Sonntag 10 Januar 2016, 08:22

Bell tippt auf Lloyd und Ellis und lobt Sasic

In einem normalen Jahr hätten Colin Bell und Celia Sasic am Abend der Gala FIFA Ballon d'Or gute Chancen, mit frisch gewonnenen Trophäen für die Fotografen zu posieren. Schließlich spielten beide wichtige Rollen beim Titelgewinn des 1. FFC Frankfurt in der UEFA Champions League der Frauen 2015 – Bell als inspirierender Trainer des Teams und Sasic als Rekordstürmerin.

Doch das zu Ende gegangene Jahr war kein normales. Schließlich geht es bei der morgigen Gala um ein Jahr, in dem eine FIFA Frauen-Weltmeisterschaft stattfand und daher wird der Ex-Trainer der Frankfurterinnen nur am Fernsehschirm dabei sein. Sasic ist zwar in Zürich dabei, nachdem sie ihre Torgefährlichkeit nicht nur im Klub, sondern auch in der Nationalmannschaft bei der WM-Endrunde in Kanada beweisen konnte. Doch Bell geht davon aus, dass sein ehemaliger Schützling auch selbst damit rechnet, mit leeren Händen nach Hause zu fahren.

"Es wäre ein wundervoller Triumph zum Ende einer fantastischen Karriere und ich würde liebend gern sehen, dass sie die Auszeichnung gewinnt", sagte er gegenüber FIFA.com über Sasic, eine der drei Kandidatinnen als FIFA-Weltfussballerin des Jahres. "Doch ich kenne Celia recht gut und ich weiß, dass sie als bodenständiger und realistischer Mensch längst erkannt hat, dass es kaum möglich sein wird, an einer Spielerin vorbei zu kommen, die die WM gewonnen und im Finale drei Tore erzielt hat. Ich kenne übrigens niemanden, der etwas anderes als den Sieg von Carli Lloyd erwartet."

"Celia kann sehr stolz darauf sein, dass sie zu den letzten drei Kandidatinnen gehört. Noch mehr hätte sie in der vergangenen Saison kaum leisten können. Sie hat bei uns eine Super-Saison gespielt und dann bei der WM so viele Tore geschossen. Doch sie ist ein Mensch, der auch die Leistungen anderer anerkennen kann und ich weiß, dass sie zu den ersten Gratulantinnen von Carli Lloyd gehören wird, wenn es so ausgeht, wie wir erwarten."

In der Tat ist es erst acht Monate her, dass Bell und Sasic Fussballgeschichte geschrieben haben. Bell gewann als erster englischer Trainer aller Zeiten eine Champions League und Sasic stellte mit 14 Toren einen neuen Rekord für die europäische Königsklasse auf. Die Karrierewege der beiden hatten sich indes schon einige Jahre zuvor gekreuzt. Bell hatte die Torjägerin bei Bad Neuenahr mit aufgebaut und sie kurz nach seinem eigenen Wechsel nach Frankfurt dann ebenfalls in die Mainmetropole geholt.

Seit dem europäischen Titelgewinn im Mai allerdings haben sich die Wege des Trainers und der Spielerin getrennt. Während der in Leicester geborene Coach Frankfurt in Richtung des norwegischen Klubs Avaldsnes verließ, hat sich Sasic vollständig vom Fussball verabschiedet. Beide Entscheidungen wurden in der Fussballwelt mit Erstaunen aufgenommen, insbesondere der Entschluss der erst 27-jährigen Stürmerin, die mit ihrem Klub und ihrer Nationalmannschaft auf der Erfolgswelle schwamm.

"Wir alle waren angesichts ihrer Entscheidung betrübt, doch wir haben sie respektiert", so Bell. "Der Fussball war nie die einzige Leidenschaft in Celias Leben. Sie hatte eben das Gefühl, es sei der richtige Zeitpunkt, um ihren Horizont zu erweitern. Sie war schon immer eine sehr fokussierte Persönlichkeit und wusste genau, was sie wollte. Wenn sie sich etwas vorgenommen hatte, dann verfolgte sie dieses Ziel mit ganzem Herzen.

"Ich konnte mich stets darauf verlassen, dass sie 100 Prozent gab, selbst wenn sie mal nicht gut spielte. Sie hatte die fantastischer Begabung, den Ball ins Netz zu befördern, und darum geht es ja letztlich beim Fussball. In den vier Jahren, in denen wir zusammengearbeitet haben, hat sie sich spielerisch definitiv enorm verbessert. Ich habe immer bewundert, wie konzentriert sie war. Manchmal haben wir auch gestritten, aber wir haben uns gegenseitig gut getan und sie hat die Herausforderung genossen, Titel zu holen."

Mit der gleichen Motivation arbeitete auch Bell und wurde schließlich mit dem größten Erfolg seiner Trainerkarriere belohnt. Der Gewinn der UEFA Champions League der Frauen brachte ihm einen Platz auf der Liste der zehn Nominierten als FIFA-Trainer des Jahres im Frauenfussball ein. Dass er es nicht unter die letzten Drei geschafft hat, stört den 54-Jährigen kaum. Er hofft indes, dass in Zukunft regelmäßig Vereinstrainer auf dem Podium zu finden sind.

"Ich habe mich natürlich sehr über die anfängliche Nominierung gefreut. Ich denke, die letzten Drei sind alle absolut würdige Kandidaten, die eine großartige WM hinter sich haben. Ich hätte allerdings auch gern einen Vereinstrainer dort oben gesehen. Im vergangenen Jahr habe ich mich sehr für Ralf Kellermann gefreut, der die Wahl 2013 nur knapp verpasst hatte, als er alle drei Trophäen gewann, um die sein Team spielte. Ich finde allerdings, auch der Frauenfussball auf Vereinsebene verdient Jahr für Jahr Aufmerksamkeit und Anerkennung, auch wenn große internationale Turniere stattfinden. Nominierungen und Auszeichnungen können dazu auf jeden Fall beitragen.

"Auf jeden Fall sollten diejenigen ganz vorn dabei sein, die Titel gewinnen. Daher denke ich auch, dass Jill Ellis dieses Jahr ganz vorn landen wird. Auch Mark Sampson hat mit England ein großartiges Turnier hingelegt, und Norio Sasaki hat mit den Japanerinnen ebenfalls Großes erreicht. Doch letztlich geht es im Fussball um Titel und Trophäen und Jill, deren Team den höchsten Titel im Weltfussball derart überzeugend gewonnen hat, wäre auf jeden Fall eine absolut würdige Gewinnerin."