Niger in einer WM-Qualifikationsgruppe mit Algerien
Cavalli hat bereits Algerien und einige führende Klubs des Landes trainiert
Der französische Trainer spricht über seine neue Mission und das Spiel gegen die Algerier
Im März dieses Jahres packte Jean-Michel Cavalli seinen Koffer und machte sich auf den Weg zum Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle, um nach Niamey zu fliegen, der Hauptstadt Nigers. Dort wollte er seinen Vertrag unterzeichnen und seinen neuen Posten als Nationaltrainer des Landes antreten. Doch der Flughafen war aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen, sodass Cavalli die Reise nicht antreten konnte. Die Fussballfunktionäre in Niger wollten ihn jedoch unbedingt verpflichten, und so wurde er schließlich mit einigen Monaten Verspätung doch noch offiziell zum Trainer des dortigen Nationalteams ernannt.
Für den Franzosen war das ein positives Signal. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen in Niger trotz der Verzögerung an ihm festhielten und dass er selbst die Rolle unbedingt übernehmen wollte, erhöht seiner Meinung nach die Erfolgsaussichten des Projekts beträchtlich.
In einem Exklusiv-Interview mit FIFA.com spricht Cavalli über seine neue Mission. "Ich habe mich für Niger entschieden, weil ich bei den Verantwortlichen ein gutes Gefühl hatte", erklärt er. "Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich im März starte, aber dann durfte ich wegen Covid-19 nicht reisen. Doch davon haben sie sich nicht abschrecken lassen, sondern waren bereit, noch einige Monate zu warten. Ich selbst habe ihnen immer Priorität eingeräumt, obwohl ich viele andere Angebote hatte. Dieser gegenseitige Respekt war ein guter Start für mich als Trainer dieses Teams."
Wie bei jedem anderen Trainer, der einen Vertrag in Afrika unterzeichnet, ist das erste Ziel der Einzug in die Endrunde des CAF Afrikanischen Nationen-Pokals.
"Leider hat unser Team in der Qualifikation zwei wertvolle Gelegenheiten verpasst, sodass unsere Chancen auf das Weiterkommen nun geringer sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nicht hart arbeiten werden, um den Rückstand aufzuholen. Es ist, als würden wir auf halber Strecke auf den fahrenden Zug aufspringen. Wenn wir noch am Anfang der Qualifikation stünden, wäre die Geschichte wahrscheinlich anders verlaufen. Meiner Meinung nach hängen unsere Chancen auf den Einzug in die Endrunde des Afrika-Pokals von den beiden bevorstehenden Spielen gegen Äthiopien ab. Doch wir wollen nicht nur die Endrunde des Afrika-Pokals erreichen, sondern auch ein starkes Team aufbauen, um in der WM-Qualifikation gut mithalten zu können."
Erfolgreicher Start
Der französische Trainer war überrascht über das hohe Niveau des Fussballs in Niger. "In den Monaten vor meiner Abreise hatte ich Gelegenheit, die Spieler und den Kader zu analysieren. Die hohe Qualität des Fussballs im Land hat mich wirklich erstaunt. Ich habe einige Spieler mit beträchtlichen Fähigkeiten gesehen, die ohne Weiteres in Europa spielen könnten."
Cavalli hat einen guten Start erwischt und mit dem Team die ersten beiden Freundschaftsspiele im Oktober gewonnen. "Obwohl wir zwei verletzte Spieler hatten, war mein Team konkurrenzfähig und den Gegnern gewachsen. Innerhalb von drei Tagen haben wir zwei Freundschaftsspiele gegen Tschad und Sierra Leone gewonnen. Das sind zwar keine großen Namen in Afrika, aber ich kann aus meiner Erfahrung als Trainer sagen, dass es wirklich keine kleinen Mannschaften mehr gibt. Das lässt sich auch an der Entwicklung ablesen, die Algerien durchgemacht hat, seit ich dort Trainer war."
Nostalgische Begegnung
In der WM-Qualifikation wurde Niger in eine knifflige Gruppe gelost, in der außer Burkina Faso und Dschibuti auch der amtierende Kontinentalmeister Algerien vertreten ist. Wir haben Cavalli gefragt, wie er die Gruppe einschätzt.
"In unserer Gruppe gibt es drei Teams, die etwa auf demselben Niveau sind. Das vierte ist der Afrikameister. Unser Spiel gegen Algerien wird wie ein Finale sein. Algerien wird zweifellos der große Favorit sein, aber wir müssen in diesen Qualifikationsspielen an unsere Chance glauben. Selbst wenn unsere Chance nur Eins zu Tausend ist, werden wir alles daran setzen, sie zu nutzen."
Cavalli weiter: "Meine Teams sind für andere immer schwere Gegner. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir zu meiner Zeit als Trainer Algeriens 2007 hervorragende Freundschaftsspiele gegen Brasilien und Argentinien bestritten haben."
Cavalli war etwa zwei Jahre lang Nationaltrainer Algeriens. Daher dürfte die bevorstehende Partie zwischen Niger und Algerien für ihn etwas ganz Besonderes sein. "Ich messe der Tatsache, dass ich Algerien trainiert habe und den algerischen Fussball sehr gut kenne, keine allzu große Bedeutung bei. Ich werde mit meinem Team versuchen, das Unmögliche möglich zu machen, weil ich Konkurrenzdruck mag. Auf jeden Fall haben wir in dieser Gruppe nichts zu verlieren. Der algerische Fussball hat in der letzten Zeit eine hervorragende Entwicklung durchgemacht, insbesondere mit Blick auf die A-Nationalmannschaft und die Sportanlagen. Die Spieler des algerischen Kaders sind bei den größten Klubs der Welt aktiv."
Ein letzter Wunsch
Da Cavalli seine Mission als Trainer Algeriens 2008 nicht erfüllte, hat er nach eigener Auffassung eine Chance verpasst, als Trainer an einer WM teilzunehmen. Nun träumt er davon, dieses Ziel mit Niger zu erreichen. "Jeder Trainer träumt davon, sich für die WM-Endrunde zu qualifizieren. Wenn uns dies mit Niger gelingen sollte, wäre das ein historischer Erfolg. Ich persönlich habe die Chance verpasst, bei der WM 2010 dabei zu sein. Ich habe 22 Monate mit Algerien gearbeitet, bin jedoch gegangen, bevor die Qualifikation begonnen hat. Doch die Arbeit, die ich während meiner Zeit dort geleistet habe, hat sich ausgezahlt."
"Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich Hamid Haddadj, dem damaligen Präsidenten des algerischen Fussballverbands, vor meinem Weggang gesagt habe, dass das Team gut auf die WM-Qualifikation vorbereitet ist und dass ich der größte Fan des Teams sein würde. Wegen der guten Arbeit, die wir in den Vormonaten geleistet hatten, war ich mir fast sicher, dass Algerien sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren würde. Der Beleg dafür war, dass wir nach der ersten Halbzeit des Freundschaftsspiels gegen Argentinien mit 2:0 geführt hatten und gegen Brasilien mit einem 0:0 in die Kabine gegangen waren. Die beiden lateinamerikanischen Teams belegten damals in der FIFA-Weltrangliste die Plätze eins und zwei. Ich träume auf jeden Fall davon, vor dem Ende meiner Trainerkarriere mit einem Team die WM-Endrunde zu erreichen."
Schließlich verrät Cavalli uns noch, welche afrikanischen Teams er als Favoriten auf die WM-Teilnahme sieht. "Algerien und Senegal haben die größten Chancen für Katar 2022, außerdem würde ich noch Marokko nennen. Ich glaube aber, dass wir in der bevorstehenden Qualifikation die eine oder andere Überraschung erleben werden."