Schwedens Frauen-Nationaltrainer für The Best – FIFA-Welttrainer – Frauen nominiert
Auf dem Weg zu WM-Platz 3 wurde Deutschland und England besiegt
Gerhardsson erläutert vier Prinzipien seiner Philosophie
"Auszeichnungen für Trainer sind irgendwie eine merkwürdige Sache", findet Peter Gerhardsson. Der Mann, der Schweden bei der diesjährigen FIFA Frauen-Weltmeisterschaft aufs Treppchen geführt hat, ist eine von zehn Personen, die im Frauenfussball als The Best FIFA-Welttrainer nominiert sind. Wichtiger ist ihm persönlich jedoch, dass er als Nationaltrainer selbst stimmberechtigt ist.
"Ich frage mich immer: 'Wie soll ich das denn beurteilen?'", erklärt er. "Spielerinnen sieht man in Aktion und kann einschätzen, wie gut sie sind. Aber Trainer? Ich habe ihre Trainingsarbeit nicht beobachtet, sie nicht in der Kabine erlebt, nicht in Besprechungen, nicht ihre Ansprache an die Mannschaft. Ich sehe nur, was ihre Teams erreichen. Und ich weiß, ich bin dieses Mal nur nominiert, weil meine Mannschaft viel erreicht hat."
Damit hat der 59-jährige Gerhardsson natürlich durchaus Recht. Doch trotz seiner Erfolge wissen selbst Insider des Frauenfussballs nur wenig über seine Philosophie in Sachen Taktik, Motivation und andere Aspekte des Trainings. Um das zu ändern, hat FIFA.com den zurückhaltenden Skandinavier gebeten, vier Dinge zu benennen, die ihn nach eigener Einschätzung als Trainer ausmachen.
1: Ruhe
"Ich glaube nicht, dass man Menschen zu Höchstleistungen bringt, indem man sie anbrüllt. Oder würden Sie besser arbeiten, wenn Sie im Büro permanent jemand anblafft? Wieso sollte das also im Fussball funktionieren? Ich sehe meine Aufgabe als Trainer darin, ruhig und deutlich zu sein und dafür zu sorgen, dass die Spielerinnen verstehen, wie das Team als Ganzes besser auftritt. Spieler zusammenzustauchen, wie Alex Ferguson das nicht selten gemacht hat, mag früher, vor allem bei den Männern, noch gang und gäbe gewesen sein. Heute halte ich es für überholt. Wenn man so frustriert ist, dass man sich seinen Spielern oder Spielerinnen zur Halbzeit nicht mehr ruhig verständlich machen kann, würde ich der Kabine gleich ganz fernbleiben. Dann sollen es die Spieler oder Spielerinnen selbst regeln."
2: Flexibilität
"Mein Team soll natürlich ein taktisches Konzept haben, aber meiner Meinung nach muss man immer auch Raum für Kreativität lassen. Als Trainer muss man seinen Schützlingen auch vertrauen und ihnen die Freiheit lassen, kreativ zu sein und zu improvisieren. Ich mag Spielerinnen, die auf dem Platz eigenständige Entscheidungen treffen. Als aktiver Spieler habe ich am liebsten unter Trainern gespielt, die mir Verantwortung übertragen haben. Das macht es aus meiner Sicht auch interessanter – Spielerinnen oder Spieler zu haben, die sich an verschiedene Spielweisen anpassen können. Ich als Trainer schätze Flexibilität sehr. Es genügt nicht mehr, so zu spielen wie in Schweden früher: alle im 4‑4‑2 und alle mit derselben Spielweise. Struktur und taktisches Konzept sind wichtig, aber zu viel davon tötet die Kreativität."
3: Jeden als Individuum behandeln
"Zu den größten Herausforderungen für einen Nationaltrainer, insbesondere bei einer Weltmeisterschaft, gehört, dass man 23 Spielerinnen hat, alle spielen wollen, aber nur elf Plätze im Team. In Frankreich hatten wir zudem Glück mit Verletzungen. Entsprechend behutsam mussten wir sein und viel versuchen, damit alle zufrieden und motiviert blieben. Spielerinnen sind auch nur Menschen. Man muss mit ihnen reden und sie so behandeln, wie es ihren persönlichen Bedürfnissen entspricht. Wenn in Frankreich eine Spielerin mit mir oder einem anderen Mitglied des Trainerstabs sprechen wollte – zum Beispiel darüber, warum sie nicht die gewünschte Einsatzzeit bekam – waren wir immer zur Stelle und haben immer in aller Offenheit die Gründe erklärt."
4: Musik
"Ich bin ein riesiger Musikfan. Musik ist ein wichtiger Teil meines Lebens und meiner Arbeitsweise. Als Fussballtrainer erwarten Spielerinnen und Mitglieder des Trainerstabs ständig, dass man sie führt. Das kann schon mal in Stress ausarten. Ich muss also pfleglich mit mir umgehen. Und Musik hilft mir dabei. Musik macht mich kreativer. Ich arbeite besser, denke besser, habe bessere Einfälle fürs Training und die Spiele, wenn ich Musik höre. Das war schon in der Schule so. Meine Mutter hat das nie verstanden.
Vor den WM-Spielen habe ich mir sogar Musik aus dem Land unserer jeweiligen Gegner angehört. Zum Beispiel Neil Young für Kanada und Golden Earring für die Niederlande. Von denen war ich schon ein Fan. Für Deutschland habe ich mir Rammstein angehört, aber das war nicht so mein Fall. Passende Musik für Thailand zu finden, war dann aber erst so richtig schwierig! Aber es hat mir wie immer geholfen, klar zu denken, mich vorzubereiten, gute Laune zu haben und mich zu entspannen."