Samstag 02 November 2024, 11:00

Vom Fussballplatz zur Freiwilligenarbeit

  • Miguel Lloyd und Junior Fajardo haben das Spielfeld für ihre ehrenamtliche Tätigkeit in Santiago de los Caballeros eingetauscht

  • Beide hoffen, dass diese Weltmeisterschaft zukünftige Generationen inspiriert

  • Fajardo: „Ich fand Fussball schon immer toll. Er gehört einfach zu meinem Leben und ist meine Leidenschaft“.

In der Dominikanischen Republik ist dieser Sport allerdings erst seit kurzem populär. Der renommierte Torwart Lloyd und der Schiedsrichter Fajardo geniessen in ihrem von Baseball geprägten Heimatland nicht nur die FIFA U-17-Frauen-WM, sondern zeigen ihre Liebe zum Spiel auch in Form von Freiwilligenarbeit.

Miguel Lloyd ist in dem karibischen Land sehr bekannt. Der Torhüter des Cibao FC, der auch für die Nationalmannschaft aufläuft, ist hochgewachsen, gestenreich und aufmerksam. Auf dem Spielfeld ist seine Rolle klar: Er muss das Spiel lesen, Tore verhindern und immer schneller reagieren als die anderen.

Als ehrenamtlicher Mitarbeiter ist Miguel dieses Mal jedoch abseits des Platzes gefragt, was ihm auch eine neue Perspektive bieten soll. „Ich finde es toll, dass wir eine WM in unserem Land veranstalten können. Das erfüllt mich mit Stolz“.

Miguel Lloyd, volunteer for the FIFA U-17 Women's World Cup Dominican Republic 2024

Als Miguel beschloss, als Freiwilliger tätig zu werden, wusste er, dass er seinen Platz auf dem Spielfeld für einen weitaus weniger glamourösen Job eintauschen müsste. „Als Spieler ist man immer auf das Match fokussiert, aber dahinter gibt es eine Menge Dinge, die man nicht sieht“, sagt er. Im Rahmen dieser globalen Veranstaltung ist Miguel nun für technologische und innovative Belange zuständig.

Er muss dafür sorgen, dass das Spiel in technischer Hinsicht reibungslos abläuft, seien es die Kameras, die Audiosignale des Schiedsrichters oder die Kommunikation zwischen den Ersatzbänken und dem Spielfeld.

„Ich bin ab elf Uhr morgens da und prüfe, ob alles in Ordnung ist“, erklärt er. Hier muss er ohne Adrenalin und jubelnde Fans auskommen. Stattdessen gibt es viel Hingabe und den Wunsch zu lernen. „Ich beschäftige mich gerne mit allem, was zu einem Fussballspiel dazugehört, und lerne neue Leute kennen. Es gibt hier viele Menschen aus anderen Ländern, die mich genauso gut behandeln wie ich sie. Dabei kann ich eine Menge mitnehmen.“

FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft 2024™

Volunteers in Zahlen

Volunteers, die in den beiden Gastgeberstädten helfen: Santo Domingo und Santiago de los Caballeros.

Freiwillige mit dominikanischer Staatsangehörigkeit. Der Rest sind Ausländer.

Alter des ältesten Freiwilligen.

Die Anzahl der von den 188 Volunteers in Santo Domingo übernommenen Aufgaben.

Die Anzahl der Rollen, die von den 156 Volunteers in Santiago de los Caballeros gespielt wurden.

Ehrenamtlicher Dienst als Rehabilitation

Dann ist da noch Junior Fajardo. Er ist Schiedsrichter und Inhaber einer kleinen Autopolsterwerkstatt. Erst vor einem Monat erlitt er aber einen Schlaganfall. Allen Widrigkeiten zum Trotz ist er jetzt als Freiwilliger in Santiago de los Caballeros tätig.

„An jenem Tag stand ich morgens um neun Uhr auf und sagte meiner Frau zum Abschied: ‚Schatz, ich gehe jetzt zur Arbeit‘“, erzählt er und hält inne, während er das Wechselbad der Gefühle spürt, das die Erinnerung an diesen Tag hervorruft. „Gegen 22 Uhr wachte ich dann in der Klinik auf und wusste nicht, was passiert war.“

Juniors Frau erzählte ihm dann, woran er sich nicht mehr erinnern kann: „Sie sagte mir, dass ich nach der Verabschiedung von ihr einen epileptischen Anfall bekam. Nachdem sie den Notruf gewählt hatte, kamen die Sanitäter und brachten mich ins Krankenhaus.“

Einen Monat nach der Diagnose, die ihn zur Ruhe zwang und ihn in seiner Bewegung einschränkte, entschied sich Junior, als Freiwilliger zu arbeiten. Das fand seine Familie jedoch nicht ganz so toll. Aber er bestand darauf und erklärte dem Arzt, dass er eine ruhige Aufgabe haben würde. „Ich erzählte ihm, welche Tätigkeiten ich ehrenamtlich übernehmen würde, und er sagte, das es kein Problem sei und sogar als Therapie für mein Gehirn dienen würde.“

„Ich konnte mich schon immer für Fussball begeistern. Er ist alles für mich und meine absolute Leidenschaft“, sagt Junior und erklärt, warum er sich schon sein Leben lang diesem Sport verschrieben hat. „Der Fussball hat mir so viel gegeben, dass ich beschlossen habe, etwas zurückzugeben, indem ich freiwillig bei dieser WM mitmache.“

Junior Fajardo, volunteer for the FIFA U-17 Women's World Cup Dominican Republic 2024

Für Miguel war dieses Engagement eine Frage der Ehre, denn er wusste, dass seine Arbeit bei dieser Veranstaltung ein Beitrag zu etwas Grösserem sein würde. „Ich geniesse es sehr. Eine Weltmeisterschaft in unserem Land zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Obwohl manche Leute es herunterspielen, weil es eine U-17-Frauen-WM ist, finde ich sie genauso wichtig wie eine Endrunde der A-Nationalmannschaften.“

Hoffnung auf neue Träume

Beide haben in diesem Turnier mehr als nur einen Ort gefunden, an dem sie sich ehrenamtlich engagieren können – es ist die Gelegenheit, einen Beitrag zu einer grösseren Sache zu leisten.

„Diese Weltmeisterschaft wird eine enorme Tragweite haben. Dadurch werden sich hoffentlich noch mehr Mädchen für unseren Sport interessieren und auch noch mehr Menschen hier in der Dominikanischen Republik mit Begeisterung zuschauen“, meint Miguel und blickt erwartungsvoll in die Zukunft, denn er hat schon viele Träume wahr werden sehen.“

Für Junior ist diese Erfahrung auch eine Möglichkeit, nach seinen gesundheitlichen Problemen wieder in Schwung zu kommen, denn trotz seiner körperlichen Einschränkungen geht es ihm mental nicht schlecht. „Ich war zunächst für die Akkreditierungen zuständig. Im Laufe des Turniers gab es dann nicht mehr so viel zu tun, sodass ich jetzt dort eingesetzt werde, wo sie am meisten Hilfe brauchen“, sagt er und lächelt.

Miguel und Junior haben bei der WM einen neuen Weg gefunden, dem Fussball etwas zurückzugeben. Sie erledigen das mit der gleichen ruhigen Hingabe, mit der ein Torwart seinen Kasten sauber hält oder ein Schiedsrichter eine Partie leitet. Denn der Fussball ist für sie viel mehr als nur ein Spiel – er ist ein Teil ihres Lebens.

Miguel Lloyd, volunteer for the FIFA U-17 Women's World Cup Dominican Republic 2024