Auf den ersten Blick erscheint es fast so, als hätte Ralf Kellermann eine besondere Beziehung zu der Zahl Drei. 2013 gewann er mit dem VfL Wolfsburg das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und UEFA Women’s Champions League. Am Samstag konnte er mit den Wölfinnen nach 2013 und 2015 zum dritten Mal im Pokalwettbewerb triumphieren und sollte sein Team am Donnerstag im Finale der Königklasse gegen Olympique Lyon die Oberhand behalten, würde Kellermann zum ersten Trainer avancieren, der dreimal die Champions League gewinnt. Doch der Schein trügt.
"Das hat für mich überhaupt keine Bedeutung. Wenn es dann so kommt, dann freue ich mich über den dritten Titel genauso, wie über den ersten Titel", erklärt der FIFA-Trainer des Jahres 2014 im Frauenfussball im exklusiven FIFA.com-Interview. "Mir ist viel wichtiger, dass wir es bei der vierten Teilnahme zum dritten Mal ins Finale geschafft haben, nur einmal im Halbfinale gescheitert sind und immer wieder so weit kommen. Wenn ich überlege, dass der Deutsche Meister Bayern München die Liga in diesem Jahr dominiert hat und in der ersten Runde rausgeflogen ist... Man kann sich eben keinen schlechten Tag erlauben. Die Zahl drei hat keine Bedeutung, wenn wir es zum dritten Mal gewinnen, dann wollen wir es im nächsten Jahr zum vierten Mal gewinnen."
Die Wolfsburgerinnen gehen nach dem Erfolg im Pokal (2:1 gegen den SC Sand) mit einer großen Portion Selbstbewusstsein in die Partie gegen Lyon, auch wenn es für den Trainer des VfL nicht gerade ein Vorteil ist, dass die beiden Final-Begegnungen gerade einmal fünf Tage trennen.
"Es ist schon ein kleiner Nachteil", erklärt Kellermann. "Speziell für das Spiel gegen Lyon hätten wir als Trainerteam uns mit der Mannschaft lieber etwas länger vorbereitet. Man fokussiert sich auf das Finale am Samstag, am Sonntag ist Regeneration und man hat nur noch Montag und Dienstag, um sich taktisch auf den Gegner einzustellen. Eine normale Trainingswoche wäre sicher schöner. Aber da geht es wirklich nur um taktische Feinheiten, die man im Training umsetzen möchte und nicht um Belastung. Das sind wir gewohnt. Ein bisschen mehr Zeit wäre schon schön, aber die Alternative wäre gewesen, dass wir das DFB-Pokalfinale nicht erreichen. Dann ist es mir so deutlich lieber."
Lyon? Derzeit das Maß aller Dinge Der Gegner im Finale der Champions League ist kein Unbekannter. Bereits 2013 standen sich Lyon und Wolfsburg gegenüber. Damals sorgte Martina Müller mit ihrem Treffer in der 73. Minute für Jubelstürme auf der Trainerbank. "Seit 2013 hat sich die Mannschaft von Lyon ein bisschen verändert", analysiert der 47-Jährige. "Über die Stärken von Lyon zu sprechen, könnte den Rahmen etwas sprengen. Aus meiner Sicht ist Lyon als Vereinsmannschaft aktuell das Maß aller Dinge. Sie spielen technisch, taktisch und auch physisch auf einem so hohen Niveau. Sie sind absolut weltklasse besetzt und haben gegenüber uns den Vorteil, dass sie in dieser Besetzung, vielleicht mit ein, zwei Änderungen, länger zusammenspielen. Man sieht, dass alles automatisiert ist. Das ist absolut klasse. Außerdem haben sie mit dem 7:0 im Hinspiel gegen Paris noch mal Selbstvertrauen getankt."
Auf Torschützin Müller, die Ende der Saison 2014/2015 ihre Fussballschuhe an den Nagel hing, muss Kellermann im Finale ebenso verzichten, wie auf Nadine Keßler, die aufgrund von Knieproblemen ihre Karriere im Alter von 28 Jahren beendete.
"Wenn eine Spielerin in diesem Alter und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere mit der höchsten Auszeichnung, die man als Fussballerin bekommen kann, keine einzige Sekunde mehr Fussball spielen kann, dann ist das schon extrem bitter", so der Erfolgstrainer über die FIFA-Weltfussballerin des Jahres 2014.
"Eine Nadine in Topform fehlt jeder Mannschaft, das ist ganz klar. In den letzten zwei Jahren hat sie 30 Minuten gespielt, das war im September 2014. Wir mussten also zwei komplette Spielzeiten ohne sie auskommen. Von daher hat sich ein bisschen was verändert. Die Hierarchie in der Mannschaft hat sich verändert und andere sind in diese Rolle hineingewachsen. Dass eine einzelne Spielerin sie nicht eins zu eins ersetzen kann, war uns klar. Wir haben versucht es auf mehrere Schultern zu verteilen. Was das vorneweg gehen betrifft, haben das Nilla Fischer und Alexandra Popp mit übernommen", führt Kellermann weiter aus.
Andere Mentalitäten Auf der einen Seite verlor Wolfsburg zwar wichtige Stützen, auf der anderen Seite haben andere diese Lücken gefüllt und neue Spielerinnen sind verpflichtet worden. Dazu gehören auch die Schweizerin Lara Dickenmann und die Französin Élise Bussaglia, die beide zuvor für Finalgegner Lyon auf dem Platz standen. Eine Möglichkeit für den sympathischen Duisburger sich "Insider-Tipps" zu holen?
"Die beiden können natürlich viel mehr über das Innenleben und die Mentalität Auskunft geben. Wenn wir sagen: Sie waren 2013 nicht wirklich vorbereitet auf uns, dann heißt es: Ja, das stimmt. Sie haben sich nicht richtig mit Wolfsburg beschäftigt. Wenn ich sage: Ihr hattet ein Mentalitätsproblem, als ihr mit 0:0 in die Halbzeit gegangen seid, weil ihr so eine Situation aus der Liga einfach nicht kennt, dann sagen sie: Stimmt, das war wirklich so. Solche Geschichten sind interessant, es ist eine ganz andere Mentalität. Das macht schon Spaß, sich darüber auszutauschen", so Kellermann mit einem Schmunzeln.
"Wir bereiten uns als Trainerteam akribisch auf Lyon vor. Wir haben das Team mehrfach live im Stadion beobachtet, haben genug Videomaterial und wenn wir mit unserer Analyse fertig sind, dann kann man das mit den Beiden noch mal kurz abstimmen. Natürlich kann man noch mal über das eine oder andere sprechen, aber im Grunde genommen schaffen wir das schon allein."
Auf eines sollten Kellermann und seine Spielerinnen allerdings gefasst sein. Dieses Mal wird Lyon sicher besser auf seinen Gegner vorbereitet sein.