Yuki Nagasato gewann 2011 die FIFA Frauen-WM mit Japan
Kürzlich unterschrieb sie beim Männerteam Hayabusa Eleven
"Ich will sehen, dass sich mehr japanische Spielerinnen für die Gesellschaft engagieren"
Das Durchbrechen von Barrieren liegt Yuki Nagasato im Blut.
Sie gehörte zu dem japanischen Team, das 2011 sensationell die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ gewann. Nagasato trug enorm zur Entwicklung des Frauenfussballs bei, nicht nur in Japan sondern auch durch ihre Gastspiele in Deutschland, England, den USA und Australien. Überall motivierte sie junge Spielerinnen, ihre Träume zu verfolgen.
Gerade als man meinen könnte, sie hätte alles gegeben, was man im Fussball geben kann, sorgte die 33-jährige Stürmerin kürzlich mit ihrem vielleicht bedeutendsten Karriereschritt weltweit erneut für Schlagzeilen. Am 10. September 2020 schrieb Nagasato Geschichte, als sie als erste Frau bei einem Klub in einer japanischen Profiliga für Männer unterschrieb, nämlich bei Hayabusa Eleven, auf Leihbasis von ihrem Stammklub Chicago Red Stars der National Women's Soccer League (NWSL).
Und als wäre das noch nicht genug, schnürt sie in ihrem neuen Team nun die Stiefel an der Seite ihres älteren Bruders Genki. FIFA.com sprach mit Yuki über diesen Wechsel, ihre Motivation und ihren Traum von einer weiteren Entwicklung des Frauenfussballs in Japan.
FIFA.com: Yuki, Ihr kürzlicher Wechsel nach Japan stieß auf großes Medieninteresse. Was ist für Sie der positivste Aspekt dieser Berichterstattung? Hatten Sie mit dieser globalen Aufmerksamkeit gerechnet?
Yuki Nagasato: Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass mein Wechsel zu einem Männerteam für so viele Schlagzeilen sorgen würde, doch ich sehe darin eine positive Botschaft für Mädchen und Frauen. Für mich ist es eine großartige Herausforderung, mit den Männern zu spielen. Aber für andere Frauen ist es sogar noch besser, denn sie sehen, dass es möglich ist.
Wie ist es für sie persönlich, an der Seite Ihres Bruders zu spielen?
Das fühlt sich für mich ganz normal an. Er ist ein normaler Teamkamerad. Allerdings ist es schon eine ganze Weile her, dass ich viel Zeit mit ihm verbracht habe, denn ich habe ja überall auf der Welt Fussball gespielt. Ich entdecke neue Seiten an ihm und lerne ihn besser kennen als zuvor.
Welche Motivation gab es für diesen Wechsel, außer der Notwendigkeit, fit zu bleiben und Spielpraxis zu bekommen?
Der Klub will den Aufstieg in die höchste Profiliga schaffen, die J.League. Es wird wahrscheinlich vier, fünf Jahre dauern, bis wir dort sein können, doch ich hoffe, dass ich auch dabei die erste Frau bin. Für den Moment kann ich dem Team jedenfalls helfen, das erforderliche Niveau zu erreichen.
Sie haben von Megan Rapinoes Einfluss auf Sie gesprochen. Was hat sie dem Frauenfussball und dem Fussball insgesamt gegeben?
Sie hat mich inspiriert, Gutes für die Gesellschaft zu tun. Sie hatte während der letzten WM einen enorm positiven Einfluss auf den Fussball. Ich habe seitdem darüber nachgedacht, was ich als Nächstes tun könnte. Ich will weiterhin Barrieren im Fussball und im Leben durchbrechen, um mehr Chancengleichheit zu schaffen, damit man zuerst auf das Können und das Talent schaut, statt auf Geschlecht, Rasse und so weiter.
Wie war Ihr erstes Spiel für Hayabusa?
Es war ein Gefühl, als wäre ich schon sehr lange bei diesem Team. Die Chemie auf dem Feld stimmt, insbesondere mit meinem Bruder. Wir haben sehr gute Kombinationen gezeigt. Nach diesem Trainingsspiel bin ich sehr zuversichtlich. Ich habe das Können und das Talent, um auf diesem Niveau zu spielen.
Welches Endziel haben Sie sich für Ihre Zeit bei Hayabusa gesetzt?
Ich will mich als Spielerin weiter entwickeln. Das ist eine sehr gute Herausforderung für mich, denn die Männer sind schneller. Daher muss ich mental besonders auf Draht sein und am Ball blitzschnelle Entscheidungen treffen. Ich kann mich mit schnellen Entscheidungen gegen Männer durchsetzen.
Ihre internationale Karriere war äußerst erfolgreich. Der Gewinn des Weltmeistertitels 2011 mit der Nadeshiko war sicher der absolute Höhepunkt. Was können Sie uns von diesem Turnier erzählen? Welcher Aspekt war für Sie der wichtigste?
Ich erinnere mich jedenfalls noch, dass die japanischen Medien kaum interessiert waren, über die Spiele zu berichten. Bis zum Viertelfinale zeigten die Medien kaum Interesse. Das war dann doch sehr interessant! Ich denke, niemand hat damit gerechnet, dass wir die WM gewinnen könnten. Wir als Team haben das auch nicht erwartet. Alles in allem ist das eine ganz besondere Erinnerung. Es war eine fantastische Erfahrung für mich und das Team.
Der Frauenfussball in Japan wächst und wächst. Japan zeigt bei den Frauen-Weltmeisterschaften im Nachwuchsbereich stets starke Leistungen. Sind Sie sehr stolz auf ihren großen Beitrag zur beeindruckenden Entwicklung des Frauenfussballs in Ihrem Land?
Wir setzen uns immer das Ziel, uns für die WM zu qualifizieren. Bei den Olympischen Spielen 2008 sind wir auf dem vierten Platz gelandet. Das hat uns viel Selbstvertrauen gegeben. Wir wussten dadurch, dass wir als Team noch mehr erreichen könnten. Also haben wir uns ein neues Ziel gesetzt, nämlich die nächste WM und die Olympischen Spiele zu gewinnen, die 2011 und 2012 auf dem Programm standen. Unser Trainer [Norio Sasaki] führte uns zu unseren Zielen. Er war sehr gut als Führungsfigur des Teams und mit ihm hatten wir die größten Erfolge.
Welche Entwicklungen möchten Sie im japanischen Frauenfussball erleben?
Im kommenden Jahr starten wir die Profiliga. Um den Frauenfussball voranzubringen muss diese Liga in den kommenden fünf bis zehn Jahren erfolgreich sein. Das Interesse am Frauenfussball hat in Japan etwas nachgelassen, weil wir mit dem Nationalteam schon lange keine Titel mehr gewonnen haben. Das Interesse der Medien ist aus dem gleichen Grund deutlich geringer geworden. Allerdings ist das Nationalteam sehr jung und braucht Zeit, um sich auf diesem Niveau zu entwickeln. Ich würde gern sehen, dass mehr Nationalspielerinnen nach Japan kommen und zum Erfolg der Liga beitragen und deren Niveau stärken. Das bräuchten wir. Wir müssen dafür sorgen, dass das spielerische Niveau in unserer Liga konkurrenzfähig ist und die Qualität sich mit der Zeit weiter entwickelt. Mit und gegen die besten Spielerinnen zu spielen, kann da nur gut sein.
Außerdem würde ich gern sehen, dass sich mehr japanische Spielerinnen zum Wohle der Gesellschaft engagieren. Ich würde gern erleben, dass sich die Spielerinnen mehr äußern und ihre Stimme für positive Veränderungen einsetzen. Viele zögern, sich zu äußern, weil sie oft nicht akzeptiert werden, wenn sie es tun. Ich erhebe meine Stimme und ich wünsche mir, dass andere es auch tun. Ich möchte eine kollektive Stimme entwickeln, damit die Leute spüren, dass sie von der Gemeinschaft unterstützt werden, wenn sie etwas sagen. Sie werden sich hoffentlich gestärkt und nicht entmutigt fühlen, auch wenn sie negative Rückmeldungen aus einigen Ecken bekommen.