Amsterdam Anfang Mai 2016 Vater und Sohn Kluivert. Ex-StürmerstarPatrick Kluivert (39) übernimmt als Trainer Jong Ajax, die A-Jugend des Traditionsklubs. Dazu unterschrieb sein 16 Jahre alter Sohn Justin einen Zweijahresvertrag und wird zunächst in der B-Jugend zum Einsatz kommen. "Ich will besser werden als mein Vater. Patrick Kluivert muss der 'Vater von' werden", zeigt sich der Sprössling selbstbewusst. "Ich bin superstolz. Justin hat es sich selbst verdient. Es ist schön, dass er in meine Fußstapfen tritt", freut sich sein Vater.

Größere Probleme hatte da schon Iomar do Nascimento, besser bekannt als Mazinho, im Mai 2015, als seine beiden Söhne Thiago, spielt bei Bayern München, und sein mittlerer Sohn Rafinha (FC Barcelona) im Halbfinale der UEFA Champions League aufeinandertrafen. "Früher war immer die Rede von Thiago und Rafinha, den Söhnen von Mazinho…heute ist es umgekehrt. Ich bin der Vater von Thiago und Rafinha", meint der Ex-Spieler zu FIFA.com lachend, der 1994 in den USA mit Brasilien Weltmeister wurde. "So ist das Leben. Meine große Zeit ist vorbei, und jetzt ist es an ihnen, zu triumphieren. Ich bin unglaublich zufrieden und stolz. Sie haben mich bei Weitem übertroffen."

"Wenn Sie das im normalen Leben betrachten, sind diejenigen, die denselben Beruf wie ihr Vater ergreifen, nicht in der Mehrzahl, bei weitem nicht. Der Fussball ist da keine Ausnahme. Ich würde sogar behaupten, dass es im Gegensatz zu Künstlern keinerlei Veranlagung dafür gibt", meinte einstAlain Giresse im Gespräch mitFIFA.com. Der ehemalige französische Nationalspieler ist der Vater vonThibault Giresse, 34 Jahre alt und seit fünfzehn Jahren Profi in der ersten und zweiten Liga Frankreichs. Für den Sohn des ehemaligen Fussballstars, der bei den FIFA Fussball-Weltmeisterschaften 1982 und 1986 Teil des "magischen Vierecks" der französischen Nationalmannschaft war, war der große Name des Vaters eine schwere Bürde. Dies gilt auch fürJordi Cruyff, der sich permanent den Vergleichen mit dem Idol des niederländischen Fussballs stellen muss.

"Der öffentliche Druck durch die Medien kann entmutigend sein, wenn der Name ständig in Erinnerung gerufen wird. Irgendwann kommt ein Moment, da kann man nicht mehr. Und bei Thibault war es dann natürlich so, dass er sich aufgrund seines Namens mit Situationen konfrontiert sah, die seine Kameraden nicht erleben mussten. Die Menschen behandelten ihn anders. Man war unter falschen Vorwänden nicht immer ehrlich zu ihm, weil er mein Sohn war. Ich bin sehr stolz auf ihn und darauf, wie er sich als Persönlichkeit entwickelt hat. Doch er hätte in seiner Karriere sogar noch mehr erreichen können, wenn sein Name nicht Giresse gewesen wäre", verrät uns der ehemalige Mittelfeldspieler.

"In gewisser Hinsicht war es ein Glück, dass ich niemals von ihm selbst trainiert wurde, denn bei mir ist er noch anspruchsvoller. Er hat immer gedacht, dass ich nicht das Niveau hätte, um in der ersten Liga zu spielen, und mir das immer wieder gesagt. Es ist nicht einfach, das ständig zu hören, wenn man jung ist", bemerkt Johan Gerets, Sohn des belgischen Fussballidols Eric Gerets. Und wenn der Vater eines Tages zum Trainer des Klubs wird, in dem der Sohn spielt, wie es beispielsweise bei den Gourcuffs bei Stade Rennes oder den Maldinis in der italienischen Nationalmannschaft der Fall war, gewinnt der väterliche Anspruch gegenüber der gebotenen Distanz eines Trainers bisweilen die Oberhand. "Der Vorwurf ist mir auf jeden Fall gemacht worden, dass ich zu hart zu ihm bin", gesteht Jean-Michel Cavalli, einst Trainer von Olympique Nîmes, wo er seinen Sohn Johan betreute.

"Das sagen auch diejenigen zu mir, die mit mir darüber reden", bestätigt Johan Cavalli. "Hinter meinem Rücken wird von manchen vielleicht etwas anderes gesagt, aber so ist der Mensch. Ich für meinen Teil bin von einer Sache überzeugt: wenn ich in Konkurrenz zu einem anderen Spieler stehe, von vergleichbarer Qualität, ist es der andere, der spielt." Für Paolo Maldini, Yoann Gourcuff oder Youri Djorkaeff hingegen erwies sich der Name des Vaters nicht als Hindernis. Doch in jeder Familie sind die Beziehungen zwischen den Mitgliedern unterschiedlich. Und bei manchen lässt die Lust darauf, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten, schnell wieder nach. "Ich sprach darüber mit meinen damaligen Kollegen in der französischen Mannschaft. Vielen ihrer Kinder hat das Beispiel des Vaters schon sehr früh die Lust auf den Fussball genommen. Zu schwer zu ertragen. Die vielen Dinge, die damit einhergehen, haben sie abgeschreckt", analysiert Giresse.

"Yoann ist bei allem, was er macht, stets empfänglich für Ratschläge. Für meine, aber nicht nur. Doch es ist er, und nur er, der die Entscheidungen trifft", versichert Christian Gourcuff mit Nachdruck. "Wir sprechen miteinander und ich habe immer versucht, ihn aufzuklären oder zu warnen, aber ich habe niemals die Rolle seiner Trainer eingenommen. Ich bin sein Vater und nicht sein Guru", beteuert Giresse. "Mein Vater schickte mir eine Nachricht auf mein Telefon, um mir zu gratulieren, als ich mein erstes Spiel in der ersten Liga machte - das war eine Ehre", sagt Johan Gerets zum Abschluss. Schließlich hat man nur einen Vater - Fussballer oder nicht.