In Madagaskar wird barfuß am Strand Fussball gespielt
2019 zum ersten Mal für den Afrikanischen Nationen-Pokal qualifiziert
Der Fussballverband von Madagaskar hat große Veränderungen angestoßen
Madagaskar kommt im Zusammenhang mit Sport nur selten zur Sprache. Der Inselstaat befindet sich im Indischen Ozean vor der Ostküste Afrikas und hat bei Olympischen Spielen beispielsweise bei 14 Teilnahmen noch keine einzige Medaille gewonnen. Einzelne Sportler, wie Jean-Louis Ravelomanantsoa, der 1968 in Mexiko am Finale des 100-Meter-Laufs teilnahm, oder Joseph-Berlioz Randriamihaja, der im 110-Meter-Hürdenlauf dreimal in Folge bei den Olympischen Spielen dabei war (2000, 2004 und 2008) haben dem Land alle Ehre gemacht, jedoch auf der Weltbühne nie eine Medaille errungen.
Tatsächlich gibt es auf Madagaskar drei dominante Sportarten, und zwar Moringue, eine Art traditioneller Boxkampf, der dem Thaiboxen ähnelt, Pétanque, in dem die Madagassen Doppelweltmeister sind (1999 und 2016) sowie Fünfzehner-Rugby, bei dem das Nationalteam des Landes schon zweimal das Finale des Afrikapokals erreicht hat. Im Laufe der Zeit hat das ovale Spielgerät jedoch mehr und mehr dem runden Leder Platz gemacht. Zwar konnte sich die Fussball-Nationalmannschaft des Landes, nach den heimischen Buckelrindern auch Barea genannt, noch nie für eine FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ qualifizieren, doch letztes Jahr im Sommer nahm das Team zum ersten Mal am CAF Afrikanischen Nationen-Pokal teil.
Ein Verband im Wandel
Der madagassische Fussballverband (FMF) wurde 1961 gegründet und trat ein Jahr nach seiner Gründung der FIFA bei. Unter seinen Präsidenten ist vor allem Ahmad Ahmad zu erwähnen, der von 2003 bis 2017 im Amt war und im Anschluss Präsident der afrikanischen Fussballkonföderation CAF wurde. Das Amt beim madagassischen Verband hat bekleidet seither Raoul Romain Arizaka Rabekoto.
Obwohl die Insel 25 Millionen Einwohner hat, gibt es dort nur wenige Klubs und Lizenzspieler. Doch im Laufe der Zeit hat der Verband den Wandel eingeleitet. 2019 wurde eine neue Meisterschaft ins Leben gerufen. Lange Zeit wurde das Turnier in einem Rundenturniermodus mit einem Klub pro Region ausgetragen. Vier Teams rückten bis in die Endrunde vor und spielten den Landesmeister unter sich aus. Jetzt treten im gesamten Saisonverlauf 12 Klubs gegeneinander an. Das Team, das am Ende an der Tabellenspitze steht, wird zum Meister gekrönt und nimmt an der CAF Champions League teil.
Sand – die Quintessenz des madagassischen Fussballs
Zwar ist die Anzahl der Lizenzspieler auf der Insel nicht unbedingt hoch, doch laut einer kürzlich von Stileex durchgeführten Umfrage spielen 27 Prozent der Madagassen mindestens einmal pro Woche Fussball. Schließlich muss man nicht Mitglied des Verbands sein, um sich für Fussball zu begeistern.
Auf Madagaskar wird vor allem auf Sand oder festgestampfter Erde Fussball gespielt, und zwar meistens barfuß. Unabhängig von Alter und Geschlecht kommen Menschen auf Schulhöfen, am Strand oder in einem ausgetrockneten Flussbett zusammen und spielen. Manchmal gibt es noch nicht einmal einen Ball, sondern mehrere Tüten werden mit einem Stück Schnur umwickelt, um dem Ganzen eine möglichst runde Form zu geben. Wie auch immer gespielt wird, die Menschen geben alles für den runden Ball.
Da hier vor allem auf Sand gespielt wird, ist das Beach-Soccer-Team Madagaskars das erste, das die Früchte für den großen Einsatz ernten durfte. 2015 gewannen die Barea die Afrikameisterschaft im Beach Soccer nach einem Sieg gegen den zweifachen Titelträger und amtierenden Meister Senegal und qualifizierten sich damit für das erste FIFA-Turnier. Das war ein herausragender Erfolg für den Inselstaat.
Auf der Weltbühne wurde es dann komplizierter. Auf portugiesischem Sand musste Madagaskar in einer schweren Gruppe antreten, in der das starke Team Tahitis, Doppelweltmeister und Titelverteidiger Russland sowie Paraguay vertreten waren. Tahiti sollte wenige Tage später ins Finale einziehen. Mit sieben Toren und zwölf Gegentreffern bildeten die Madagassen schließlich das Schlusslicht der Gruppe, genossen das WM-Abenteuer aber trotzdem und freuten sich über eine unvergessliche Erfahrung. Vielleicht wurde dadurch ja auch eine Tür für das Elferfussballteam aufgestoßen, das durch die Erfolge der Landsleute ins Träumen geraten ist.
Neuer Höhenflug für die Barea
Auf dem grünen Rasen reihte sich nämlich für die Barea lange Zeit eine Enttäuschung an die nächste. Das Team konnte sich weder für eine Weltmeisterschaft noch für den Afrikanischen Nationen-Pokal oder die Olympischen Fussballturniere qualifizieren. Hinzu kamen durchwachsene Leistungen beim COSAFA Cup, einem vom Fussballverband des südlichen Afrikas organisierten Turnier, bei dem das Team dann 2015 schließlich die Bronzemedaille errang. Dazu muss gesagt werden, dass Madagaskar jahrelang nur gegen zwei Mannschaften angetreten ist, nämlich gegen Mauritius und die Insel Réunion in einem Turnier zwischen den drei französischsprachigen Teams aus dem Indischen Ozean.
Doch dann konnten die Barea innerhalb von fünf Jahren mehr Erfolge verbuchen als in ihrer gesamten Geschichte. Die Erfolgsphase begann mit dem oben erwähnten dritten Platz beim COSAFA Cup und setzte sich mit der historischen Qualifikation für den Afrikanischen Nationen-Pokal 2019 fort. Die Auswahl hat enorme Fortschritte gemacht und ist stärker als je zuvor. Zur Unterstützung der Routiniers Paulin Voavy, Faneva Andriatsima und Lalaina Nomenjanahary hat Nationaltrainer Nicolas Dupuis mehrere Spieler berufen, die in Frankreich geboren wurden. Unter anderem sind dies Romain Métanire, der in den Reihen von FC Metz und Stade Reims bereits Erfahrung in der französischen Ligue 1 gesammelt hat, Thomas Fontaine, ehemaliger Partner von Kalidou Koulibaly in der Innenverteidigung der französischen U-20-Auswahl, und vor allem Jérémy Morel, der mit Olympique Marseille und Olympique Lyon 24 Spiele der UEFA Champions League bestritten hat. Diese gezielten Verstärkungen haben dafür gesorgt, dass es für die Barea steil nach oben ging.
Beim Nationen-Pokal in Ägypten belegten die Madagassen in ihrer Gruppe den ersten Platz und setzten sich sogar mit 2:0 gegen die erfahrenen Nigerianer durch. Anschließend gelang den Barea im Achtelfinale gegen die DR Kongo mit Cédric Bakambu ein Sieg im Elfmeterschießen. Dann endete das Abenteuer abrupt im Viertelfinale gegen Tunesien (0:3), doch die wichtigsten Voraussetzungen sind geschaffen. Bei seiner ersten Teilnahme am Nationen-Pokal hat Madagaskar sämtliche Erwartungen übertroffen und ein ganzes Land in Wallung versetzt. Bei der Rückkehr des Teams in die madagassische Hauptstadt Antananarivo spielten sich Freudenszenen ab, die den Eindruck vermittelten, Madagaskar habe das Turnier gewonnen. Auf der Insel ist eine Leidenschaft erwacht, die sich selbst von den starken Strömungen des Indischen Ozeans nicht aufhalten lässt.
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie 'Das globale Spiel' über Fussball weit abseits des Rampenlichts. In der kommenden Woche geht unsere Reise nach Anguilla.