Bernhard setzt den Weg von Gero Bisanz fort

Deutschland ist zu einer Brutstätte für junge, enthusiastische und fortschrittliche Trainer avanciert. Paradebeispiele dafür sind Jürgen Klopp und Thomas Tuchel, die beiden letzten Trainer von Borussia Dortmund, Julian Nagelsmann von der TSG 1899 Hoffenheim sowie Maren Meinert, Trainerin der deutschen U-20-Nationalmannschaft der Frauen. Und auch Anouschka Bernhard gehört in diese Kategorie.

Bernhard war zu ihrer aktiven Zeit Verteidigerin und gehörte der deutschen Nationalmannschaft an, die bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ Schweden 1995 bis ins Finale vorstieß. Alle Cheftrainerinnen des aktuellen Programms der deutschen Frauen-Nationalmannschaften standen an jenem Juninachmittag in Solna auf dem Platz, als Deutschland an der letzten Hürde scheiterte und sich mit 0:2 gegen Norwegen geschlagen geben musste. Der Grund dafür war der damalige Nationaltrainer Gero Bisanz.

Eines der Fotos von der WM in Schweden, die immer wieder die Runde machen, ist eines von Bisanz, bekleidet mit einem grauen Adidas-Sweatshirt, der nach der Finalniederlage tröstend den Arm um Silvia Neid legt. Seine tröstende Geste für Neid scheint etwas auszusagen: Fussball ist nicht alles. Komm wieder auf die Füße. Sei stolz. Neid sollte später selbst deutsche Nationaltrainerin werden und mit dem Team 2007 den Weltmeistertitel gewinnen. Außerdem wurde sie 2010 und 2013 als FIFA Frauenfussball-Trainerin des Jahres ausgezeichnet.

Bernhard, die aktuelle Trainerin der deutschen U-17-Frauenauswahl, berichtet im Gespräch mit FIFA.com, Bisanz habe sie dazu inspiriert, die Trainerlaufbahn einzuschlagen.

"Er war mein erster Nationaltrainer, und er war meiner Meinung nach ein herausragender Trainer", so Bernhard. "Als junge Spielerin habe ich zu ihm aufgeschaut und gedacht: 'Wow, ich wäre gern eines Tages ein Trainer wie er'. Er war so eine Art Idol für mich. Ich begann eine Lehrerausbildung. Und irgendwann wurde mir dann ganz klar, dass ich Trainerin werden würde. Der Prozess hat schon früh eingesetzt, schon während meiner Karriere als Spielerin."

Auf die Frage, wie sehr es sie freut, wenn Spielerinnen über das U-17-Programm den Weg nach ganz oben finden und bis in die A-Nationalmannschaft vorstoßen, macht sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit.

"Ich bin stolz! Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich eine Rolle in ihrer Entwicklung spielen kann, wenn auch nur ein Jahr lang. Sie sind nicht meinetwegen so gut, aber ich habe einen Anteil an ihrer Entwicklung, und wenn sie dann ihren ersten Auftritt im A-Team bekommen, bin ich stolz."

Der Weg nach Jordanien Die deutsche U-17-Auswahl hält sich derzeit in Österreich auf, wo sie an der Eliterunde der UEFA U-17-Europameisterschaft der Frauen teilnimmt, dem Qualifikationsturnier für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Jordanien 2016. Die Deutschen sind in einer kniffligen Gruppe gelandet, in der die Schweiz, Russland und Österreich vertreten sind. Wenn sie in ihrer Gruppe erfolgreich sind, ziehen sie in die Endrunde des Turniers ein, das vom 4. bis zum 16. Mai in Belarus stattfindet. Dort kämpfen acht Teams um drei Startplätze für Jordanien 2016. Bernhard weiß, dass die Qualifikation für das Weltturnier alles andere als einfach werden wird, hat aber dennoch großes Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Teams.

"Im Augenblick bin ich zuversichtlich", so Bernhard. "Wir haben vier jüngere Spielerinnen im Team, Jahrgang 2000, weil sie wirklich gut sind und viel in die Mannschaft einbringen. Der Kader ist hochklassig, aber die anderen Länder arbeiten sehr hart, und ihre Spielerinnen verbessern und entwickeln sich."

Bernhard hat selbst früher auf höchstem Niveau gespielt und ist daher die perfekte Ansprechpartnerin, wenn es darum geht, den Mädchen bei der Bewältigung von Spielen mit hohem Erwartungspotenzial zu helfen. Schließlich lockt eine erste WM-Teilnahme.

"Sie bestreiten zum ersten Mal in Ihrer Karriere Spiele, in denen es um alles oder nichts geht. Das ist viel Druck für sie. Sie wissen, welche Tradition das deutsche U-17-Team hat. Wir arbeiten daran, dass sie mit diesem Druck umzugehen lernen. Leider gibt es dafür kein Patentrezept! Wir sprechen bei Qualifikationsspielen nicht über die Bedeutung der Partien."

Sie reden jetzt nicht mehr darüber, weil sie dies bereits im Vorfeld getan haben. Bernhard nutzt Freundschaftsspiele gegen Teams wie England und Frankreich, um dem Team ein Gefühl für Dringlichkeit und Wichtigkeit zu vermitteln. Wenn dann die eigentliche Qualifikation beginnt, ist die Mannschaft bereits auf Leistung eingestellt. Das bringt uns zu der Frage, wie wichtig eine U-17-WM für die Entwicklung ist.

"Das ist einfach fantastisch. So ein Turnier ist eine unglaubliche Chance für die Mädchen", so Bernhard. "Die Erfahrungen, die sie dort sammeln, sind auch sehr wichtig für einen anderen Aspekt ihrer Entwicklung. Man bestreitet viele hochklassige Spiele. Die Partien werden live im Fernsehen übertragen, daher ist das einfach fantastisch. Der zweite Aspekt ist die lange Vorbereitungszeit, und auch die Weltmeisterschaft selbst dauert ja recht lange. Auch mit dieser Erfahrung lernt man umzugehen. Selbst wenn du nicht spielst, Reservespielerin bist oder kein Spiel gewinnst. Wenn man drei oder vier Wochen lang zusammen ist, stellt das an sich schon eine Herausforderung dar. All dies macht eine Weltmeisterschaft zu einer wichtigen Erfahrung für junge Spielerinnen."