Jessica Malone kündigte ihren Job und bereiste stattdessen die Welt, um Fussball zu sehen
Innerhalb von sechs Monaten sah sie 59 Spiele auf drei Kontinenten
Die Geologin aus Pennsylvania spricht über die besten Akteure und die mitreißendste Atmosphäre
Jessica Malone stand ohne Arbeit da – und auch ohne Wohnung.
"Ich habe im März meinen Job aufgegeben. Das war eigentlich nicht geplant", erzählt sie FIFA.com. "Ich habe als Geologin gearbeitet und war ständig in Hotels oder direkt vor Ort bei der Arbeit untergebracht. Eine eigene Wohnung hatte ich daher gar nicht."
Also begann die in Pennsylvania geborene Jessica, im Internet nach einer neuen Arbeit und einer Unterkunft zu suchen. Irgendwann stolperte sie dabei über einen Clip der jüngsten Glanzleistung von Lionel Messi, ein Hattrick bei Real Betis, mit einem perfekten Heber, der schließlich beim FIFA Puskás-Preis auf dem zweiten Platz landete.
"Ich dachte mir: 'Ich muss einfach Messi spielen sehen' ", so Jessica weiter. "Wenn ich es nicht jetzt nicht mache, dann bekomme ich nie wieder die Gelegenheit.
Dann kam der nächste Gedanke: 'Ich muss einfach mal ins San-Siro-Stadion.' Und dann hat es sich einfach Schritt für Schritt weiter entwickelt! Auf diese Weise musste ich dann keine Wohnung mehr suchen!"
Und so entwickelte sich eine mehr als 50.000 Kilometer lange Reise über zwölf Länder auf drei Kontinenten. In dieser Zeit besuchte Jessica 44 Stadien und sah 59 Spiele. Die Kosten brachte sie über ihr Urlaubsgeld und den Einsatz von Bonusmeilen auf. Zudem schlief sie so oft wie möglich in einfachen Hostels und ging allen Touristenaktivitäten und dem Nachtleben aus dem Weg.
"Ich hatte ohnehin schon geplant, im Juni zur Frauen-WM zu reisen. Das habe ich also einfach in meine lange Reise eingebunden", so Jessica. "Ich war in Spanien und in Italien. Dann ging es zum Finale der Champions League der Frauen nach Budapest.
Von dort reiste ich dann zur FIFA Frauen-WM 2019 nach Frankreich. Natürlich war ich begeistert, als die USA Weltmeister wurden, aber noch mehr beeindruckte mich die enorme Leistungssteigerung der anderen Teams.
Ich schaute mir einige Spiele in der MLS und der NWSL an, um die Zeit bis zum Beginn der Saison in Europa herumzubringen. Dann reiste ich nach Irland und Nordirland. Ich habe mir 14 Spiele in England angesehen, dann eins in Wales und dann drei in den Niederlanden."
"Weiter ging's nach Brasilien, Uruguay und Argentinien. Das Stadion ganz oben auf meiner Wunschliste war schon immer die Bombonera. Ehrlich gesagt hatte ich nie damit gerechnet, dort jemals hinzukommen – zu verrückt, zu einschüchternd für eine Frau wie mich, die zudem nicht einmal Spanisch spricht.
Das Erlebnis war besser als alles, was ich mir erträumt hatte. Die Farben wirken ungeheuer lebhaft und intensiv. Die Architektur ist einfach einzigartig. Und die Fans in Südamerika – und insbesondere in Argentinien – sind einfach eine Klasse für sich. Ich hatte ja schon in Europa so einiges an toller Atmosphäre erlebt. Aber dort unten ist das eine völlig andere Sache.
Die Brasilianer sind immer fröhlich und bei allen Spielen, die ich dort gesehen habe, war mindestens die Hälfte der Fans Frauen. Das macht die Atmosphäre besser. Aber die Leute zeigen ihre Leidenschaft ganz anders. Die Argentinier tragen sie definitiv auf der Zunge. Die Atmosphäre dort pulsiert regelrecht."
Es war Argentiniens umjubelter Sohn, der Jessica zu ihrer Reise bewog. Es war Norwegens schillerndste Tochter, die sie letztlich am stärksten beeindruckte.
"Messi zu sehen war fantastisch", sagt sie. "Ich war beim Halbfinal-Hinspiel der UEFA Champions League, in dem er dieses unglaubliche Freistoßtor gegen Liverpool erzielte.
Aber die beste Spielerin, die ich je live erlebt habe, war Ada Hegerberg, die ich im Finale der Champions League der Frauen gesehen habe. Sie erzielte innerhalb von nur 16 Minuten einen Hattrick. Ich war regelrecht emotional berührt, als ich sie spielen sah. Das war wohl das beeindruckendste Erlebnis der gesamten sechs Monate. Das hat mich selbst überrascht."
Für Jessica war es die Reise ihres Lebens – aber ihre erste Fussballreise war es nicht.
"1994 war ich noch ein bisschen zu jung, aber 1998 war ich voll im WM-Fieber. Ich war regelrecht besessen davon.
Ich stamme aus einem kleinen, ländlich geprägten Ort in Pennsylvania. Ich hatte das Land noch nie verlassen – meine Eltern übrigens auch nicht. Daher war es einfach überwältigend für mich, all diese Leute aus den verschiedensten Ländern zu sehen, die Trikots, die Fahnen, die angemalten Gesichter – einfach überwältigend.
Die USA sind zwar früh ausgeschieden, aber ich war ohnehin von der englischen Mannschaft begeistert. Ich war besessen von den Spice Girls und Sporty Spice war mein Liebling. Sie trug damals immer das englische WM-Trikot. Auch die Spieler fand ich besonders niedlich – Michael Owen, David Beckham, Sol Campbell.
Ich war total angespannt bei der Partie gegen Argentinien. Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich lachen, denn eigentlich hatte ich ja gar kein Eisen im Feuer. Aber es war einfach so, dass alle völlig aus dem Häuschen waren. Nach dem Elfmeterschießen war ich am Boden zerstört. Aber es war eine überwältigende WM – und ich habe meinen Hund Zizou genannt."
"Bei der FIFA Frauen-WM 1999 habe ich vier Spiele gesehen und den Weg der USA zum Titelgewinn verfolgt. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, das mich als Fussballfan geprägt hat. Meine Mutter musste mir versprechen, dass ich mir die Haare rot färben dürfte, so wie Kate Sobrero, wenn die USA Weltmeister würden. Diese Wette muss ich noch einlösen! (lacht)
Ich begann, regelmäßig zu den Spielen der USA zu gehen. Ich war auch bei der FIFA Fussball-WM 2018 in Russland und habe ein paar Reisen nach England und Deutschland gemacht – acht Spiele in zehn Tagen oder so. Der Fussball ist mittlerweile einfach ein riesiger Teil meiner Identität."