Mittwoch 05 August 2020, 09:37

McCall Zerboni: Eine inspirierende und hartnäckige Führungsfigur

  • McCall Zerboni ist die älteste Spielerin, die je in der USWNT debütierte

  • Sie verpasste nur knapp die Nominierung für den WM-Kader der USA

  • Sie verließ North Carolina Courage, um den FC Sky Blue beim Neuaufbau zu stärken

Warum würde jemand das Team des Champions verlassen und stattdessen zu einem der schwächsten Teams der Liga wechseln wollen? Für McCall Zerboni ist die Antwort auf diese Frage völlig simpel: "Das ist genau das, was ich wollte. Was für ein langweiliges Leben, oder? Was für ein selbstzufriedenes, komfortables Leben… Ich wollte mich wieder unbehaglich fühlen, gedrängt und gestoßen werden, um mich selbst herauszufordern und gemeinsam mit einer neuen Gruppe zu wachsen."

Nachdem sie North Carolina Courage zu zwei Titeln in der National Women's Soccer League (NWSL) verholfen hatte, entschied sich Zerboni für einen Wechsel zum Team des FC Sky Blue, das sich seit 2013 nicht mehr für die NWSL-Playoffs qualifiziert hatte. Hier wollte sie eine zentrale Figur bei der Veränderung der Klubkultur werden.

Schon in den ersten Monaten schrieb sie mit ihrem neuen Team Geschichte. Beim NWSL Challenge Cup, dem ersten Teamsportwettbewerb in den USA seit Beginn der COVID-19-Pandemie, stürmte der FC Sky Blue bis ins Halbfinale – ein erstes Anzeichen dafür, wie enorm Zerbonis Einfluss ist.

Die Spiele in einer "Blase", mit strikten aber notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, ist aus mentaler und physischer Sicht alles andere als leicht.

"Die meiste Zeit, die für das Erreichen eines Erfolges benötigt wird, findet hinter verschlossenen Türen statt, wo niemand zusehen kann", so Zerboni gegenüber FIFA.com. "Niemand wird je erfahren, wie es in dieser "Blase" war. Es war sehr hart. Vieles war eingeschränkt. Viele unserer normalen und gewohnten Freiheiten waren uns genommen. Bei vielen Dingen gab es keinerlei Wahl. Wählen konnten wir nur, mit wem wir tagtäglich telefonieren wollten oder welchen Kaffee wir bestellen wollten. Tag für Tag sahen wir die gleichen Menschen, für einen ziemlich langen Zeitraum."

Einleitung eines Kulturwandels

Während des gesamten NWSL Challenge Cup durften die Spielerinnen das Hotel lediglich verlassen, um die Ausrüstung zu verladen und sich zu den Trainingseinheiten und den Spielen fahren zu lassen. Halbwegs erträglich war die Situation nur dank der Ausblicke auf die wunderschöne Bergwelt Utahs.

Immer wieder war Zerboni im TV und auf Fotos umringt von den Spielerinnen zu sehen, wie sie ihre Kameradinnen unmittelbar vor Spielbeginn noch ein letztes Mal motivierte. War es für sie als geborene Motivatorin während der globalen Pandemie schwieriger als sonst, ihre Teamkameradinnen mitzureißen?

"Auf jeden Fall. Es gab ohnehin schon eine ganze Menge Veränderungen in meiner Karriere und in meinem Leben. Sky Blue ist ein neues Team, ich steckte mitten im Umzug, alles um mich herum war neu, neu, neu. Ich musste so schnell wie möglich auf die Füße kommen, um die Führungsaufgaben übernehmen zu können, die ich auch sonst habe. Aber das wollte ich nie als Ausrede missbrauchen. Ich musste mich eben mit Vollgas an die Arbeit machen und Mittel und Wege finden, meine Stärken zum Wohle des Klubs einzubringen."

"Wir standen als Team aus dem besonders stark betroffenen Großraum New York/New Jersey vor den größten Herausforderungen, es gab sehr starke Einschränkungen und auch Angst. Das war für uns alle eine unbekannte Situation. Dass wir trotz all der Hindernisse geschafft haben, was wir geschafft haben, ist ziemlich beeindruckend. Daher gehe ich sehr gespannt in die nächste Saison."

"Wir haben uns in sehr verletzbaren, sensiblen, emotionalen und offenen Situationen erlebt. Das hilft dabei, zusammenzuwachsen und füreinander einzustehen."

Worin besteht die Einstellung eines Champions? "Trotze jedem Sturm. Zusammen im Regen tanzen, das ist die beste Weise, wie ich ein erfolgreiches Champions-Team beschreiben kann."

Einem Sturm trotzte Sky Blue im Halbfinale des Challenge Cup gegen die Chicago Red Stars. Eine halbe Stunde vor Schluss lag Sky Blue noch mit 0:3 zurück. Am Ende stand jedoch ein 2:3 auf der Anzeigetafel. Das Spiel ging zwar verloren, doch die Aufholjagd sagt viel darüber aus, in welche Richtung die Reise geht. "Ich bin eine sehr schlechte Verliererin. Ich versuche immer noch, darüber hinweg zu kommen (lacht). Doch ganz im Ernst, keine einzige Spielerin hat aufgegeben. Wir haben uns einfach nichts daraus gemacht. Wir glauben an das, was wir machen."

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Stets im Dienst des Teams

'Hartnäckigkeit' und 'Mumm' sind Wörter, die man in Bezug auf Zerboni immer wieder liest. Ihre Qualitäten als Motivatorin hat sie sich bei ihren erfolgreichen Klubs angeeignet. Doch das ist längst nicht alles. Zerboni ist weit mehr als nur eine Spielerin, die gut motivieren kann. Sie verfügt über eine gut ausgeprägte Fussball-Intelligenz und ein ebensolches taktisches Verständnis. Beste Voraussetzungen also, um eines Tages Trainerin zu werden.

"Ich glaube nicht, dass die Fans mich als brillante Fussballerin sehen. Ich denke, sie glauben ich wäre im Geiste eher einspurig, aber ich bin eigentlich sogar eine ziemlich große Denkerin. Die Zahnräder in meinem Kopf drehen sich unaufhörlich, auf und abseits des Spielfelds. Ich analysiere und denke unaufhörlich."

Eigentlich spielt Zerboni als defensive Mittelfeldspielerin. Doch beim Challenge Cup kam sie durchweg im offensiven Mittelfeld zum Einsatz. Für sie selbst war dies zwar ungewohnt, doch es war, was das Team brauchte.

"Ich mag es, die Fäden zu ziehen, Spielzüge aufzubauen und nichts anbrennen zu lassen. Ich weiß, dass mir Nachwuchsfussball definitiv keinen Spaß machen würde. Dazu bin ich eine viel zu intensive Profispielern (lacht). Ich möchte dem Frauenfussball gern etwas zurückgeben und beispielsweise als Assistentin arbeiten, mit einer Trainerin oder einem Trainer in der Liga, für die ich viel Respekt empfinde."

"Ich hatte in meiner Jugend wirklich viel Trubel und ein ziemlich ruppiges Familienleben. Dabei lernt man zwangsläufig, sich durchzusetzen, zu kämpfen und begreift, dass einem niemand die Hand reicht. Das hat mich ganz sicher geprägt. Meine Aufgaben und mein Spiel sehe ich so: Ich gehe da raus aufs Feld und kämpfe für dich. Ich habe keine Angst, in Zweikämpfe zu gehen, weil das Team das braucht. Diese Mentalität sitzt tief in mir drin. Ich bin ein sehr kämpferischer Mensch. Ich habe niemals Angst. Angst schränkt deine Leistungen auf dem Feld ein. Ich liebe es, etwas für andere zu geben. Ich liebe es, die Erfolge anderer zu sehen."

Ihr Selbstvertrauen stammt aus intensiver Vorbereitung und ihren bewusst getroffenen Entscheidungen. "An Spieltagen denke ich dann immer: 'Mehr hätte ich nicht tun können. Auf geht's, los! Ich will raus aufs Feld und spielen!"

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Dieser Artikel gehört zu unserer Serie 'Frauen im Fussball'. Darin zeigen wir einige Hauptfiguren des Frauenfussballs aus einem anderen Blickwinkel und blicken auch hinter die Kulissen. In der kommenden Woche beschäftigen wir uns mit der pakistanischen Nationalspielerin Abiha Haider.