Freitag 01 Januar 2016, 08:08

Fofana: "Gut mit dem Fuß, aber schlecht im Fussball"

Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Entsprechend hätte Wesley Fofana auch Karriere im Fussball machen können oder sogar sollen. Im Pariser Umland als Sohn eines Fussballlehrers (und leidenschaftlichen Fussballfans) geboren, überrascht es nicht, dass Fofana seine ersten Schritte in dieser Sportart unternahm.

Doch was ist, wenn der Apfel zum Ei mutiert? Zu welchem Baumstamm springt er dann, wenn er, von Hand geworfen statt mit dem Fuß geschossen, auf dem Boden auftrifft? Mit 27 Jahren hat Wesley Fofana diese Frage für seine Person beantwortet. Er ist Innendreiviertel bei ASM Clermont Auvergne und in der französischen Rugby-Nationalmannschaft.

Sein heutiger Alltag spielt sich also zu fünfzehnt und zumeist mit den Händen ab. Dennoch brennt in ihm auch noch die Leidenschaft für das Spiel elf gegen elf mit dem runden Ball am Fuß. FIFA.com hat sich mit Fofana getroffen, um mit ihm über seine Vergangenheit als Fussballer, seine unbedingte Unterstützung für Paris Saint-Germain und seine Prognosen für den FIFA Ballon d'Or zu sprechen. Dort gehört sein Lieblingsspieler nämlich zu den Finalisten.

Wesley, ist der Ball in Ihren ersten sportlichen Erinnerungen und Träumen eigentlich rund oder oval?In meinen ersten Erinnerungen eindeutig rund! Da kommt mir sofort die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich in den Sinn. Ich war noch klein, aber doch schon groß genug, es zu verstehen. In meinen Träumen habe ich mich nicht als Rugbyspieler gesehen, das kam erst später. Ich wollte zuerst Fussballprofi werden.

Wenn man damit aufwächst, Fussball zu spielen, wie fühlt man sich dann beim ersten Tiefhalten im Rugby? Ach, wenn man jung ist, stellt man sich doch gar nicht so viele Fragen. Ich habe mich gleich wohl gefühlt. Deshalb habe ich weitergemacht. Vorher hatte ich mich zwei oder drei Jahre gegen meinen damaligen Sportlehrer in der Schule gesträubt, der wollte, dass ich es mal mit Rugby versuche. Als ich es dann schließlich mal ausprobiert habe, war ich aber gleich Feuer und Flamme. Im ersten Jahr habe ich parallel noch Fussball gespielt, aber es war schwierig, Training und Spiele in zwei Sportarten zu haben. Aber es war eben auch schwierig, sich für eine Sportart zu entscheiden. Auf der einen Seite hatte ich Kumpels im Rugby, auf der anderen Seite war da der Fussball, den ich immer ausgeübt hatte und zusammen mit meinem Vater noch immer verfolgte.

Wie hat denn Ihr Vater als leidenschaftlicher Fussballfan und Jugendtrainer in Paris Ihre Entscheidung aufgenommen?Am Anfang war er natürlich ein wenig enttäuscht. Er hat nicht verstanden, warum. Die Rugby-Regeln sind bis heute nicht sein Ding, auch wenn er schon große Fortschritte gemacht hat (lacht). Letztendlich hat er aber gesagt, er akzeptiert, was ich machen will, auch wenn es ihm ein Ball anstelle eines Eies lieber gewesen wäre.

Welche frühen Erinnerungen haben Sie an Erlebnisse als Fan im Stadion?Das geht weit zurück, da war ich noch ganz jung. Mein Vater hatte eine Dauerkarte für den Prinzenpark und ab und zu habe ich mir mit ihm Spiele von Paris Saint-Germain angesehen. Ich war noch zu klein, um mich an das Spiel und die Spieler zu erinnern oder überhaupt zu verstehen, was ich da sah. Aber ich erinnere mich an den Lärm, die Atmosphäre und dass ich mich gefragt habe, was ich eigentlich da zu suchen hatte. Ich bin bis heute Anhänger von PSG.

Dann haben Sie aktuell vermutlich sehr viel Freude an Ihrer Mannschaft.Ja, ich bin sehr glücklich, diese Mannschaft zu unterstützen und solch außergewöhnliche Spieler sehen zu können. Es ist toll, dass solche Spieler in die französische Liga kommen. Das tut der gesamten Ligue 1 gut und ist schön für alle Fans, die Woche für Woche in die Stadien pilgern. Ich finde es total aufregend, mir sagen zu können: Heute Abend sehe ich Ibrahimovic, Lucas oder Di Maria. Das ist das reinste Vergnügen.

Bei welchem der großen Namen in dieser Mannschaft geraten Sie denn besonders ins Schwärmen?Besonders bei Zlatan Ibrahimovic. Gleich darauf folgen Marco Verratti und Blaise Matuidi. Ich bewundere ihre Spielweise und ihre Einstellung. Und an Thiago Motta die Art, wie er das Spiel ordnet. Aber die gesamte Mannschaft ist so stark besetzt, dass es schwierig ist, einen Spieler herauszuheben. Doch Ibra ist für mich der Beste in einer ansonsten ebenfalls hochkarätig besetzten Mannschaft.

Ist es angesichts der mangelnden Konkurrenz in der Ligue 1 nicht auch besonders einfach, PSG-Fan zu sein?Nein. Die Klasse dieser Spieler macht Frankreich auch für andere Stars attraktiv. Dadurch kann sich das Niveau der ganzen Liga heben. Ich sehe darin nur Gutes. Okay, im Moment ist die Meisterschaft fast ein Selbstläufer. Aber im Fussball ist schon zu viel passiert, als dass das Thema jetzt schon durch wäre. Die Spieler müssen weiter ihre Arbeit auf dem Platz machen und gewinnen. Und selbst, wenn es momentan vergleichsweise einfach ist, die Meisterschaft zu holen, gibt es andere Hürden für Paris Saint-Germain, die höher sind. Das zu verfolgen, bleibt spannend.

Sie haben in der Jugend von Paris unter anderem mit Jérémy Menez zusammen gespielt, der heute französischer Nationalspieler ist und nach Stationen bei AS Monaco, PSG sowie AS Rom inzwischen beim AC Mailand angekommen ist. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit? Er war damals 13 oder 14, ich ein Jahr jünger. Wir waren also beide noch sehr jung und doch konnte man den Unterschied sehen. Wir als Spieler, die Eltern, die Trainer: Alle sagten, er wird mal Profi und ein großer Fussballer. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er hat Spiele und Turniere im Alleingang gewonnen.

Wo standen Sie im Vergleich dazu?Ich denke, ich war schon ganz gut. Es ist schwer zu sagen, ob es zum Profi gelangt hätte, aber sicher ist, ich hätte mich reingehängt und alles versucht. Ich hatte ein gutes Niveau, hätte aber auch sehr viel trainieren müssen, um mich kontinuierlich weiterzuentwickeln, Profi zu werden und mir eine Karriere als Fussballer aufzubauen. Wissen werde ich es letztlich nie. Aber versucht hätte ich es.

Kann ein Spitzenathlet in jeder Sportart erfolgreich sein? Hätten etwa Diego Maradona, Michael Jordan oder Dan Carter auch außerhalb des Fussballs Triumphe feiern können? Ich denke schon. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass ich viele Sportarten ausprobiert habe und ich habe es immer geschafft, mindestens Durchschnitt zu sein und irgendwas richtig zu machen, maximales Engagement zu zeigen, Herausforderungen zu bestehen. Das hat immer geklappt. Deshalb denke ich, ein Sportler mit der Mentalität eines Gewinners kann in jeder Disziplin etwas erreichen. Aber ich bedauere es nicht, mich für Rugby entschieden zu haben. Ich denke auch nicht darüber nach, was hätte sein können, wenn ich mich für einen anderen Sport entschieden hätte.

Gibt es denn einen Fussballer, den Sie besonders bewundern?Ich weiß, dass er polarisiert, aber ich liebe Cristiano Ronaldo! Ich finde, er ist ein großer Spieler und ein echtes Arbeitstier – einer, der sich alles selbst erarbeitet hat.

Ronaldo gehört neben Lionel Messi und Neymar zu den drei Finalisten des FIFA Ballon d'Or. Welche Chancen rechnen Sie ihm aus? Ganz ehrlich, ich rechne mit Messi. Ich weiß, dass es nicht zu Ronaldos Mentalität passt und er sich nie damit zufrieden geben wird, nicht zu gewinnen, aber es ist schon großartig, zu den drei Nominierten zu zählen. In diesem Jahr hat Messi in einigen Spielen und Aktionen Fussball vom anderen Stern geboten. Er hat in unglaublicher Weise den Ausschlag gegeben. Wenn er gewinnt, hat er es auch verdient.

Welchen der drei Finalisten würden Sie als Fan von PSG denn gern in Ihrem Verein sehen? Schwer zu sagen! Cristiano wurde ja schon mal bei Paris gehandelt. Er gehört zu meinen Lieblingsspielern, warum also nicht er? Aber, gut, wenn man mir Messi oder Neymar anböte, würde ich wohl auch nicht Nein sagen.

Im Six-Nations-Turnier 2013 ist Ihnen in Twickenham gegen England mal ein Lauf über 70 Meter gelungen, bei dem Sie sechs Tacklings ausgewichen sind. Ist das so etwas wie das Rugby-Gegenstück des Maradona-Tors von 1986 gegen England? (lacht) Wenn man es so darstellt – ja, ein wenig! Wenn man es einem Laien so erklären würde, mit Blick auf die zurückgelegten Meter und die Zahl der Tacklings, dann besteht da wohl eine Ähnlichkeit. Aber eigentlich kann man das nicht vergleichen. Jemanden mit einem Ei in den Händen abzufangen ist etwas ganz Anderes, als jemanden mit einem Ball am Fuß zu stoppen.

Wie sieht es denn in der Kabine von ASM Rugby aus? Gibt es dort Fans bestimmter Fussballvereine oder der französischen Nationalmannschaft?Im Klub sind wir drei oder vier Fans von PSG. Der Rest interessiert sich nicht für Fussball. Der eine oder andere verfolgt vielleicht mit einem Auge Marseille oder Lyon, aber damit hat es sich auch schon. In der französischen Nationalmannschaft hingegen schauen wir oft Fussball und ziehen uns gegenseitig auf. Außerdem spielen wir oft FIFA auf der Playstation. Wenn wir zu Freundschaftsspielen oder Turnieren zusammenkommen, wird immer viel gedaddelt. Einige sind gut, andere nicht so gut. In FIFA15 – denn FIFA16 haben wir noch nicht! – ist PSG für meine Begriffe noch unterbewertet, deshalb spiele ich immer mit Real Madrid. Aber das wird sich dieses Jahr ändern!

Wenn man vom Fussball her kommt, ist man dann im Rugby zwangsläufig auch gut mit dem Fuß?Sagen wir mal, ich bin mit dem Fuß nicht ganz schlecht, muss aber noch lernen, ihn im Rugby besser einzusetzen. Es ist schwieriger. Ich glaube nicht, dass es im Rugby einen Vorteil hat, wenn man gut im Fussball war. Der Ball hat eine andere Form, ein anderes Flugverhalten, die Ballannahme ist anders. Klar gibt es auch Schüsse. Und in beiden Sportarten ist es kein Nachteil, einen guten Schuss zu haben. Aber so einen ovalen Ball unter Kontrolle zu bekommen ist kompliziert und erfordert viel Übung. Man kann im Rugby gut mit dem Fuß sein und total schlecht im Fussball und umgekehrt sehr gut im Fussball und im Rugby eine Niete mit dem Fuß. Das zumindest kann ich Ihnen versichern! Beispiele gibt es genug, aber ich werde keine Namen nennen! (lacht)